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Deutschtürken
Merkel will Abstimmung über Todesstrafe untersagen

Türken in Deutschland sollen bei einer möglichen Abstimmung über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei in Deutschland nicht abstimmen dürfen, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Deutschland würde ein solches Referendum nicht genehmigen.

Von Nadine Lindner | 09.05.2017
    Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am 27.04.2017 im Bundestag in Berlin.
    Angela Merkel betont: "Nein, das ist kein Kurswechsel." (dpa)
    Nein, konkrete Anfragen gibt es noch nicht. Aber Bundeskanzlerin Angela Merkel baut im Interview mit dem WDR schon mal vor und lehnt es ab, dass in Deutschland für die Einführung der Todesstrafe in der Türkei geworben wird.
    "Dass dass bei uns möglich ist, für die Todesstrafe zu werben, ist das wirklich ein Kurswechsel?"
    "Nein, das ist kein Kurswechsel, aber das Thema war einfach in der Welt. Und ich glaube, dass auch gesagt wurde, dass wir auf hypothethische Fragen keine Antwort geben. Aber diese Frage ist leider, leider so hypothetisch auch nicht. Denn das Thema ist ja in der Türkei diskutiert worden."
    Die wahlberechtigten 1,4 Millionen Türken in Deutschland sollen, anders als beim Verfassungsreferendum Mitte April, nicht hierzulande über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei abstimmen dürfen. Recep Tayip Erdogan hatte dies nach dem Referendum ins Gespräch gebracht, konkrete Pläne gibt es noch nicht.
    "Das fand ich richtig und das hat für Klarheit gesorgt"
    Die Abstimmung unter den türkischen Wahlberechtigten in Deutschland ist genehmigungspflichtig. Und diese Genehmigung würde es nicht geben, so Merkel.
    "Da klar zu sagen, dass man für einen Inhalt, den wir absolut ablehnen, wie das etwa die Todesstrafe auf deutschem Boden Erlaubnis geben würde, obwohl wir dazu nicht verpflichtet sind, das werden wir nicht tun, das fand ich richtig und das hat auch für Klarheit gesorgt."
    Nicht verpflichtet - am Freitag hatte Regierungssprecher Steffen Seibert bereits überraschend deutlich Position bezogen und erklärt, dass Deutschland Wahlen und Abstimmungen anderer Staaten auf seinen Gebiet untersagen könne:
    "Es bedarf eines Antrags, und der wird dann vom Auswärtigen Amt, namens der Bundesregierung in Form einer Verbalnote auch beschieden. So ist das beim türkischen Verfassungsreferendum vor ein paar Wochen ja auch gelaufen. Und es gibt keine Pflicht, einem solchen Antrag zuzustimmen. Sie kann ihre Genehmigung auch verweigern. Sie kann eine Abstimmung hier in Deutschland untersagen."
    Wahlberechtigte müssten vor Ort abstimmen
    Bislang war es in der Praxis jedoch so, dass Deutschland sehr abstimmungsfreundlich entschieden hat.
    Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von Ende April kommt zu dem Schluss, dass die Bundesregierung die Abstimmung eventuell sogar verbieten MUSS. Nämlich dann, wenn unverbrüchliche Verfassungswerte zur Disposition stehen.
    Da die Türkei keine Briefwahl kennt, gibt es nur eine Möglichkeit: die Wahlberechtigten müssten reisen und vor Ort abstimmen.
    Keine einfache Situation auch für Gökay Sofuoglu, den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Der Mannheimer Morgen zitiert ihn mit den Worten:
    "Nur weil einem die Frage nicht gefällt, kann man ein solches Referendum in Deutschland nicht einfach verbieten." Im Gespräch mit der dpa setzte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde jedoch andere Schwerpunkte und sagte, dass er sowohl Referendum als auch die Todesstrafe ablehne. Er habe lediglich von der Bundesregierung gefordert, die rechtlichen Grundlagen für ein solches Verbot zu schaffen.
    "Das Recht, entscheiden zu dürfen, nicht vorenthalten"
    Ganz anders sieht es Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags im Interview mit dem Deutschlandfunk Ende April:
    "Das ist staatsbürgerliche Freiheit. Und wenn sie auch am Ende ein Ergebnis beinhaltet, das wir grundsätzlich ablehnen. Aber das Recht, entscheiden zu dürfen, sollten wir den türkischen Bürgern nicht vorenthalten."
    Und noch ein zweites Thema könnte für Diskussionen in den ohnehin angespannten deutsch-türkischen Beziehungen sorgen. Gestern Abend wurde bekannt, dass mehrere türkische Soldaten und ihre Familien Asyl in Deutschland erhalten.
    Es sind Nato-Soldaten, die vor ihrer Entlassung aus der Armee in Deutschland stationiert waren.
    Das Bundesinnenministerium bestätigte der ARD zwar, dass die ersten Anträge auf politisches Asyl türkischer Bürger mit Diplomatenpässen positiv beschieden wurden. Sprach jedoch nicht direkt von den Soldaten. Ende Januar hatte der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik gefordert, dass Deutschland alle Asylanträge türkischer Offiziere ablehnen soll.