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"Die Cy-Twombly-Story ist gerade am Anfang"

Seit Mario Monti die Regierung führt, wehe in Italien steuerpolitisch ein neuer Wind, berichtet Journalist Thomas Migge aus Rom. Jetzt ist der verstorbene US-amerikanische Maler Cy Twombly ins Visier der Ermittler geraten, der in Italien lebte und Gemälde am Fiskus vorbei verkauft haben soll.

Thomas Migge im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 14.02.2012
    Stefan Koldehoff: Als der Maler Cy Twombly im Sommer 2011 an seinem Wohnort Rom starb, da war der gebürtige US-Amerikaner ein Star der internationalen Kunstwelt, für dessen Bilder Höchstpreise gezahlt wurden. Vor sechs Wochen gab es dann kritische Fragen zu einer Ausstellung, die nach Stockholm inzwischen in Stuttgart zu sehen ist und die - so die Vorwürfe - von einem Mann zusammengestellt und vermarktet worden sei, der mit Twomblys Bildern auch handle und das Museum offenbar als Showroom genutzt habe. Nun gibt es neue posthume Schlagzeilen um den toten Maler - diesmal in Italien, und wieder geht's um Geld. Thomas Migge in Rom: worum genau?

    Thomas Migge: Es geht um Geld, es geht um Cy Twombly und es geht um dessen Sohn und einen römischen Staatsanwalt, der gegen den Sohn Alessandro Twombly ermittelt. Der Vorwurf lautet auf Steuerhinterziehung, denn Alessandro habe, so heißt es aus der römischen Staatsanwaltschaft, vier Millionen Euro von einem italienischen Konto seines Vaters in die USA überwiesen, und bei dem Geld handelt es sich um Einnahmen aus Gemälden, die Cy Twombly noch zu seinen Lebzeiten in Italien verkauft hat, aber die Erträge dem Fiskus gegenüber nicht erklärte. Zur anderen Seite dieser Geschichte gehören dann ein amerikanischer Anwalt mit Namen Learner und ein amerikanischer Finanzier und Spekulant, der heißt Saliba, und gegen die wird auch seitens der italienischen Staatsanwaltschaft ermittelt.

    Koldehoff: Bei so was stellt sich, Herr Migge, natürlich immer die Frage: noch mit Wissen des seit einigen Monaten verstorbenen Künstlers oder ohne? Gibt es da Hinweise?

    Migge: Da gibt es überhaupt keine Hinweise, wie es überhaupt nur ganz wenig Hinweise gibt auf das, was Cy Twombly mit seinem Erbe vor hatte. Das Testament wurde in den USA eröffnet, unterliegt also der amerikanischen Rechtsprechung. Und in diesem Testament wird nichts direkt dem Sohn hinterlassen, sondern einer Stiftung, der Cy Twombly Foundation in New York. Und diese Cy Twombly Foundation verwaltet die Gemälde, den künstlerischen Nachlass des Künstlers, und das Geld für den Sohn, denn dem Sohn stehen aus diesem Testament 150 Millionen Euro zu, die cash ausgezahlt werden sollen, was aber nicht geschah. Denn das Geld ging auf einen Trust, der ebenfalls in New York sitzt und der dem Anwalt Learner und dem Finanzier Saliba untersteht. Und die wollen das Geld für Alessandro nicht herausrücken und der klagt deshalb. Alessandro Twombly, der übrigens nördlich von Rom auf einem Gut lebt und ebenfalls Maler ist, hat die beiden Männer ebenfalls verklagt, weil die den künstlerischen Nachlass seines Vaters verwalten und eben nicht an den Sohn herausrücken wollen, der natürlich diese Gemälde und die Skulpturen, die da in Rom geschaffen wurden, zu Geld machen will.

    Koldehoff: Nun hört sich das alles furchtbar kompliziert an, das ist es sicherlich auch, nur trotzdem kein Einzelfall. Man weiß, dass auf dem Kunstmarkt viel mit Schwarzgeld agiert wird - ohne jetzt konkret Familie Twombly was zu unterstellen -, oft auch Bilder an Galeristen und an der Steuer vorbei direkt aus dem Atelier verkauft werden. Kann man denn schon sagen, ob die italienischen Behörden da in ein Wespennest gestochen haben, oder ob es eher ein Einzelfall ist? Legt man das Ganze größer an in Italien?

    Migge: Die Tageszeitung "Corriere della sera", die über den Fall Twombly berichtete, deutet an, dass es sich um ein Wespennest handeln könnte, denn es handelt sich bei dem Nachlass von Cy Twombly um eine Summe, die auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt wird. Da der Künstler in Italien lebte und von Italien aus auch den Handel mit seiner Kunst organisierte, oder jedenfalls mit den Galeristen kommunizierte, würde das ganze unter die italienische Steuergesetzgebung fallen. Das muss jetzt festgestellt werden, ob das, was in New York verwaltet wird, nicht letztendlich doch in Italien hätte steuertechnisch erklärt werden müssen. Ich denke mir, diese Geschichte ist gerade am Anfang, die Cy-Twombly-Story ist gerade am Anfang und wird in Italien sicherlich noch ermittlungsmäßig für großes Aufsehen sorgen und vielleicht auch für andere Künstler, deren Nachlass in Italien, von Italien aus verwaltet wird und mit denen man Geschäfte macht, die alle nicht dem italienischen Fiskus erklärt wurden.

    Koldehoff: Hätte man ja, Herr Migge, eigentlich auch früher schon drauf kommen können, denn Twombly lebte lange in Italien. Ist das vielleicht auch ein bisschen Anzeichen für einen neuen Wind, der da in Italien winkt?

    Migge: Sicherlich, denn mit Mario Monti als Berlusconis Nachfolger als Regierungschef weht hier steuerpolitisch ein ganz neuer Wind, denn Mario Monti will allen Steuerbetrügern auf die Spur kommen und hat dafür hunderte neuer Finanzpolizisten angeheuert, die auf diese Fälle stoßen sollen, mit denen man die leeren Kassen füllen will.

    Koldehoff: Thomas Migge aus Rom - vielen Dank.