Dienstag, 19. März 2024

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"Die Farben des Südens"
Hans-Purrmann-Retrospektive in Erfurt

Auf ganz eigene Weise verarbeitete Hans Purrmann die Anregungen der französischen Malerei von Cézanne und Matisse und schuf Landschaften, deren Form auf einem intensiven Studium der Natur beruht. Die "Farben des Südens", die er in Südfrankreich entwickelte, begleiteten ihn auf allen seinen weiteren Lebensstationen - jetzt sind sie in Erfurt zu sehen.

Von Carsten Probst | 06.02.2016
    Die französische Küste an der Cote D´Azur.
    Purrmann ließ sich von Südfrankreich inspirieren, wo er eine Pleinair-Malerei mit reinen Farben entwickelte. (imago / Westend61)
    Berlin und Paris, das waren die beiden entscheidenden Stationen in Hans Purrmanns noch junger Malerkarriere zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Max Liebermann trug 1905 dem damals gerade 25jährigen die Mitgliedschaft in der Berliner Secession an. Für jemanden, der sich wie Purrmann am Erbe des deutschen Impressionismus orientierte, war die Berufung nach Berlin eine Art Ritterschlag.
    Eine Parkszene aus dem Jahr 1903 am Beginn der Erfurter Ausstellung zeigt, was Liebermann an ihm schätzte: Purrmann mischt die dunklen und leuchtenden Farben des Laubes und der Pflanzen mit groben, aber exakten Pinselstrichen, erzeugt dabei eine mühelos und natürlich wirkende Räumlichkeit. Eine weibliche Figur auf der Parkbank ist im Hintergrund nur angedeutet mit zwei hellen Farbtupfern, und doch bewirkt Purrmann mit dieser vagen Andeutung den klaren Eindruck einer in ein Buch vertieften Frau. Solche Bilder mit erdig-strahlender Naturnähe kennt man auch von Liebermann. Für Purrmann begann in Berlin scheinbar ein steiler Aufstieg - protegiert von Max Slevogt und Liebermann, die in ihm wohl einen würdigen Fortsetzer ihrer eigenen Malerei und als künftigen Gegenspieler zu den verhassten Fauvisten sahen; vertreten durch die renommierte Galerie von Paul Cassirer.
    Berlin und Paris waren für Purrmann entscheidende Stationen seiner Malerkarriere
    Und doch kam alles ganz anders, und dies schon sehr bald. 1906 reiste Purrmann nach Paris. Dort wurden ihm von Freunden die Bilder im Salon d'Automne gezeigt, insbesondere von Matisse, der damals als abschreckendes Beispiel für den neuen durchgeknallten Kolorismus der Fauvisten galt. Allein Purrmann konnte nichts Verwerfliches an dessen Malerei erkennen, im Gegenteil: Er war fasziniert von ihr, schloss im weiteren Verlauf sogar persönliche Freundschaft mit Matisse und half ihm dabei, die Académie Matisse aufzubauen. Matisse wurde Purrmanns letzter Lehrer, sehr zur Missbilligung des Liebermann-Kreises.
    Wenn man die weitgehend chronologisch angeordneten rund einhundert Werke dieser Erfurter Ausstellung abläuft, wirkt der Übergang von der Berliner zur Pariser Zeit von Hans Purrmann dramatisch. Die erdigen Farbtöne weichen völlig aus seinen Bildern, der Farbauftrag wird betont flächig und klar. Die Pleinair-Malerei, die er zusammen mit Matisse und anderen Freunden in Südfrankreich betreibt, vermittelt einen ganz anderen Bildraum als noch zu Berliner Zeiten. Beim "Blick auf Collioure" von 1911 sieht man die südfranzösische Hafenstadt im Hintergrund als gestaffelte Ansammlung sandfarbener, beiger und rötlicher Flecken, im Vordergrund ein flüchtiges Grün von Pinien auf einem orangen Untergrund. So ist das ganze Bild, mit Anleihen bei der Malerei Cézannes, aus lauter kleinen Farbflächen mit leichter Hand durchkomponiert und befindet sich an der Grenze zur Abstraktion.
    Rund einhundert Werke in der Erfurter Ausstellung
    Wunderschön ist dieses Austesten der Grenze zum Abstrakten auch in den späteren Jahren zu sehen – etwa in einem Aquarell mit einem Birnbaum im Garten von 1931, das nur aus einzelnen langen Strichführungen besteht oder in einem Stillleben von 1962 vor einer gewürfelten Decke, in deren Ornament das Blumenmotiv fast verschwindet. Doch wirklich abstrakt hat Hans Purrmann nie gemalt. Im Gegenteil: Immer wieder kehrt er zu erstaunlich realistischen, mitunter fast naturalistisch anmutenden Darstellungsweisen zurück. Sein Stil ist nie ganz einheitlich - und doch trifft ihn für sein leuchtendes und leichtes Kolorit das Verdikt, nun kein "deutscher" Maler mehr zu sein, sondern ein "Französling". Zu Nazizeiten war das gleichbedeutend mit "entartet".
    Nach dem Krieg wurde Purrmann zwar viel geehrt, aber aus den westdeutschen Debatten der fünfziger Jahre um Abstraktion und Gegenständlichkeit hielt er sich heraus. Möglicherweise war er mit über siebzig auch schon zu alt, um noch einmal aktuell zu werden. So ist er bis heute ein seltsam unterschätzter Maler geblieben. Die Ausstellung im Angermuseum Erfurt fügt seinem Nachruhm allerdings eine bislang kaum bekannte Facette hinzu. Denn Hans Purrmann, obschon er nie in der DDR und alles andere als ein sozialistischer Künstler war, wurde von einzelnen Mitgliedern des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR offenbar so sehr geschätzt, dass ihm in den sechziger Jahren eine Ausstellung in Ost-Berlin gewidmet war. Die Erfurter Ausstellung wäre demnach also nicht die erste von Hans Purrmann in Ostdeutschland – sondern ein Wiedersehen unter neuen Vorzeichen.