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Die Schattenseiten des menschlichen Daseins in der Kunst

Es sei eine sehr sinnlich inszenierte Ausstellung, sagt Christiane Vielhaber über die Ausstellung "Schwarze Romantik" in Frankfurt. Die Kulturjournalistin ergänzt, dass es den Kuratoren gelinge, Verbindungen von Caspar David Friedrich bis hin zu Paul Klee zu knüpfen.

Christoph Schmitz im Gespräch mit Christiane Vielhaber | 27.09.2012
    Christoph Schmitz: "Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst" - so heißt die aktuelle Ausstellung des Städelmuseums in Frankfurt. Um die dunklen Seiten der romantischen Epoche und wie sie nachwirkten in Symbolismus und Surrealismus - darum dreht sich diese Bilderschau mit über 200 Gemälden, Skulpturen und Grafiken von Johann Heinrich Füssli, Caspar David Friedrich, Eugène Delacroix, Francisco de Goya und William Blake und die späteren, Salvador Dalí, Brassai und Max Ernst, um nur einige wenige ausgestellten Künstler zu nennen.

    Christiane Vielhaber, Sie waren in der Schwarzen Romantik, sind eingetaucht. Was ist das Besondere an dieser Ausstellung, dass sie die Auswirkungen und Entwicklung der Nachtromantik bis ins späte 19. und 20. Jahrhundert entwickelt und entwirft?

    Christiane Vielhaber: Na ja, Romantik ist für uns zunächst mal eigentlich ein von der Literatur geprägter Begriff oder von der Literaturwissenschaft. Und dass man hier jetzt nicht das blaue Blümlein suchen kann, steht ja schon im Titel. Im Eingang dieser über zwei Etagen im Frankfurter Peichel-Bau verteilten Schau ist es noch nicht so wie bei den Gebrüder Grimm, wo ich mir sage, ach wenn es mich doch nur gruselte, wenn es mich doch nur gruselte, obwohl es schon ganz schön unheimlich ist. Sie schauen in schwarze Spiegel, dieser ganze Raum ist verspiegelt, Sie sehen sich also von hinten und von vorne und denken, wo geht's jetzt los, und der erste Weg geht direkt auf, man kann sagen, Henry Fuessli, denn Heinrich Füssli ist zwar Schweizer, war evangelischer Prediger, ist dann aber nach England gegangen und wird eigentlich auch als Engländer rezipiert. Da ist dann dieses große berühmte Bild "Der Nachtmahr". Dann liegt eine Schöne, nicht nackte, aber sie liegt so auf dem Rücken und kippt dem Betrachter entgegen, dass Sie voll in die Brust sehen können. Dann schaut ein weißes Pferd durch den Vorhang und dann sitzt links so ein gnomhafter Teufel, und die ganze Szene ist eigentlich: Man kann sich vorstellen, die träumt jetzt was, vielleicht wünscht sie sich auch was. Die Szene ist erotisch oder auch sexuell aufgeladen. Also das große Gruseln kommt nicht so sehr. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das große Gruseln ist mir bei den Filmen gekommen. Ich hatte zuvor Goyas Radierung gesehen, und wenn Sie dann um die Ecke gucken und Sie sehen in diesem Kinoraum Frankenstein und dann sehen Sie Boris Karloff - - Und wissen Sie, wo der herkommt? - Der ist genauso mit diesem viereckigen Kopf bei Goya schon vorgezeichnet, bei einer Familie, die so eine Raffzahn-Familie war in Madrid. Das Ganze ist eigentlich der Versuch zu zeigen, wie sind die Menschen umgegangen mit der Erfahrung, dass die Aufklärung überhaupt nicht was Aufgeklärtes gebracht hat. Sie hat Kriege gebracht, sie hat Verunsicherung des Menschen gebracht, sie hat Angst und Schrecken gebracht.

    Schmitz: Man kommt also zuerst mal in die dunkle Romantik des frühen 19. Jahrhunderts. Und dann erzählten Sie, dass man auch die Filme sieht. Dracula ist 1897, glaube ich, erschienen und dann von Murnau 1913 und 1915 verfilmt worden.

    Vielhaber: Es sind mehrere Filme, bis zu dem andalusischen Hund.

    Schmitz: Wie wird denn diese Verklammerung gemacht? Ist das so ein schleichender Übergang, dass man aus der Goya-Welt in die Murnau-Dracula-Welt hinübergleitet oder ist das stringent analytisch vorgeführt?

    Vielhaber: Das kann man nicht sagen. Es ist schon sehr sinnlich inszeniert. Aber, und das ist das Geniale der beiden Kuratoren, dass sie Verbindungen knüpfen, dass Sie in einem Raum sind und denken, Mensch, das habe ich jetzt vorne schon bei Caspar David Friedrich gesehen, oder bei Blechen gesehen. Oder das, was Carus vorne gemacht hat, dann denken Sie nachher bei Paul Klee, der von Carl Einstein übrigens als der Romantiker des 20. Jahrhunderts bezeichnet wurde in den 30er-Jahren, wenn Sie dann Paul Klee sehen, den wir eigentlich lustig finden, wenn er mit seinen Männern da ist, wenn Sie das andere vorher gesehen haben, dann begreifen Sie, dass da doch, ich sage mal, eine sehr deutsche Geisteshaltung ist, die sich durchzieht, auch wenn wir Dalí dabei haben, aber auch bei Max Ernst. Was haben wir denn? Die Nebel bei Caspar David Friedrich. Und was malt Max Ernst? Den Wald - und die Bäume sind eigentlich Gestalten, die einem Angst machen.

    Schmitz: Ein Satz noch. Eine gelungene Schau?

    Vielhaber: Hinreißend!

    Schmitz: Vielen Dank, Christiane Vielhaber, für diese Eindrücke der Ausstellung "Schwarze Romantik" im Städelmuseum in Frankfurt.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.