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Die Wurst und das Treibhausgas

Zu viel, zu fett, zu salzig – Ernährungsfehler sind nichts Neues. Was wir essen, wirkt sich aber nicht nur auf Gesundheit und Figur aus, sondern in großem Maß auch auf die Umwelt. Damit hat sich das Öko-Institut im Rahmen eines Forschungsvorhabens auseinandergesetzt.

Von Michael Schlag | 02.03.2006
    Sieben Verbrauchertypen unterscheiden die Forscher in der Studie "Ernährungswende" – mit den Extremen "Desorientierter Fast-Fooder" auf der einen und dem "Ernährungsbewusst Anspruchsvollen" auf der anderen Seite. Doch die Auswertung, welcher Ernährungsstil die meiste Energie verbraucht und die meisten Treibhausgase freisetzt, zeigte Überraschendes: Die Unterschiede sind viel geringer als erwartet. Der Ernährungstyp "Billig- und Fleisch-Esser" zum Beispiel verursacht keine höhere Umweltbelastung als der Typ "Fitnessorientiert Ambitionierter".

    Die Forscher wollten nun wissen, wie sich die gezielte Umstellung einzelner Ernährungsgewohnheiten auf die Umweltbelastung insgesamt auswirkt. Erste Annahme: Der Fleischverzehr geht in den kommenden Jahren drastisch zurück. Projektleiterin Ulrike Eberle vom Öko-Institut:

    "Wir haben uns angeschaut: wenn man eine solche Entwicklung unterstellen würde, was würde dann passieren. Dabei haben wir unterstellt, der Fleischkonsum würde sich bis zum Jahr 2030 halbieren. Dann können wir feststellen - was die Treibhausgase angeht - dass dadurch zwar eine Reduktion erzielt werden könnte, also dass es sich verringern würde, dass es eine Verbesserung geben würde, aber längst nicht in dem Maße, wie immer angenommen wird."

    Ebenfalls nur geringe Wirkung zeigt die Modellrechnung für einen sehr starken Anstieg der Biolandwirtschaft auf ein Drittel des Lebensmittelmarktes. Auch eine stärker regionale Versorgung könnte allein genommen nicht viel ausrichten, verursacht der Transport doch nur drei Prozent aller Treibhausemissionen der Ernährung. Bei einem einfachen technischen Prozess dagegen, wie zum Beispiel dem Waschen, ist das richtige Verhalten viel einfacher zu erreichen:

    "Wenn ich Ihnen jetzt etwas erzählen sollte darüber 'Wie wasche ich umweltverträglich?" dann sage ich Ihnen: dosieren Sie ihr Waschmittel richtig, wählen Sie eine niedrige Waschtemperatur und befüllen Sie die Waschmaschine voll. Und schon haben Sie eigentlich das Thema umfassend beschrieben. Das ist im Ernährungsbereich leider so nicht möglich. Da können Sie nicht einfach sagen: 'Nehmen Sie Bio-Produkte und alles wird gut."oder "Setzen Sie hier an, und dann haben wir das Thema erledigt." So einfach ist es dort nicht. Für eine Ernährungswende ist es notwendig, viele kleine Maßnahmen zu ergreifen und an vielen kleinen Stellschrauben zu drehen."

    Jedem Einzelnen noch mehr Informationen über richtige Ernährung zu liefern, halten die Forscher allerdings für aussichtslos. Wissen gebe es genug, was oft nicht funktioniere, sei die Umsetzung im Alltag. Im Übrigen sei Ernährung etwas sehr Persönliches, in das man sich ungern hineinreden lasse. Das Forschungsprojekt Ernährungswende rückt deshalb die Institutionen in den Mittelpunkt, zum Beispiel in der Erziehung. Ulrike Eberle vom Öko-Institut:

    "Ernährung ist sicher auch eine öffentliche Aufgabe. Die Entwicklung geht in Richtung Ganztagsschulen, da muss darüber diskutiert werden, wer Verantwortung für die Ernährung in der Schule übernimmt. Und seitens der Eltern ist das teilweise sehr schwer realisierbar, sie sind nämlich nicht anwesend im Schulalltag. Das heißt, dort ist das Ziel, dass eine umweltverträgliche, gesundheitsfördernde Ernährung ein selbstverständlicher Bestandteil des Schulalltags wird."

    Denn die verschiedenen Ernährungstypen müssen ja nicht für ein ganzes Leben festgelegt sein. So kann sich ein jugendlicher "Desinteressierter Fast-Fooder" mit der Familiengründung auch zum "Ernährungsbewusst Anspruchsvollen" wandeln oder im Alter zum "Freudlosen Gewohnheitskoch" zurückfallen.