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"Diese Streiks haben einen Sachgehalt"

Der Wissenschaftsrat teilt die Bedenken der Studierenden, dass die Regelstudienzeiten zu knapp bemessen sind. Allerdings weist er ausdrücklich daraufhin, nicht an der operativen Umstellung des Wissenschaftssystems beteiligt zu sein.

Von Jacqueline Boysen |
    Entscheidend ist, dass das Hochschulsystem nicht so tun kann, als operiere es noch unter den gleichen Bedingungen wie vor fünfzig Jahren - weit holt der Vorsitzende des Wissenschaftsrates in seiner Analyse der Lage aus, um schließlich zu dem Befund zu gelangen.

    "Diese Streiks haben einen Sachgehalt, der ist ernsthaft und auf den muss man reagieren."

    So teilt der Wissenschaftsrat die Kritik der Studentenschaft an der Qualität der Lehre, Peter Strohschneider, der Vorsitzende des Wissenschaftsrates warnt eindrücklich vor einer Prekarisierung im akademischen Mittelbau und bemängelt, dass die Festlegung des Bachelors auf eine Regelstudienzeit zu strikt vorgenommen wurde:

    "Es ist ja gegenwärtig schon so, dass die Regelstudienzeit nach Fächergruppen nicht einheitlich sind, und das ist auch wohl nicht anders machbar. Jobben und die Finanzierung des Studiums durch Jaobs, Stipendien oder zahlungskräftige Eltern ist nur eine Dimension. Das zweite ist der Fremdsprachenerwerb, eine dritte Dimension sind Auslandsaufenthalte und die vierte sind Freiräume für ein selbst entwickeltes, intellektuelles Erfahren, das es im Studium geben muss."

    Doch der Vorsitzende des Wissenschaftsrates stellt auch klar, dass sein Gremium operativ mit der Umstellung des Wissenschaftssystems und der Bologna-Reform nichts zu tun habe: Der Wissenschaftsrat gebe Empfehlungen und verstehe sich als eine Art Organisationszentrum. Insofern könne er nicht selbst handeln, so Strohschneider, und müsse daher auch kein Schuldbekenntnis ablegen. Den Vorschlag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die Bund und Länderminister an einen Tisch holen möchte, um über Konsequenzen aus den bundesweiten Studentenprotesten zu beraten, begrüßt der Wissenschaftsrat.

    Die Ministerin hatte am Wochenende im Magazin "Focus" erklärt, dass die Studentenschaft ein Anrecht habe zu erfahren, was an Reformschritten nun unternommen werde, um die Lehre zu verbessern. Schavan mahnte alle Beteiligten, gegenseitige Schuldzuweisungen einzustellen und sich der Reform der Reform zuzuwenden:

    "Der Bolognaprozess ist wichtig, das glaube ich nach wie vor, aber er muss stimmen. Und es ist falsch so zu tun, als gehe das überall schlecht, an den Fachhochschulen zum Beispiel gibt es tolle Beispiele. Aber dann gibt es Professoren, die ihr Hobby zu Bachelorfächern gemacht haben, wo viel zu viel Spezialisierung drinsteckt. Ich glaube, die Debatte muss man zukunftsorientierter führen."
    Namens der Länder hatte sich der Präsident der Kultusministerkonferenz, Henry Tesch, am Wochenende Verständnis für die protestierenden Studenten gezeigt. Der CDU-Politiker kritisierte die Hochschulen, denen es seiner Ansicht nach an Flexibilität mangele. Die Hochschulen ihrerseits geben die Kritik an die Länderminister zurück - bürokratische Hemmnisse blockierten sie und es fehle am Geld.

    Auch Christoph Markschies, Präsident Humboldt-Universität zu Berlin, hält wenig von wechselseitigen Beschimpfungen:

    "Es hat jeder einen Anteil an dem, was kritisiert wird. Wir haben zu wenig Geld, das können wir als Universitäten nicht gerieren, jedenfalls nicht, wenn wir weiter mehr Studierende ausbilden sollen. Wir als Universitäten sollten freier werden im Umgang mit Richtlinien und die Prüfungslast reduzieren und als Profs von unseren Lieblingsvorlesungen Abschied nehmen, Module bauen heißt nicht, klassische Vorlesungsthemen einfach umetikettieren."

    Markschies zeigt Verständnis für die Kritik der Studenten, die den Lehrbetrieb an der HU übrigens nicht lahmlegen, aber ihren Protest kundtun.