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Ebola-Vorsorge in Deutschland
Ärzte fühlen sich nicht hinreichend informiert

Die Ebola-Epidemie ist derzeit vor allem für Menschen in Westafrika eine tödliche Bedrohung. Doch nachdem erste Fälle in den USA und Europa aufgetreten sind, müssen auch in Deutschland Ärzte damit rechnen, dass ein mit dem Virus infizierter Patient ihre Praxis aufsucht. Hinreichend informiert über das richtige Verhalten im Notfall fühlen sie sich nicht.

Von Benjamin Dierks |
    Ein munteres Kommen und Gehen in der Arztpraxis Marienburg in Köln. Arzthelferinnen begrüßen die Patienten am Empfang, bitten sie in eines der zwei Wartezimmer. Krankenschwestern geleiten sie dann in die Behandlungsräume, übernehmen selbst viele Aufgaben, Fieber messen, Blut abnehmen, impfen. Hier fehlt es an nichts, selbst ein eigenes Labor hat die moderne Praxis, die Rüdiger zur Bonsen gemeinsam mit einem Kollegen leitet. Aber Schutz vor einer möglichen Infizierung mit dem Ebola-Virus bietet all das nicht:
    "Das Problem ist eigentlich, dass wir hier offene Türen haben, dass ein Infizierter reinmarschieren kann, ohne dass es ein Vor-Checking gibt."
    Offene Türen, ganz normal für Hausärzte in Deutschland. Doch das macht sie anfällig. Die derzeitige Ebola-Epidemie ist zwar in erster Linie für Menschen in Westafrika eine tödliche Bedrohung. Doch nachdem erste Fälle in den USA und Europa aufgetreten sind, müssen auch Hausärzte in Deutschland damit rechnen, dass ein mit dem Ebola-Virus infizierter Patient ihre Praxis aufsucht.
    Rüdiger zur Bonsen: "Ich würde denken, dass wir hier in der zweiten Reihe sind, nicht so schnell betroffen sind, aber relativ schutzlos."
    Die zweite Reihe, normale Hausärzte, wie gut sind sie vorbereitet auf den Ernstfall? Beispiel Köln: Gesundheitsämter und Ärztekammern haben die Praxen über Post, E-Mails und Ärzteblätter gewarnt.
    "In dem Zusammenhang haben wir natürlich auch in der derzeitigen akuten Diskussion die Besorgnis, dass Ebola letztendlich auch hier ein Thema werden könnte, dadurch, dass sich vielleicht jemand nach Köln verirren könnte, der eben krank ist oder sich infiziert hat."
    Gerhard Wiesmüller leitet im Gesundheitsamt Köln die Abteilung Infektions- und Umwelthygiene. Er will niedergelassene Ärzte vorbereiten für den Fall, dass ein Patient ihren Verdacht erregt. Damit alle einheitlich informiert werden, verweisen Ämter und Kammern auf das Robert-Koch-Institut. Doch schon dessen Informationsblatt über das richtige Verhalten im Notfall sorgt bei Hausärzten wie Rüdiger zur Bonsen für Verwirrung:
    Informationsblatt sorgt für Verwirrung
    "Staunenswerterweise ist es so, dass da ziemlich schnell darauf verwiesen wird, einen Schutzanzug nach einer Norm anzuziehen, den wir hier in der Praxis natürlich nicht vorrätig haben."
    Ein Missverständnis. Einen speziellen Schutzanzug nämlich brauchen Hausärzte nicht. Ein Arzt soll vor allem: Abstand halten, den Patienten in einen eigenen Raum bringen und von anderen Menschen fernhalten. Und er soll ihn befragen, um den ersten Verdacht zu erhärten: Ob er in betroffenen Ländern Westafrikas war oder anders Kontakt zu Infizierten oder Erkrankten gehabt haben könnte, sagt Gerhard Wiesmüller:
    "Und dann ist der entscheidende Punkt: Wenn diese Schritte eingeleitet sind, keine weiteren Maßnahmen am Patienten ergreifen, sondern über 112 oder die Leitstellennummer der Feuerwehr um Hilfe bitten, und dann werden der leitende Notarzt und ein Vertreter des Gesundheitsamtes kommen und Hilfe leisten."
    Sollte sich der Verdacht bestätigen, wird der Betroffene mit einem Spezialtransporter der Feuerwehr in ein Krankenhaus mit Isolierstation gebracht. Von Köln aus wäre das nächste Düsseldorf. Daneben gibt es Stationen in Berlin, Hamburg, Leipzig, Frankfurt, Stuttgart und München. Womöglich hat ein Ebola-Verdächtiger aber auch nur eine ganz normale Grippe. Und hier liegt ein Problem. Hausarzt Rüdiger zur Bonsen würde kaum darauf kommen, dass ein Patient in seinem Behandlungszimmer an Ebola erkrankt sein könnte. Dafür unterscheidet sich die Krankheit im Anfangsstadium einfach zu wenig von einem der derzeit grassierenden Infekte.
    Rüdiger zur Bonsen: "Wir haben im Moment zum Beispiel einen Virusinfekt unterwegs, der mit Grippesymptomen und eben aber auch abdominellen Beschwerden, also Bauchschmerzen und Durchfall verbunden ist. Da könnte man jetzt keinen rausfischen."
    Das Risiko besteht also, dass ein Ebola-Kranker in einer Hausarztpraxis genauso behandelt würde wie ein normaler Grippe-Patient - mit den entsprechenden Folgen.
    Und was passiert, wenn ein mutmaßlich Infizierter zwar erkannt wurde, zuvor aber schon mit anderen Patienten im Wartezimmer gesessen hat? Ebola wird zwar nur über Körperflüssigkeiten übertragen - Blut, Erbrochenes oder Schweiß - aber jeder, der näher als einen Meter an einen Infizierten herangekommen ist, hat sogenannten ungeschützten Kontakt gehabt - und gilt damit als gefährdet.
    Rüdiger zur Bonsen: "Das heißt, wenn so ein Fall aufträte und so ein Verdacht bestünde, würde man sicher alle Patienten erstmal hier behalten müssen und erfassen wer es ist."
    Selbst ansteckend wären neu Infizierte aber erst, wenn sie selbst Symptome zeigen. Das kann drei Wochen dauern. Wenn jemand also erst einmal wegläuft, ist es deshalb kein Drama, sagt Gerhard Wiesmüller. Er sorgt sich allerdings um das Seelenheil der Betroffenen:
    "Das Nachdenken kommt Stunden später, wahrscheinlich nachts, wenn man im Bett liegt und denkt, auwei auwei, jetzt bin ich weggelaufen, bestand für mich eine Gefahr? Dann kann ich keinen Experten mehr fragen."