Montag, 13. Mai 2024


Eddie Rosner

Er war ein sehr angenehmer Plauderer, ein sehr eleganter Mann.

Peter Lange | 21.06.2001
    Der war sehr sympathisch und er war sehr talentiert.
    Mein Vater hatte sehr viel Charme. Wenn er gefallen wollte, hat er gefallen.

    Diejenigen, die ihn noch kannten, sind bis heute von ihm fasziniert, obwohl er schon vor einem Viertel-Jahrhundert gestorben ist. Eduard Adolf Rosner, bis 1933 nannte er sich Adi, danach Eddie, Jazz-Trompeter und Bandleader, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, geboren 1910 in Berlin. Als im Juni 1941 der Krieg der Deutschen gegen die Sowjetunion beginnt, lebt er schon anderthalb Jahre in der UdSSR und hat schon eine Karriere hinter sich. Eddie Rosner gehörte im Berlin der 20er Jahre zu den legendären Weintraub Syncopators, der ersten Band, die nicht einfach nur Tanzmusik machte, sondern eine richtige Bühnenshow hinlegten.

    Diese Weintraubs, das waren sieben Musiker, die spielten mehrere Instrumente und sie spielten Stücke auf der Bühne und gaben sich mit dabei als Humoristen und hatten so einen unglaublichen Erfolg und ein unglaublich großes Publikum.

    Lutz Adam, langjähriger Musikredakteur im Berliner Rias und Jazz-Experte gerät noch heute ins Schwärmen.

    1924 wurden die Weintraubs gegründet. 27 kam der große Durchbruch mit dem Pianisten und Komponisten Friedrich Hollaender, der die Weintraubs hörte und völlig entzückt war und sie sofort in seine Revue einbaute. Dann kam der berühmte Max Reinhardt. Der holte sie in seine Revue, die Komödie. Das ging so weiter. Dann haben sie in dieser Zeit 20 Filme gedreht. Der Höhepunkt war der Kultfilm "Der blaue Engel" mit der Marlene Dietrich.

    Zu dieser renommierten Jazzband stößt 1930 Eddie Rosner. Mit den Weintraubs erlebt er einen kometenhaften Aufstieg, und drei Jahre später den ersten großen Einschnitt in seine Biographie: Nach der Machtübernahme der Nazis ist ihm und seiner Familie sofort klar, dass sie als Juden polnischer Herkunft nicht mehr in Deutschland bleiben können. 1936 lässt er sich in Warschau nieder und gründet dort seine eigene Band. Nach dem deutschen Überfall auf Polen weicht er den Nazis ein weiteres Mal aus, Richtung Osten, ins sowjetisch besetzte Ostpolen, nach Lemberg. Auch dort macht er wieder seine Musik und bekommt eines Tages Besuch von den Staatsorganen. Irina Prokofiev-Rosner, seine Tochter erzählt:

    Mein Vater stand hinten, und dann hat dieser Kommissar gefragt: Wer ist Adi Rosner? Wir haben eine Meldung, dass hier ein ganz berühmter Musiker da ist, und wenn Sie das sind, möchten sie sie in Moskau sehen.

    Rosner hat auch in der sowjetischen Nomenklatura seine Fans. Der weißrussische KP-Chef Ponomarenko ist Jazz-Liebhaber und sorgt dafür, dass Rosner und seine Band überall im Land auftreten können, als staatliches weißrussisches Jazzorchester.

    Echter Westjazz, das ist explodiert wie eine Bombe, weil bis dahin war das in Rußland nur sehr vereinzelt und auch nicht besonders anerkannt, nicht verbreitet. Und jetzt ganz massiert. Solche Musik, das hat natürlich auch die Bedeutung des neuen und unbekanntem Westlichen. Und dass das möglich war, das ist einfach erstaunlich.

    Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 verschafft dem populären Eddie Rosner und seiner Band einen offiziellen Auftrag: Truppenbetreuung. Rosner und seine Musiker reisen bis Kriegsende kreuz und quer durch die UdSSR. Aber nach dem Ende des Krieges sinkt Rosners Stern. Jazz gilt nun in Moskau als Ausdruck westlicher Dekadenz. Als er 1946 mit seiner polnischen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind das Land ohne Erlaubnis der Behörden verlassen will, werden sie verhaftet.

    Er wurde gezwungen zu unterschreiben, dass er Verräter der Heimat sei. Seinen Status als Flüchtling hat man nicht anerkannt, in dem man ihn 1946 nicht ausreisen ließ.

    Eddie Rosner wird zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Aber er hat wieder Glück im Unglück. In der Schattenwelt des Gulag trifft er auf Lagerkommandanten, die das Können des großen Rosner zu schätzen wissen. Er kann in der Haft eine Band gründen und Musik machen. Und im Straflager im sibirischen Magadan lernt er Marina Prokofiev-Bojko kennen, damals eine attraktive Ballett-Tänzerin, heute eine temperamentvolle alte Dame von fast 77 Jahren:

    Der kam zu uns 1949. Ich habe ihn in Odessa gesehen. Der war so groß. Und plötzlich war er hier. Während der Reise haben ihn Diebe ausgemacht. Und wenn ich das gesehen habe, mir war schrecklich.

    Marina kümmert sich um Rosner. Sie leitet die Kultur-Brigade und sorgt dafür, dass er weder in die Bergwerke noch zu den Holzfällern muss, sondern in ihrer Brigade mitarbeitet. Sie ist es, die Eddie Rosner herauspaukt, als er einmal mit der Lagerleitung in Konflikt kommt.

    Da habe ich gesagt: Was wollen sie von ihm? Der ist ein Faschist. Da sage ich: welcher Faschist. Du blöder Kerl. Der ist ein Jude. Wie kann ein Jude Faschist sein. Wollen sie etwas mit ihm machen, dann machen sie es mit mir.

    Zu diesem Zeitpunkt sind die beiden schon ein Paar, und Marina ist schwanger. Ihre Tochter Irina kommt im August 1953 zur Welt, wenige Tage nachdem Marina aus dem Lager entlassen worden ist. Eddie Rosner wird ein knappes Jahr später amnestiert. Er kehrt nach Moskau zurück und startet mit einer neu formierten Bigband ein Comeback. Bald ist er wieder einer der gefragtesten Unterhaltungskünstler der Sowjetunion, mit Wohlstand und Privilegien: Aber das, was er spielt ist, ist kein Jazz mehr. Und die Erfahrung der Lagerhaft sitzt ihm in den Knochen.

    Ich weiß, dass er ständig Angst hatte. Er wusste ganz genau: Morgen kann er abstürzen, genauso wie 1946. Er wollte auch immer weg. Er wollte nach Hause, nach Deutschland. Seine Heimat war Berlin, und das ist auch, wohin er gefahren ist, als er endlich mal die Ausreisegenehmigung bekam.

    Er bekommt sie im Januar 1973, nach einem jahrelangen Kleinkrieg mit den sowjetischen Behörden. Eddie Rosner versucht gleich, einen Jazz- und Swing-Klub alten Stils zu etablieren, die "Gamasche". Aber der Versuch, an seine Erfolge der 20er Jahre anzuknüpfen, misslingt.

    Es wurde viel dagegen geredet. Man hat gesagt: Das hat keinen Zweck. Man kann die Zeiten nicht aneinander setzen. Das wird nicht gehen. Aber er war davon besessen, und er musste also dieses tun. Das war am Anfang war es ein bisschen gut besucht, aber schon nach kurzer Zeit waren es sehr wenige dort, die das also nie tragen konnten finanziell.

    Lutz Adam lernt Eddie Rosner damals kennen. Und er registriert, dass Rosner in diesem West-Berlin der 70er Jahre nicht mehr zurechtkommt.

    Damals Anfang er 70er Jahre gab es ja fast überhaupt keine Live-Musik. Es gab nur Diskotheken, und da wurde eine Musik gemacht, von der er nichts verstand.


    Eddie Rosner ist am 8. August 1976 nach einem Herzinfarkt gestorben. Da war er 66 Jahre alt.

    Schade dass er nicht in Deutschland war, diese Zeit nach dem Krieg. Leider. Der war ganz groß. Weil der ist ein Berliner. Die Leute müssen wissen von diesem Mensch.