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Ehrenamt als Wahlpflichtfach

An der Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement fehlt es Studierenden zumeist nicht, doch seit den Bologna-Reformen sind Zeit und Energie knapp. Die Uni Augsburg ist eine der ersten Hochschulen in Deutschland, die ihre Studierenden gezielt zur Mitarbeit in sozialen Projekten motiviert.

Von Burkhard Schäfers |
    Ein Büro im Augsburger Zentrum für Aidsarbeit der Arbeiterwohlfahrt. Diplom-Psychologin Bettina Schmidt trifft sich mit zwei Studentinnen, die dabei sind, fürs Aids-Zentrum ein Aufklärungsquiz zu entwickeln – das später im Internet oder für Vorträge in Schulen eingesetzt werden soll.

    "Es ging darum, erstmal Aussagen, die in der Bevölkerung bestehen zum Thema HIV, aufzugreifen, die falsch sind. Und da zeigte sich, dass Aufklärung weiter wichtig ist. Auf Basis dieser Interviews wird im Moment ein Quiz entwickelt, und dann raten die Schüler oder auch Erwachsene, welche Aussage stimmt – also es geht dann in die Tiefe im Nachhinein."

    Die Studierenden helfen dem Aids-Zentrum bei der Präventionsarbeit – ein sinnvolles Engagement. Den Kontakt zur Beratungsstelle hat die Uni Augsburg hergestellt – im Rahmen ihrer Initiative "Bildung durch Verantwortung". Studenten sollen nicht nur im Hörsaal oder in der Bibliothek arbeiten, sondern auch im echten Leben, und ganz nebenbei noch etwas Sinnvolles tun:

    "Für mich persönlich ist es so, dass ich auch ganz viel selbst dabei lerne. Es war für uns wirklich ein Mehrwert: Da weiß ich jetzt mehr und kann auch anderen mehr Auskunft geben oder aufklären."

    Isabelle Möckel studiert Medien und Kommunikation im fünften Semester. Die 23-Jährige hat sich auch früher schon ehrenamtlich engagiert, als Jugendtrainerin im Sportverein. Jetzt an der Uni belegt sie ein Wahlpflichtseminar mit dem Titel "Service Learning". Das bedeutet: Im Laufe des Semesters planen die Studierenden in kleinen Gruppen soziale Projekte und setzen diese um, etwa mit Unicef, dem Jugendmigrationsdienst oder eben dem Aids-Zentrum. In diesem Begleitstudium gibt es auch Notenpunkte. Heißt das, Studenten engagieren sich nur noch, wenn ihre Leistung entlohnt wird?

    "Natürlich macht man das, weil man die Punkte haben muss. Aber es war ein Wahlseminar – man hätte auch ein Seminar wählen können, wo man kein Projekt hat. Wir haben uns dafür entschieden, weil es das ganze auflockert und man dadurch nochmal besondere Erfahrungen sammelt."

    Dabei schauen sie auch nicht so ganz genau auf ihre Arbeitsstunden, die sie für die Notenpunkte erbringen müssen, sagt ihre Kommilitonin Stefanie Dintner. Die Arbeit am Aids-Quiz wird sich wohl in die Semesterferien ziehen, weil die beiden eine recht aufwendige Grafikidee haben. Allerdings profitiere nicht nur das Aids-Zentrum von diesem Engagement, sondern auch sie selbst für ihre berufliche Laufbahn:

    "Erstens, dass ich ehrenamtlich tätig war, und dass ich eben auch die Erfahrung habe, wie es ist, mit einer Organisation zusammenzuarbeiten. Nicht nur in der Uni, sondern es ist eben was ganz anderes: Raus in die Welt zu gehen und da was zu machen."

    Die Uni Augsburg ist eine der ersten in Deutschland, die ihre Studierenden gezielt zu sozialem Engagement motiviert – ähnliche Projekte gibt es etwa in Osnabrück, Mannheim oder Würzburg. In den USA sei diese Idee schon sehr viel stärker verbreitet, sagt Thomas Sporer, Leiter der Augsburger Initiative Bildung durch Verantwortung. Und auch hierzulande werde es wichtiger, dass Hochschulen etwas beitragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort:

    "Neben Forschung und Lehre ist für die Universität Augsburg ein wichtiges Ausbildungsziel, dass ihre Studienabgänger gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Also dass sich Lehrveranstaltungen mit der Frage auseinandersetzen: Was ist der gesellschaftliche Beitrag, den wir als Studierende leisten können?"

    Der sogenannte Freiwilligensurvey, eine Langzeitstudie im Auftrag der Bundesregierung, zeigt: Zwar sind viele junge Menschen prinzipiell bereit zu sozialem Engagement. Am Studienort fehlt ihnen aber oft der konkrete Bezug zu Vereinen, Verbänden oder sozialen Einrichtungen. Den vermittelt die Uni Augsburg. Dass neben den Institutionen auch die Studenten selbst von ihrem Engagement profitieren, in Form von guten Noten oder als Pluspunkt für die spätere Karriere, findet Thomas Sporer in Ordnung:

    "Das ist kein Entweder-oder, sondern es ist ein Sowohl-als-auch. Und da mit den Studierenden in einen Reflexionsprozess zu gehen: Also wir haben uns jetzt engagiert – was tun wir da eigentlich, und warum tun wir es denn? Warum ist es notwendig, sich gesellschaftlich zu engagieren?"

    Und auch die Projektpartner stellen sich darauf ein, dass ihnen die Helfer nur für eine begrenzte Zeit zur Verfügung stehen. So könnten Ideen entstehen, die dann von den hauptberuflichen Mitarbeitern weitergeführt werden, sagt Bettina Schmidt vom Aids-Zentrum:

    "Es wär natürlich schön, wenn auch manche länger bleiben, aber es ist auch verständlich, dass man im Studium seine Kapazitäten einteilen muss. Für uns ist jeder Mitarbeiter – auch wenn’s nur 40 Stunden sind – sinnvoll – oder auch, ja, wertvoll."