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"Ein guter Film, ein guter Thriller"

Der Filmkritiker Tobias Kniebe hält den Stauffenbergfilm "Operation Walküre" für einen guten Thriller. Um diese Spannung zu erreichen, hätten die Filmemacher nicht einmal die historische Realität verfälschen müssen: in den wahren Ereignissen stecke bereits ein Thriller.

Tobias Kniebe im Gespräch mit Silvia Engels | 22.01.2009
    "Die Hauptsache ist, dass wir handeln, und zwar jetzt, bevor wir den Krieg verlieren, denn sonst wird es für alle Zeit Hitlers Deutschland bleiben, und wir müssen der Welt zeigen, dass wir nicht alle so sind wie er."

    "Das allein genügt mir nicht. Die Sache muss erfolgreich sein!"

    "Dann finden Sie einen Weg!"

    Silvia Engels: Tom Cruise und Kollegen in der Rolle des Hitler-Attentäters Claus Schenk von Stauffenberg. - Vor einer halben Stunde haben wir aus Anlass des heutigen deutschen Kinostarts von "Operation Walküre" den historischen Kontext des Stauffenberg-Attentats auf Adolf Hitler mit Zeitzeugen beleuchtet. Nun geht es noch einmal konkret um den Film und die Debatte, die ja lange im Vorfeld begann. Zugeschaltet ist uns Tobias Kniebe von der "Süddeutschen Zeitung". Wie kaum ein anderer hat er sich mit dieser Verfilmung des Stauffenberg-Stoffes befasst. Guten Morgen!

    Tobias Kniebe: Guten Morgen!

    Engels: Sie haben den Film natürlich gesehen. Ist er denn - abseits von der seit langem geführten Debatte um die Bewertung Stauffenbergs, um die Frage, ob ein Scientologe wie Tom Cruise den Attentäter spielen sollte - einfach ein guter Film?

    Kniebe: Er ist ein guter Film, ein guter Thriller, und dazu mussten die Filmemacher auch tatsächlich die historische Realität nicht verfälschen, weil in diesen wahren Ereignissen steckt natürlich ein Thriller. Man kann diese Geschichte, wenn man das geschickt macht, so erzählen.

    Engels: Sie verfolgen ja die Entstehung dieses Films von Anfang an. Hat die Debatte in Deutschland, die ja schon noch 2007 begann, um die Frage, ob das Hollywood-Team im Bendlerblock drehen darf, ob man Stauffenberg als Thriller-Stoff nutzen sollte, ob Tom Cruise der richtige Darsteller ist, auch die Filmemacher selbst beeinflusst?

    Kniebe: Ich denke, auf jeden Fall. Ich habe mit dem Drehbuchautor ein Interview geführt und auch mit Tom Cruise und die haben immer wieder betont, dass sie die deutschen Bedenken auch sehr, sehr ernst genommen haben und noch bis in letzter Minute an dem Script auch gefeilt haben, weil das wichtigste ihnen zum Beispiel auch war, dass sie die Motivation der Widerstandskämpfer korrekt wiedergeben, da nichts vereinfachen. Da wurde wirklich bis in letzter Minute auch nach den ganzen deutschen kritischen Berichten, die erschienen sind, daran gearbeitet.

    Engels: FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hatte sich schon 2007 festgelegt. Sein Zitat: "Wer Tom Cruise sieht, wie er Stauffenberg spielt, wer die brillanten Dialoge hört, der kann eine Wette eingehen: Valkyrie" - so der englische Originaltitel - "wird das Bild von Deutschland in der Welt auf Jahrzehnte prägen." Ist so was wirklich zu erwarten?

    Kniebe: Das halte ich für übertrieben. Es gibt ja auch dieses andere Zitat von dem Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, der auch in der FAZ geschrieben hat, dass dieser Film mehr für Deutschlands Image tun würde als zehn Fußballweltmeisterschaften. Der wahre Kern, den man allerdings nicht in dieser Weise hochjubeln sollte, ist, dass die Tat dieser Widerstandskämpfer im Ausland tatsächlich wenig bekannt ist und dass der Film schon dazu beitragen kann, dass die Menschen in Amerika zum Beispiel zum ersten Mal von Stauffenberg hören.

    Engels: Nun ist ja auch die Sicht, wie man in Deutschland auf Stauffenberg sieht, durchaus einem Wandel unterzogen gewesen. In den Jahren nach dem Krieg war Stauffenbergs Tat zwar gewürdigt worden; es haftete ihm aber auch der Ruch als Verräter an. In den letzten Jahren ist das Stauffenberg-Attentat in der deutschen Wahrnehmung zunehmend positiver wahrgenommen worden. Geht dieser Film nun weiter in Richtung Heroisierung?

    Kniebe: Ich glaube, dass es relativ schnell ging, dass Stauffenberg positiv wahrgenommen wurde. Das hat mir zum Beispiel auch sein Sohn Berthold bestätigt, der wenig nach dem Attentat in den 50er Jahren ja in die Bundeswehr eingetreten ist, und der hat immer gesagt, er hat keine Verachtung für seinen Vater eigentlich persönlich erfahren. Im Gegenteil kann man sagen, dass Stauffenbergs Tat so etwas wie der Gründungsgedanke dann auch der Bundeswehr wurde und dann eben auch ganz zentral für die Entwicklung der Bundesrepublik. Ich glaube, diese Entwicklung ist seit Jahrzehnten gefestigt. Da hat also der Film jetzt sicher nichts mehr verändert. Aber natürlich wurden im Laufe der Verfilmung auch noch mal die ganzen Positionen formuliert, die es schon seit längerem zu Stauffenberg gibt, angefangen von der völligen Heroisierung bis hin dazu, dass man doch seinen politischen Hintergrund auch kritisch sieht, und die Frage, was wollte er eigentlich nach einem gelungenen Staatsstreich erreichen und welche Regierungsform hat ihm vorgeschwebt, und diese Dinge.

    Engels: In der Tat, Stauffenberg ging es ja wohl offenbar mit seinem Attentat vor allem darum, die deutschen Verluste im Osten zu begrenzen. Als Verfechter einer parlamentarischen Demokratie galt er nun wahrlich nicht. Geht das, dieses differenzierte Bild, das man von Stauffenberg vielleicht haben sollte, zu sehr verloren in der jetzigen Mediendebatte?

    Kniebe: Das glaube ich nicht und es ist auch meines Erachtens nicht richtig, dass es nur darum ging, die Verluste im Osten zu begrenzen, sondern es ist durchaus heute erwiesen, dass Stauffenberg von der Juden-Vernichtung wusste und dass er zusammen mit anderen Widerstandskämpfern das als zentrales Motiv auch für seine Tat gesehen hat. Der Film, gleich in der ersten Szene, führt sozusagen mehrere Gründe auf, warum Hitler sterben muss. Die schreibt Stauffenberg in sein Tagebuch und da kommen die eben alle vor, von den Verlusten an den Fronten bis zur Juden-Vernichtung. Das ist meiner Meinung nach korrekt wiedergegeben.

    Engels: Lange gab es Streit um den Hauptdarsteller Tom Cruise, den bekennenden Scientologen. Steht das dem Blick auf diesen Film jetzt noch irgendwie im Wege?

    Kniebe: Sicherlich! Wer sich so exponiert engagiert für eine zweifelhafte Religionsgemeinschaft wie Tom Cruise, wird damit immer konfrontiert sein und es gibt sicher viele Menschen, die sagen, das schaue ich mir überhaupt nicht an, allein durch die Wahl des Hauptdarstellers ist dieser Film schon nicht akzeptabel für mich. Andererseits, finde ich, sollte man doch zwischen der Künstlerpersönlichkeit, sage ich mal, Tom Cruise und seinem privaten Glauben trennen und er sollte schon das Recht haben, seine Rollen frei zu wählen.

    Engels: "Operation Walküre - das Stauffenberg Attentat". Der Film kommt heute in die Kinos, in die deutschen Kinos. Wir sprachen mit Tobias Kniebe. Er ist Filmkritiker der "Süddeutschen Zeitung". Ich bedanke mich für das Gespräch.