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"Ein sehr heller Geist"

Nobelpreis. - Jörg Enderlein, Professor für biophysikalische Chemie an der Universität Tübingen, betont die praktische Bedeutung der fluoreszenten Proteine für die heutige Zellbiologie. Aus dem Trio der Chemienobelpreisträger 2008 hat sich vor allem Roger Y. Tsien mit den praktischen Anwendungen befasst. Tsien habe viel dafür geleistet, die Palette der verfügbaren, fluoreszierenden Proteine zu erweitern, sagt Jörg Enderlein im Gespräch mit Ralf Krauter.

08.10.2008
    Ralf Krauter: Jörg Enderlein ist Professor für biophysikalische Chemie an der Universität Tübingen. Vergangenes Jahr hat er ein Symposium organisiert, bei dem auch der heute gekürte Roger Tsien dabei war. Meine erste Frage an Jörg Enderlein war deshalb, als was für eine Typ Forscher er den Jüngsten der heutigen Nobelpreisträger beschreiben würde.

    Jörg Enderlein: Extrem lebendig, sprühend vor Ideen, sehr kritisch, sehr diskussionsfreudig, also wirklich mit einem Schlag - ein sehr heller Geist halt.

    Krauter: Er ist ja auch sozusagen der, der die Anwendungen möglich gemacht hat durch seine Arbeit.

    Enderlein: Genau. Er hat enorm viel getan, um die Palette der verfügbaren, fluoreszierenden Proteine zu erweitern und auch maximal dafür zu sorgen, die in biologischen Anwendungen anzuwenden.

    Krauter: Erklären Sie uns noch mal kurz, Herr Professor Enderlein: Wie muss man sich biochemische Forschung, Zellbiologie vorstellen, bevor GFP im großen Stil eingesetzt wurde, was ja heute ein Standardwerkzeug ist, was ja gar nicht mehr wegzudenken ist? Wie war das vorher, hat man da immer im Nebel gestochert?

    Enderlein: Ja, es war sehr schwierig, weil das Problem ist halt: Sie können mit Mikroskopie in eine Zelle hineingucken, aber Sie sind nicht sehr spezifisch, Sie können also nicht unterscheiden, welche Eiweißstoffe oder welche anderen Compartments einer Zelle Sie jetzt genau sehen oder wo die sich befinden. Sie müssen halt irgendwas einfärben. In klassischer Zeit wurde das mit Farbstoffen gemacht, die mehr oder weniger spezifisch der Zelle beigefügt wurden, in die Zelle irgendwie einbringen, damit Sie Strukturen einfärben können. Aber das ist natürlich sehr [...] unspezifisch oder kann sehr unspezifisch sein. Die GFPs, die fluoreszenten Proteine, haben es ermöglicht, ganz gezielt einzelne Moleküle der Zelle, die von der Zelle selbst also produziert werden, gezielt einzufärben, dadurch, dass ich die Zelle dazu bringe, an die Zielmoleküle diese fluoreszenten Proteine anzukoppeln, indem ich die Zelle einfach genetisch modifiziere. Das eröffnet natürlich völlig neue Möglichkeiten jetzt ganz gezielt spezielle Funktionen der Zelle zu beobachten oder spezielle Verteilung von Molekülen in der Zelle zu beobachten. Das hat also wirklich die biologische Forschung revolutioniert.

    Krauter: Diese GFPs sind also wirklich so eine Art Leuchtbojen oder Fußfesseln, die man bestimmten Molekülen, für die man sich interessiert, einfach anheftet und dann verfolgen kann wohin sie wandern.

    Enderlein: Genau, und das Verrückte ist halt, dass, da das selber Eiweißstoffe sind, diese fluoreszenten Proteine, ich eine beliebige Zelle, auch einen beliebigen Organismus, dazu bringen kann, diese selbst zu machen. Das heißt, die Zelle oder der Organismus, das Gewebe, was ich halt betrachten möchte, produziert diese fluoreszenten Farbstoffe selbst. Das ist der Trick. Das heißt, ich muss bloß seine genetische Erbsubstanz entsprechend verändern, modifizieren, und dann fängt die Zelle an, selbst diese fluoreszenten Proteine an die Zielobjekte anzuhängen.

    Krauter: Wofür benutzen Sie diese Techniken heute selbst in Ihrem Labor?

    Enderlein: Ja, genau zu diesem Zweck. Wir können damit halt beliebige Eiweißkörper, die uns interessieren, halt ganz spezifisch markieren, und dann zum Beispiel in der Zelle in vivo halt verfolgen, mit Mikroskopie oder spektroskopischen Methoden draufgucken, und das ist halt enorm wichtig. Was man aber auch machen kann, wir können zum Beispiel verschiedene wechselwirkende Partner in der Zelle mit verschiedenen fluoreszenten Proteinen markieren, und wenn die dann zusammenkommen, dann gibt es eine fluoreszente Lichtwechselwirkung zwischen fluoreszenten Proteinen, die man auslesen kann. Auf die Weise kann ich auf der Nanometerskala auch Wechselwirkungen auch sehr präzise auslesen aus Zellen, was extrem wichtig ist, um Verständnis zu gewinnen über Wechselwirkungen und Reaktionsnetzwerke in Zellen.

    Krauter: Das heißt, man kann im Prinzip auch Filme aus dem Zelleinneren drehen, um den Verkehr dort genau zu verfolgen.

    Enderlein: Exakt, das wird auch genauso gemacht. Es gibt also unendlich viele Varianten, Anwendungen von diesen fluoreszenten Proteinen heutzutage.