Dirk-Oliver Heckmann: Herr Pofalla, erst in dieser Woche hat der Wahlkampf so richtig Fahrt aufgenommen. Zugleich streiten sich Union und FDP öffentlich über die Zusammensetzung einer möglichen schwarz-gelben Regierung. CDU-Vize Christian Wulff hat gesagt, die FDP soll doch bitte auf das Wirtschaftsministerium verzichten, da Theodor zu Guttenberg von der CSU doch eine Idealbesetzung sei. Kann es sein, dass sich die Union in der falschen Sicherheit wiegt, die Wahlen schon gewonnen zu haben?
Ronald Pofalla: Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben erfreuliche Umfragen, aber die Wahlen sind noch nicht entschieden. Wir wissen, dass etwa die Hälfte der Wähler nach wie vor unentschlossen ist, und deshalb geht es jetzt in den verbleibenden sechs Wochen darum, alles dafür zu tun, möglichst viele dieser unentschlossenen Wähler von uns zu überzeugen.
Heckmann: Aber man hat doch den Eindruck, dass der eine oder andere schon versucht, das Fell des Bären zu verteilen, bevor die Wahl gelaufen ist.
Pofalla: Noch mal. Wir haben jetzt noch sechs Wochen, in denen wir mit unseren Argumenten für Angela Merkel und die CDU werben werden. Das steht im Mittelpunkt. Und wir werden uns im Falle eines Wahlsieges nach der Wahl mit der FDP zu unterhalten haben in einem Koalitionsvertrag, was wir sachlich wollen. Und wenn das feststeht, wird es um die Frage gehen, wer steht aus welcher Partei für welches Ressort. Und genau das ist die Reihenfolge.
Heckmann: Also hat Christian Wulff die Reihenfolge da ein bisschen durcheinandergebracht.
Pofalla: Nein, ich glaube, er wollte ein bisschen die FDP ärgern. Und natürlich ist Karl-Theodor zu Guttenberg ein ausgezeichneter Wirtschaftsminister. Insofern sehe ich da überhaupt gar keinen Widerspruch zu meinen Feststellungen.
Heckmann: FDP und CSU scheinen sich in den letzten Tagen verstärkt so ein bisschen gegenseitig ärgern zu wollen. Horst Seehofer hat von der FDP gefordert, sie möchte doch bitte eine klarere Koalitionsaussage treffen als bisher, und hat wörtlich gesagt: Guido Westerwelle könne man nicht vertrauen. Und Sie sind auch auf den Zug aufgesprungen und haben von der FDP verlangt, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Ist ein solches Misstrauen eine gute Grundlage für eine Koalition?
Pofalla: Die FDP hat bisher versäumt, einen entsprechenden Beschluss zu fassen, der vorsieht eine Koalition zwischen Union und FDP. Dieser Beschluss muss noch kommen. Ich glaube Guido Westerwelle, dass er die Koalition mit der Union will, weil es ja auch in der Sache Sinn macht. Wir haben große gemeinsame inhaltliche Schnittmengen, und die gilt es, im Falle eines Wahlsieges nach der Wahl umzusetzen. Aber die FDP sollte jetzt Klarheit schaffen und einen entsprechenden Beschluss fassen.
Heckmann: Aber wenn Sie ihm doch glauben, wozu der Beschluss?
Pofalla: Es gibt ja nicht immer nur einen in der Partei. In der FDP ist es vielleicht in der Vergangenheit häufiger so gewesen - es sind ja Gremien zu beteiligen, und ein entsprechender Gremienbeschluss der FDP liegt bisher nicht vor.
Heckmann: Die FDP hat ja klargemacht, dass der Beschluss erst eine Woche vor der Bundestagswahl gefasst werden wird.
Pofalla: Ja, das halte ich für einen strategischen Fehler. Die FDP hatte einen Bundesparteitag Mitte Mai, und auf diesem Bundesparteitag hätte die FDP sehr früh für Klarheit sorgen können. Und jetzt muss die FDP ertragen, dass wegen des nicht gefassten Beschlusses sie jetzt auch immer wieder gefordert ist, klare Aussagen zu machen.
Heckmann: Herr Pofalla, die SPD kommt aus dem Umfragetief derzeit nicht raus. Das ist ja ein Eindruck, der sich seit Wochen, seit Monaten eigentlich verfestigt. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Union auch bei 35, jetzt aktuell bei 37 Prozent liegt, also immer noch ein ganzes Stück weit entfernt von den "40 Prozent plus X", die Sie ausgegeben haben als Ziel. Weshalb kann die Union kaum profitieren von der Schwäche der SPD, weshalb profitiert die FDP?
Pofalla: Zunächst einmal haben wir ja in diesem Jahr bereits ein Wahlergebnis, das im Rahmen einer bundesweiten Wahl entstanden ist, das Europawahlergebnis. Und da lagen wir 17 Prozentpunkte vor der SPD, und in der Tat: Ein, zwei Pünktchen mehr hätte ich auch noch gerne gehabt, dann wären wir ja bei den 40 Prozent. Und deshalb ist es jetzt wirklich Aufgabe für die letzten sechs Wochen, unsere Anhänger und unsere Freunde und Freundinnen davon zu überzeugen, dass wir jede Stimme brauchen. Die Wahl ist erst am 27. September um 18 Uhr entschieden.
Heckmann: Das ist aber - mit Verlaub – keine Antwort auf meine Frage. Ich hatte gefragt: Weshalb profitiert die FDP und nicht die Union von der Schwäche der SPD offenbar?
Pofalla: Ich bin aber doch Generalsekretär der CDU und rede über die CDU . . .
Heckmann: . . . aber Sie müssen sich ja Gedanken machen . . .
Pofalla: . . . ja, die mach ich mir ja auch, und ich mache mir Gedanken darüber, wie wir als CDU möglichst stark werden können. Und wir sehen übrigens ja auch an den aktuellen Zahlen, dass die FDP jetzt schwächer wird und wir etwas stärker. Und das hat was damit zu tun, dass insbesondere auch durch Karl-Theodor zu Guttenberg deutlich wird, dass die Wirtschaftskompetenz bei der Union liegt.
Heckmann: Die Umfrageinstitute sagen schon seit Wochen und Monaten eine – allerdings äußerst knappe – Mehrheit für eine so genannte "bürgerliche Koalition", also Koalition aus Union und FDP, voraus. Wenn es dazu nicht reichen sollte, dann hat man so ein bisschen den Eindruck, dass es auch nicht schlimm wäre, wenn die große Koalition fortgesetzt wird - aus der Perspektive der Kanzlerin.
Pofalla: Das ist ein völlig falscher Eindruck. Wir wollen am 27. September eine neue Regierung mit der FDP bilden . . .
Heckmann: . . . aber warum, Sie haben doch konstruktiv zusammengearbeitet mit der SPD, oder?
Pofalla: Da ist ja kein Widerspruch drin. Dass wir in den vergangenen vier Jahren erfolgreich in der Regierung gearbeitet haben mit der SPD, das ist das eine. Und dazu bekennen wir uns im übrigen im Gegensatz zur SPD . . .
Heckmann: . . . dann kann man ja auch weitermachen.
Pofalla: Nein, eben nicht, weil wir im Blick auf die Zukunft der festen Überzeugung sind, dass wir den Weg aus der Krise mit der FDP mit größeren inhaltlichen Übereinstimmungen begehen können als mit der SPD. Die SPD ist eine Partei, die das Thema "Wachstum" überhaupt nicht verinnerlicht hat, die SPD ist eine Partei, die wirtschaftlichen Zusammenhänge auch programmatisch durch entsprechende Beschlüsse nicht untermauern kann. Die FDP und die Union haben ihre Kompetenzfelder im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Finanzen. Und die wollen wir gemeinsam nutzen, um erfolgreich aus der Krise herauszukommen.
Heckmann: Liegt es vielleicht auch daran, dass die große Koalition in Wahrheit eine sozialdemokratische Politik gemacht hat, wenn man mal so auf das Feld der Familienpolitik schaut beispielsweise, oder wenn man sich vor Augen führt, dass Mindestlöhne in immer mehr Branchen eingeführt wurden – unter der großen Koalition?
Pofalla: Die Arbeit der Bundesregierung unter Leitung von Angela Merkel hat Erfolge vorzuweisen. Die Arbeitslosigkeit war zwischenzeitlich unter drei Millionen gegangen. Wir haben die Krise bewältigt, indem wir Schutzschirme aufgebaut haben. Und alles das war nur möglich, weil Angela Merkel als Regierungschefin die entsprechenden Weichenstellungen vorgenommen hat. Und die waren christdemokratisch und nicht sozialdemokratisch.
Heckmann: Na, die Weichenstellungen – könnte man sagen – sind mit der Agenda 2010 auch mit gestellt worden. Das sollte man dazu sagen – bei den Arbeitslosenzahlen.
Pofalla: Die Agenda 2010, da haben Sie völlig recht, ist übrigens mit den Stimmen der Union im Bundesrat beschlossen worden. Und wir haben entscheidende Veränderungen an der Agenda 2010 damals vornehmen können, die die positiven Auswirkungen im Arbeitsmarkt noch mal untermauert haben. Und aus allem zusammen hat sich ergeben, dass die Union die treibende Kraft ist, um in Deutschland dafür zu sorgen, dass Wachstum entstanden ist.
Heckmann: Herr Pofalla, Sie haben da gerade die Arbeit der Kanzlerin gelobt. Das ist klar, das gehört zu Ihrem Job. Sie gilt ja als Klimakanzlerin oder auch als Vorkämpferin für neue Regeln auch in den Finanzmärkten nach dieser Finanzkrise, der weltweiten. Man muss sagen, dass da auch ein Teil "Ankündigungspolitik" dabei ist, denn nach Ansicht der Grünen beispielsweise auf dem Feld der Klimapolitik ist Deutschland zum Bremser geworden. Beispiel CO2-Ausstoß der PKW’s. Da hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass strengere und striktere Grenzen nicht eingeführt werden auf der europäischen Ebene. Der Umbau der Wirtschaft in Richtung ökologisch-soziale Marktwirtschaft ist noch gar nicht angefasst. Leuchtendes Gegenbeispiel ist die Abwrackprämie ohne jegliche ökologische Lenkungswirkung. Und auf den Finanzmärkten sieht es im Moment so aus, als ob alles so bleibt wie gehabt.
Pofalla: Wenn Sie die Entwicklung sich doch ansehen, dann ist doch bezeichnend, dass die entsprechenden internationalen Vereinbarung, die Angela Merkel über den G8-Prozess entwickeln und vereinbaren konnte, in einer Regierung unter ihrer Führung vereinbart worden sind. Die Grünen waren sieben Jahre an der Regierung, und ihnen ist es nicht gelungen, unter Schröder auch nur annähernd ähnliche Vereinbarungen herzustellen . . .
Heckmann: . . . Absichtserklärungen vor allem.
Pofalla: Ja, aber die Amerikaner, um ein Beispiel zu nennen, haben sich in der gesamten Regierungszeit von Schröder gegen jede Veränderungen beim Klimaschutz gewandt. Angela Merkel ist es zunächst gelungen, den ehemaligen Präsidenten Bush zu überzeugen – in Heiligendamm. Und ihr ist es jetzt gelungen, mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Obama zusammen, in Amerika eine Veränderung zu bewirken, die noch vor fünf Jahren unvorstellbar war. Also, die grünen Maulhelden sollten mal den Mund halten. In ihrer siebenjährigen Regierungszeit ist ihnen außer Lautsprecher relativ wenig im Klimaschutz gelungen.
Heckmann: Aber zum Beispiel "Finanzmärkte", da warten ja viele noch wirklich auf konkrete Umsetzungen dieser Ankündigungen. Und es ist nun ja auch so, dass nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch hier in Deutschland die Banken schon wieder anfangen, Millionenbeträge an Manager auszuzahlen – Beispiel HRE, Beispiel HSH Nordbank, obwohl diese Banken eben durch Milliarden Steuergelder gestützt worden sind. Ein Beispiel: Der HRE-Chef Axel Wieandt – kurz vor der Verstaatlichung wurden ihm noch 500.000 Euro zusätzlich zugesprochen. Was halten Sie von dieser Entwicklung, und muss die Politik da nicht eingreifen, auch die Bundesregierung?
Pofalla: Ja, zunächst erst mal zu dem ersten Teil. Auch hier war Angela Merkel treibende Kraft. Wir haben international den G20-Prozess in Gang gesetzt, und es wird ja vermutlich im September in Pittsburgh noch zu einer Vereinbarung der G20-Staaten kommen, um sich auf internationale Standards für den Finanzmarkt zu verständigen. Mich ärgert, um es offen zu sagen, dass Manager von Banken, die staatlich gestützt werden, in den Genuss von Boni kommen. Ich halte das nicht für akzeptabel. Das Juristische ist das eine; der von Ihnen angesprochene Fall: An den kann ja nur deshalb ein solcher Bonus ausgezahlt werden, weil der Vertrag geschlossen worden ist, bevor die Krise eingetreten ist. Der Mann selber zählt jetzt zu denen, die die Bank rettet. So gesehen, sage ich mal, will ich jetzt ihn persönlich nicht kritisieren. Aber es wäre doch richtig, wenn ein Vorstandsvorsitzender einer Bank, der mit Milliardenbeträgen staatlicherseits Unterstützung erfährt, freiwillig auf seine Bonuszahlung verzichtet.
Heckmann: Das kann man als Appell verstehen?
Pofalla: Mehr können wir hier nicht vornehmen, weil offensichtlich die rechtliche Situation so ist, dass er darauf einen Anspruch hat.
Heckmann: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit Ronald Pofalla, dem Generalsekretär der CDU.
Herr Pofalla, Frank Walter Steinmeier hat sich ja mit seinem so genannten "Deutschlandplan" ins Gespräch gebracht – vier Millionen Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020. Die Union, die verzichtet darauf, ein Gegenkonzept vorzulegen. Ist es nicht eine sehr riskante Strategie, möglichst keinen Wahlkampf zu machen und sich schließlich und endlich mit dem Rheingold-Express durch Deutschland zu begeben?
Pofalla: Die Wahrheit ist doch: Wir haben unser Regierungsprogramm. Und die Wahrheit ist: Herr Steinmeier hat Mitte Juni ein Wahlprogramm vorgelegt, das er nach sieben Wochen verbessern musste durch einen Plan, den er jetzt vorgestellt hat. Wir haben keinen Veränderungsbedarf, weil wir unser Regierungsprogramm Ende Juni beraten und verabschiedet haben.
Heckmann: Aber Sie nehmen sich keine konkreten Ziele vor.
Pofalla: Unser Ziel ist Arbeit für alle, da gibt es doch überhaupt keinen Unterschied. Der Unterschied besteht nur darin: Er verspricht unseriöserweise konkrete Arbeitsplatzzahlen und verheddert sich dabei.
Heckmann: Aber Sie versprechen ja auch Vollbeschäftigung.
Pofalla: Im Wahlprogramm verspricht die SPD 500.000 neue Arbeitsplätze im Bereich Umwelt.
Heckmann: Sie verspricht nicht, sie setzt sich ein Ziel.
Pofalla: Für 2020. Und Herr Steinmeier kommt sieben Wochen später zum Ergebnis – jetzt verspricht er vier Millionen Arbeitsplätze. Herr Gabriel kommt zum Ergebnis mit der Vorlage von Gutachten, allein im Bereich Klimatechnik und Ökologie könnten zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Man hat ja fast den Eindruck, je schlechter die Umfragen für die SPD werden, je höher gehen die Versprechen von Arbeitsplatzzahlen. An diesem Wettbewerb werden wir uns nicht beteiligen.
Heckmann: Herr Pofalla, ich muss Sie da an dieser Stelle korrigieren. Es war niemals von einem Versprechen die Rede, sondern die SPD setzt sich das Ziel, diese vier Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Und ist es nicht der Anspruch von Politik, sich auch ehrgeizige Ziele zu setzen und ist da die Union nicht vielleicht ein bisschen im Hintertreffen?
Pofalla: Ganz im Gegenteil. Wir sind glaubwürdig und die SPD ist unseriös. Schröder hat doch bewiesen, dass das konkrete Versprechen auf Arbeitsplätze nicht eingehalten werden kann und ist am Ende mit über fünf Millionen Arbeitslosen gescheitert.
Heckmann: Das heißt, Sie halten sich aus strategischen Gründen, aus taktischen Gründen nur zurück?
Pofalla: Nein. Wir haben keine Planwirtschaft. Die haben wir Gott sei Dank mit der DDR überwunden. Und selbst in einer Planwirtschaft können Sie so punktgenau keine Versprechungen vornehmen. Wir werden bei dem bleiben, was wir gesagt haben. Unser Ziel bleibt nach wie vor Arbeit für alle. Aber wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Unseriöse Versprechen im Blick auf Arbeitsplätze wie Herr Steinmeier sie vornimmt wird es mit uns nicht geben.
Heckmann: Gut. Sie haben das Ziel Vollbeschäftigung. Sie selber sind ja, wenn ich das so sagen darf, als Arbeitsminister im Gespräch einer möglichen schwarz-gelben Koalition. Und die CDU insgesamt hat angekündigt, dass sie den Niedriglohnsektor beispielsweise ausbauen möchte, um dieses Ziel, denke ich mal, zu erreichen. Ist das denn wirklich die Zukunft Deutschlands, den Niedriglohnsektor auszubauen, oder muss man nicht im Gegenteil dafür sorgen, dass die Menschen von ihrem Einkommen und ihrer Vollzeittätigkeit leben können müssen.
Pofalla: Ja, wir müssen vor allem Arbeit und Arbeitsplätze versuchen zu schaffen. Und wenn Sie sich die 3,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland ansehen, dann ist annähernd die Hälfte ohne Schulabschluss oder ohne Ausbildungsabschluss. Und diese Menschen werden Sie nicht in High-Tech-Berufen anstellen können, weil sie diese Arbeit gar nicht erfüllen können. Und deshalb müssen wir – und das war der Schlüssel übrigens des Erfolges der vergangenen drei Jahre – den Niedriglohnbereich weiter anregen. Wir wollen Arbeitsplätze generieren und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren.
Heckmann: Aber noch mal zu meiner Frage: Ist es nicht auch ein wichtiges Ziel, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die dann in der Tat mit zwei, drei Jobs sich über Wasser halten, dafür zu sorgen, dass die von dieser Arbeit auch leben können?
Pofalla: Ja, das steht doch außer Frage. Diejenigen, die arbeiten, müssen mehr haben als diejenigen, die nicht arbeiten. Und deshalb setzen wir uns ja auch für ein Mindesteinkommen ein und sprechen uns gegen einen Mindestlohn aus, weil ein Mindestlohn Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland vernichten würde. Und selbst Herr Müntefering hat doch noch 2006 auf dem DGB-Kongress gegen gesetzliche Mindestlöhne gesprochen. Dieser Sinneswandel ist doch nur darauf zurück zu führen, dass wir jetzt Wahlen haben und die SPD versucht, Stimmen zu bekommen.
Heckmann: Das heißt, Sie setzen eher darauf, diejenigen Branchen zu subventionieren, die sich mit Niedriglöhnen über Wasser halten?
Pofalla: Nein, ganz im Gegenteil. Wir setzen darauf, dass die Menschen in Arbeit kommen. Und wenn am Beginn einer Tätigkeit der Lohn nicht ausreicht, um davon leben zu können, dann wollen wir ihn ergänzen durch staatliche Transferleistungen, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Und wenn sich derjenige, der da arbeitet, bewährt, wird er innerhalb von wenigen Jahren – das zeigen alle Arbeitsmarktanalysen – in einen festen Arbeitsplatz kommen, von dem er auch leben kann.
Heckmann: Herr Pofalla, Sie hatten gerade eben gesagt, Sie wollen darauf verzichten, konkrete Zahlen zu nennen, was die Schaffung von Arbeitsplätzen angeht. Und auch ansonsten, wenn man in das gemeinsame Regierungsprogramm von CDU und CSU reinschaut, dann sucht man Festlegungen an der einen oder anderen Stelle vergeblich. Liegt das daran, dass die Wahl im Jahr 2005 beinahe verloren gegangen, weil man da mit einem strikten Reformprogramm à la Kirchhof angetreten ist?
Pofalla: Wir haben doch sehr konkrete Punkte. Nehmen Sie unsere steuerpolitischen Vorstellungen. Wir wollen den Eingangssteuersatz senken, wir wollen die kalte Progression abschaffen, wir wollen, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto haben. All diese konkreten Punkte stehen doch im Programm drin, weil wir der Überzeugung sind, das die steuerliche Entlastung ein wesentlicher Punkt im Rahmen einer Wachstumsstrategie ist.
Heckmann: Aber Sie sagen nicht, wann Sie diese Steuersenkung umsetzen wollen, ganz im Gegensatz zur CSU, die darauf gedrungen hatte.
Pofalla: Ich halte nur fest, dass Herr Steinmeier Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 verspricht, aber die nächste Legislaturperiode nur bis 2013 geht. Wir legen uns fest. Wir wollen die steuerliche Entlastung in zwei Schritten in der nächsten Legislaturperiode.
Heckmann: Die meisten Wähler, Herr Pofalla, glauben diesem Versprechen nicht, wenn man Umfragen glauben darf. Selbst 83 Prozent der Unionsanhänger glauben nicht, dass es zu diesen Steuersenkungen kommen wird. Fügen Sie nicht durch unrealistische Versprechungen dem Ruf der Politik weiteren Schaden zu?
Pofalla: Das genaue Gegenteil ist doch der Fall. Wir sagen klipp und klar, dass wir die Krise am Ende nur bewältigen können mit einer Wachstumsstrategie. Die besteht aus Haushaltskonsolidierung, aus Investitionen in die Zukunft und steuerlicher Entlastung. Und alle drei Sachen gehören für uns untrennbar zusammen. Und wenn wir alle drei Sachen in der nächsten Legislaturperiode verwirklichen, wird Deutschland wieder auf einen Wachstumspfad kommen.
Heckmann: Aber dann sagen Sie doch mal, wie soll das gehen? Wie soll das gegenfinanziert werden, Steuersenkungen. Muss man sich darauf einstellen, dass Sozialausgaben gekürzt werden, wenn die Union zusammen mit der FDP regieren sollte?
Pofalla: Selbst nach der mittelfristigen Finanzplanung des Bundesfinanzministers, der bekanntlich nicht der CDU angehört, nehmen wir bis zum Jahr 2013 rund 50 Milliarden Euro mehr im staatlichen Haushalt ein. Hier ist doch genügend Entlastungsmöglichkeit da. Unsere Entlastungen in den zwei Steuerschritten werden nach den Berechnungen, die wir vorgenommen haben, maximal 15 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen bedeuten. Die halten wir angesichts eines Minuswachstums von sechs Prozent, die wir in diesem Jahr haben, und der auf dieser Zahl aufbauenden mittelfristigen Finanzplanung des Bundesfinanzministers allemal für möglich.
Heckmann: Aber wenn Sie sich so sicher sind, Herr Pofalla, dass das gangbar ist in der nächsten Legislaturperiode, diese Steuersenkung, die Sie in Aussicht stellen, weshalb konnten Sie sich dann nicht, wie die CSU gefordert hatte, auf ein konkretes Datum festlegen, nämlich 2011/2012, so wie es die CSU in ihrem eigenen Wahlaufruf formuliert hat?
Pofalla: Weil wir der festen Überzeugung sind, dass man nicht im Juni des Jahres 2009, übrigens auch für andere politische Maßnahmen, bereits sagen kann, zu welchem festen Zeitpunkt man was macht. Wir sind sehr konkret. Und auch hier unterscheiden wir uns wieder von der SPD, die eben nur Versprechungen vornimmt. Und wir haben ganz klar erklärt, in der nächsten Legislaturperiode gibt es in zwei Schritten Steuersenkungen.
Heckmann: Sie unterscheiden sich nicht nur von der SPD, auch von der CSU. Verspricht denn die CSU mit diesen konkreten Daten dann das Blaue vom Himmel aus Ihrer Sicht?
Pofalla: Nein. Wir haben ein gemeinsames Wahlprogramm. Und wie Sie zu recht zitieren, gibt es in diesem gemeinsamen Wahlprogramm der beiden christdemokratischen Parteien keine Festlegung auf einen Zeitpunkt.
Heckmann: Sie hören weiterhin das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit Ronald Pofalla. Herr Pofalla, im Jahr 2005 ist die Union angetreten mit der Forderung nach einer tiefgreifenden Steuerreform, Stichwort Bierdeckelreform, mit dem Konzept der Kopfpauschale in der Krankenversicherung, mit Forderungen nach einem Abbau des Kündigungsschutzes. Nichts davon im Jahr 2009. Viele Wähler allerdings haben offenbar die Befürchtung, dass das Radikalprogramm nach der Bundestagswahl dann ausgepackt wird.
Pofalla: Da diese Punkte nicht in unserem Wahlprogramm stehen, wird es sie auch nach der Wahl nicht geben. Und der Unterschied besteht darin, dass wir uns sozusagen in der Krise befinden. Und in der Krise geht man nicht an den Kündigungsschutz. Ganz im Gegenteil, man muss die Menschen versuchen, in ihrer Arbeit zu halten. Deshalb haben wir ja unter anderem auch einen Schutzschirm über den Arbeitsmarkt gebaut, indem wir Instrumente versucht haben zu unterstützen, die die Menschen in Arbeit behalten und sie nicht in eine Entlassungssituation bringen wie beispielsweise durch das Kurzarbeitergeld.
Heckmann: Gut, in der Krise also andere Instrumente. Wenn die Krise vorbei ist, und das mag ja sein, dass es innerhalb der nächsten Legislaturperiode doch so weit ist, es gibt ja erste Anzeichen jetzt, wie sieht es denn dann aus mit dem Kündigungsschutz beispielsweise?
Pofalla: In unserem Wahlprogramm gibt es keine Aussage dazu. Deshalb wird es keine Veränderung in der nächsten Legislaturperiode geben. Und ich darf nur darauf hinweisen, das zarte Pflänzchen eines kleinen Konjunkturlichtes, das wir jetzt seit wenigen Tagen zur Kenntnis nehmen können, führt ja immer noch dazu, dass wir deutlich unter der wirtschaftlichen Entwicklung des Jahres 2008 liegen. Und selbst bei einem Wachstum von zwei Prozent im nächsten oder übernächsten Jahr werden wir im nächsten und im übernächsten Jahr immer noch unter der wirtschaftlichen Entwicklung des Jahres 2008 liegen.
Heckmann: Herr Pofalla, Thema Atomkraft: Da steht eine Richtungsentscheidung an. Das ist jedenfalls die Wortwahl von SPD und Grünen. Die werden nicht müde, das zu betonen. Sie von der Union haben sich für eine Verlängerung der Laufzeiten ausgesprochen. Das allerdings wäre ein Ausstieg aus dem Ausstieg.
Pofalla: Wir sind der festen Überzeugung, dass insbesondere die Grünen, aber auch die SPD einer Lebenslüge unterliegen. Wir können nicht auf der einen Seite Co2 reduzieren und auf der anderen Seite auf Atomkraft verzichten.
Heckmann: Man kann aber auch die regenerativen Energien nicht entwickeln, wenn man weiter auf Atomkraft setzt.
Pofalla: Wir entwickeln sie ja so gewaltig in Deutschland, und das halte ich für richtig, wie kein anderes Land auf der Erde. Und wir subventionieren diese Entwicklung mit Milliardenbeträgen, die übrigens in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden. Auch das halte ich für richtig. Aber selbst wenn man diese Kurve, die nach oben schnellt, weiter als richtig unterstellt und diese Entwicklung weiter geht, werden wir unsere Co2-Ziele ohne Atomkraft in Deutschland nicht verwirklichen können. Und deshalb sind wir für die Verlängerung der sicheren Kernkraftwerke in Deutschland.
Heckmann: Der sicheren Kernkraftwerke in Deutschland. Sie sind allerdings auch für die Verlängerung der Laufzeiten der ältesten Meiler in Deutschland, die die meisten Vorfälle zu melden hatten.
Pofalla: Jetzt halten wir erst mal fest: Wir sagen nur, wir werden nach der Bundestagswahl uns jedes einzelne Kernkraftwerk ansehen. Und wir sind der festen Überzeugung, dass wir auch die Energiesicherheit in Deutschland nur sicherstellen können, indem wir die sicheren Kernkraftwerke in Deutschland in ihrer Laufzeit verlängern.
Heckmann: Stichwort EU-Begleitgesetz. Noch vor der Wahl soll ein solches Gesetz ja verabschiedet werden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon. Die CSU hat sich mit einigen euroskeptischen Tönen profiliert. Sie möchte die Bundesregierung stärker binden an das Veto von Bundestag und Bundesrat als von Karlsruhe gefordert. Muss man sich denn eigentlich um die europapolitische Verlässlichkeit der Union Sorge machen?
Pofalla: Ganz im Gegenteil. Über Konrad Adenauer, Helmut Kohl bis zu Angela Merkel sind wir die treibenden Kräfte gewesen, die Europa vorangebracht haben. Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgericht eins zu eins umsetzen. Und alles, was ich aus den Gesprächen höre, zeigt mir, dass wir das auch vor der Bundestagswahl sicher schaffen.
Heckmann: Wir erklären Sie sich die Töne aus München?
Pofalla: Einer der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht kommt aus der CSU, und ich halte es für völlig selbstverständlich, dass da dann auch deutlicher formuliert wird. Aber noch mal: Die Gespräche, die jetzt in dieser Woche gelaufen sind und in der nächsten Woche weiter gehen werden, werden dazu führen, dass wir noch vor de Bundestagswahl das Begleitgesetz im Deutschen Bundestag verabschieden werden.
Heckmann: Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Pofalla: Danke schön.
Ronald Pofalla: Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben erfreuliche Umfragen, aber die Wahlen sind noch nicht entschieden. Wir wissen, dass etwa die Hälfte der Wähler nach wie vor unentschlossen ist, und deshalb geht es jetzt in den verbleibenden sechs Wochen darum, alles dafür zu tun, möglichst viele dieser unentschlossenen Wähler von uns zu überzeugen.
Heckmann: Aber man hat doch den Eindruck, dass der eine oder andere schon versucht, das Fell des Bären zu verteilen, bevor die Wahl gelaufen ist.
Pofalla: Noch mal. Wir haben jetzt noch sechs Wochen, in denen wir mit unseren Argumenten für Angela Merkel und die CDU werben werden. Das steht im Mittelpunkt. Und wir werden uns im Falle eines Wahlsieges nach der Wahl mit der FDP zu unterhalten haben in einem Koalitionsvertrag, was wir sachlich wollen. Und wenn das feststeht, wird es um die Frage gehen, wer steht aus welcher Partei für welches Ressort. Und genau das ist die Reihenfolge.
Heckmann: Also hat Christian Wulff die Reihenfolge da ein bisschen durcheinandergebracht.
Pofalla: Nein, ich glaube, er wollte ein bisschen die FDP ärgern. Und natürlich ist Karl-Theodor zu Guttenberg ein ausgezeichneter Wirtschaftsminister. Insofern sehe ich da überhaupt gar keinen Widerspruch zu meinen Feststellungen.
Heckmann: FDP und CSU scheinen sich in den letzten Tagen verstärkt so ein bisschen gegenseitig ärgern zu wollen. Horst Seehofer hat von der FDP gefordert, sie möchte doch bitte eine klarere Koalitionsaussage treffen als bisher, und hat wörtlich gesagt: Guido Westerwelle könne man nicht vertrauen. Und Sie sind auch auf den Zug aufgesprungen und haben von der FDP verlangt, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Ist ein solches Misstrauen eine gute Grundlage für eine Koalition?
Pofalla: Die FDP hat bisher versäumt, einen entsprechenden Beschluss zu fassen, der vorsieht eine Koalition zwischen Union und FDP. Dieser Beschluss muss noch kommen. Ich glaube Guido Westerwelle, dass er die Koalition mit der Union will, weil es ja auch in der Sache Sinn macht. Wir haben große gemeinsame inhaltliche Schnittmengen, und die gilt es, im Falle eines Wahlsieges nach der Wahl umzusetzen. Aber die FDP sollte jetzt Klarheit schaffen und einen entsprechenden Beschluss fassen.
Heckmann: Aber wenn Sie ihm doch glauben, wozu der Beschluss?
Pofalla: Es gibt ja nicht immer nur einen in der Partei. In der FDP ist es vielleicht in der Vergangenheit häufiger so gewesen - es sind ja Gremien zu beteiligen, und ein entsprechender Gremienbeschluss der FDP liegt bisher nicht vor.
Heckmann: Die FDP hat ja klargemacht, dass der Beschluss erst eine Woche vor der Bundestagswahl gefasst werden wird.
Pofalla: Ja, das halte ich für einen strategischen Fehler. Die FDP hatte einen Bundesparteitag Mitte Mai, und auf diesem Bundesparteitag hätte die FDP sehr früh für Klarheit sorgen können. Und jetzt muss die FDP ertragen, dass wegen des nicht gefassten Beschlusses sie jetzt auch immer wieder gefordert ist, klare Aussagen zu machen.
Heckmann: Herr Pofalla, die SPD kommt aus dem Umfragetief derzeit nicht raus. Das ist ja ein Eindruck, der sich seit Wochen, seit Monaten eigentlich verfestigt. Auf der anderen Seite ist es so, dass die Union auch bei 35, jetzt aktuell bei 37 Prozent liegt, also immer noch ein ganzes Stück weit entfernt von den "40 Prozent plus X", die Sie ausgegeben haben als Ziel. Weshalb kann die Union kaum profitieren von der Schwäche der SPD, weshalb profitiert die FDP?
Pofalla: Zunächst einmal haben wir ja in diesem Jahr bereits ein Wahlergebnis, das im Rahmen einer bundesweiten Wahl entstanden ist, das Europawahlergebnis. Und da lagen wir 17 Prozentpunkte vor der SPD, und in der Tat: Ein, zwei Pünktchen mehr hätte ich auch noch gerne gehabt, dann wären wir ja bei den 40 Prozent. Und deshalb ist es jetzt wirklich Aufgabe für die letzten sechs Wochen, unsere Anhänger und unsere Freunde und Freundinnen davon zu überzeugen, dass wir jede Stimme brauchen. Die Wahl ist erst am 27. September um 18 Uhr entschieden.
Heckmann: Das ist aber - mit Verlaub – keine Antwort auf meine Frage. Ich hatte gefragt: Weshalb profitiert die FDP und nicht die Union von der Schwäche der SPD offenbar?
Pofalla: Ich bin aber doch Generalsekretär der CDU und rede über die CDU . . .
Heckmann: . . . aber Sie müssen sich ja Gedanken machen . . .
Pofalla: . . . ja, die mach ich mir ja auch, und ich mache mir Gedanken darüber, wie wir als CDU möglichst stark werden können. Und wir sehen übrigens ja auch an den aktuellen Zahlen, dass die FDP jetzt schwächer wird und wir etwas stärker. Und das hat was damit zu tun, dass insbesondere auch durch Karl-Theodor zu Guttenberg deutlich wird, dass die Wirtschaftskompetenz bei der Union liegt.
Heckmann: Die Umfrageinstitute sagen schon seit Wochen und Monaten eine – allerdings äußerst knappe – Mehrheit für eine so genannte "bürgerliche Koalition", also Koalition aus Union und FDP, voraus. Wenn es dazu nicht reichen sollte, dann hat man so ein bisschen den Eindruck, dass es auch nicht schlimm wäre, wenn die große Koalition fortgesetzt wird - aus der Perspektive der Kanzlerin.
Pofalla: Das ist ein völlig falscher Eindruck. Wir wollen am 27. September eine neue Regierung mit der FDP bilden . . .
Heckmann: . . . aber warum, Sie haben doch konstruktiv zusammengearbeitet mit der SPD, oder?
Pofalla: Da ist ja kein Widerspruch drin. Dass wir in den vergangenen vier Jahren erfolgreich in der Regierung gearbeitet haben mit der SPD, das ist das eine. Und dazu bekennen wir uns im übrigen im Gegensatz zur SPD . . .
Heckmann: . . . dann kann man ja auch weitermachen.
Pofalla: Nein, eben nicht, weil wir im Blick auf die Zukunft der festen Überzeugung sind, dass wir den Weg aus der Krise mit der FDP mit größeren inhaltlichen Übereinstimmungen begehen können als mit der SPD. Die SPD ist eine Partei, die das Thema "Wachstum" überhaupt nicht verinnerlicht hat, die SPD ist eine Partei, die wirtschaftlichen Zusammenhänge auch programmatisch durch entsprechende Beschlüsse nicht untermauern kann. Die FDP und die Union haben ihre Kompetenzfelder im Bereich der Wirtschaft, im Bereich der Finanzen. Und die wollen wir gemeinsam nutzen, um erfolgreich aus der Krise herauszukommen.
Heckmann: Liegt es vielleicht auch daran, dass die große Koalition in Wahrheit eine sozialdemokratische Politik gemacht hat, wenn man mal so auf das Feld der Familienpolitik schaut beispielsweise, oder wenn man sich vor Augen führt, dass Mindestlöhne in immer mehr Branchen eingeführt wurden – unter der großen Koalition?
Pofalla: Die Arbeit der Bundesregierung unter Leitung von Angela Merkel hat Erfolge vorzuweisen. Die Arbeitslosigkeit war zwischenzeitlich unter drei Millionen gegangen. Wir haben die Krise bewältigt, indem wir Schutzschirme aufgebaut haben. Und alles das war nur möglich, weil Angela Merkel als Regierungschefin die entsprechenden Weichenstellungen vorgenommen hat. Und die waren christdemokratisch und nicht sozialdemokratisch.
Heckmann: Na, die Weichenstellungen – könnte man sagen – sind mit der Agenda 2010 auch mit gestellt worden. Das sollte man dazu sagen – bei den Arbeitslosenzahlen.
Pofalla: Die Agenda 2010, da haben Sie völlig recht, ist übrigens mit den Stimmen der Union im Bundesrat beschlossen worden. Und wir haben entscheidende Veränderungen an der Agenda 2010 damals vornehmen können, die die positiven Auswirkungen im Arbeitsmarkt noch mal untermauert haben. Und aus allem zusammen hat sich ergeben, dass die Union die treibende Kraft ist, um in Deutschland dafür zu sorgen, dass Wachstum entstanden ist.
Heckmann: Herr Pofalla, Sie haben da gerade die Arbeit der Kanzlerin gelobt. Das ist klar, das gehört zu Ihrem Job. Sie gilt ja als Klimakanzlerin oder auch als Vorkämpferin für neue Regeln auch in den Finanzmärkten nach dieser Finanzkrise, der weltweiten. Man muss sagen, dass da auch ein Teil "Ankündigungspolitik" dabei ist, denn nach Ansicht der Grünen beispielsweise auf dem Feld der Klimapolitik ist Deutschland zum Bremser geworden. Beispiel CO2-Ausstoß der PKW’s. Da hat die Bundesregierung dafür gesorgt, dass strengere und striktere Grenzen nicht eingeführt werden auf der europäischen Ebene. Der Umbau der Wirtschaft in Richtung ökologisch-soziale Marktwirtschaft ist noch gar nicht angefasst. Leuchtendes Gegenbeispiel ist die Abwrackprämie ohne jegliche ökologische Lenkungswirkung. Und auf den Finanzmärkten sieht es im Moment so aus, als ob alles so bleibt wie gehabt.
Pofalla: Wenn Sie die Entwicklung sich doch ansehen, dann ist doch bezeichnend, dass die entsprechenden internationalen Vereinbarung, die Angela Merkel über den G8-Prozess entwickeln und vereinbaren konnte, in einer Regierung unter ihrer Führung vereinbart worden sind. Die Grünen waren sieben Jahre an der Regierung, und ihnen ist es nicht gelungen, unter Schröder auch nur annähernd ähnliche Vereinbarungen herzustellen . . .
Heckmann: . . . Absichtserklärungen vor allem.
Pofalla: Ja, aber die Amerikaner, um ein Beispiel zu nennen, haben sich in der gesamten Regierungszeit von Schröder gegen jede Veränderungen beim Klimaschutz gewandt. Angela Merkel ist es zunächst gelungen, den ehemaligen Präsidenten Bush zu überzeugen – in Heiligendamm. Und ihr ist es jetzt gelungen, mit dem neuen amerikanischen Präsidenten Obama zusammen, in Amerika eine Veränderung zu bewirken, die noch vor fünf Jahren unvorstellbar war. Also, die grünen Maulhelden sollten mal den Mund halten. In ihrer siebenjährigen Regierungszeit ist ihnen außer Lautsprecher relativ wenig im Klimaschutz gelungen.
Heckmann: Aber zum Beispiel "Finanzmärkte", da warten ja viele noch wirklich auf konkrete Umsetzungen dieser Ankündigungen. Und es ist nun ja auch so, dass nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch hier in Deutschland die Banken schon wieder anfangen, Millionenbeträge an Manager auszuzahlen – Beispiel HRE, Beispiel HSH Nordbank, obwohl diese Banken eben durch Milliarden Steuergelder gestützt worden sind. Ein Beispiel: Der HRE-Chef Axel Wieandt – kurz vor der Verstaatlichung wurden ihm noch 500.000 Euro zusätzlich zugesprochen. Was halten Sie von dieser Entwicklung, und muss die Politik da nicht eingreifen, auch die Bundesregierung?
Pofalla: Ja, zunächst erst mal zu dem ersten Teil. Auch hier war Angela Merkel treibende Kraft. Wir haben international den G20-Prozess in Gang gesetzt, und es wird ja vermutlich im September in Pittsburgh noch zu einer Vereinbarung der G20-Staaten kommen, um sich auf internationale Standards für den Finanzmarkt zu verständigen. Mich ärgert, um es offen zu sagen, dass Manager von Banken, die staatlich gestützt werden, in den Genuss von Boni kommen. Ich halte das nicht für akzeptabel. Das Juristische ist das eine; der von Ihnen angesprochene Fall: An den kann ja nur deshalb ein solcher Bonus ausgezahlt werden, weil der Vertrag geschlossen worden ist, bevor die Krise eingetreten ist. Der Mann selber zählt jetzt zu denen, die die Bank rettet. So gesehen, sage ich mal, will ich jetzt ihn persönlich nicht kritisieren. Aber es wäre doch richtig, wenn ein Vorstandsvorsitzender einer Bank, der mit Milliardenbeträgen staatlicherseits Unterstützung erfährt, freiwillig auf seine Bonuszahlung verzichtet.
Heckmann: Das kann man als Appell verstehen?
Pofalla: Mehr können wir hier nicht vornehmen, weil offensichtlich die rechtliche Situation so ist, dass er darauf einen Anspruch hat.
Heckmann: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit Ronald Pofalla, dem Generalsekretär der CDU.
Herr Pofalla, Frank Walter Steinmeier hat sich ja mit seinem so genannten "Deutschlandplan" ins Gespräch gebracht – vier Millionen Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020. Die Union, die verzichtet darauf, ein Gegenkonzept vorzulegen. Ist es nicht eine sehr riskante Strategie, möglichst keinen Wahlkampf zu machen und sich schließlich und endlich mit dem Rheingold-Express durch Deutschland zu begeben?
Pofalla: Die Wahrheit ist doch: Wir haben unser Regierungsprogramm. Und die Wahrheit ist: Herr Steinmeier hat Mitte Juni ein Wahlprogramm vorgelegt, das er nach sieben Wochen verbessern musste durch einen Plan, den er jetzt vorgestellt hat. Wir haben keinen Veränderungsbedarf, weil wir unser Regierungsprogramm Ende Juni beraten und verabschiedet haben.
Heckmann: Aber Sie nehmen sich keine konkreten Ziele vor.
Pofalla: Unser Ziel ist Arbeit für alle, da gibt es doch überhaupt keinen Unterschied. Der Unterschied besteht nur darin: Er verspricht unseriöserweise konkrete Arbeitsplatzzahlen und verheddert sich dabei.
Heckmann: Aber Sie versprechen ja auch Vollbeschäftigung.
Pofalla: Im Wahlprogramm verspricht die SPD 500.000 neue Arbeitsplätze im Bereich Umwelt.
Heckmann: Sie verspricht nicht, sie setzt sich ein Ziel.
Pofalla: Für 2020. Und Herr Steinmeier kommt sieben Wochen später zum Ergebnis – jetzt verspricht er vier Millionen Arbeitsplätze. Herr Gabriel kommt zum Ergebnis mit der Vorlage von Gutachten, allein im Bereich Klimatechnik und Ökologie könnten zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Man hat ja fast den Eindruck, je schlechter die Umfragen für die SPD werden, je höher gehen die Versprechen von Arbeitsplatzzahlen. An diesem Wettbewerb werden wir uns nicht beteiligen.
Heckmann: Herr Pofalla, ich muss Sie da an dieser Stelle korrigieren. Es war niemals von einem Versprechen die Rede, sondern die SPD setzt sich das Ziel, diese vier Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Und ist es nicht der Anspruch von Politik, sich auch ehrgeizige Ziele zu setzen und ist da die Union nicht vielleicht ein bisschen im Hintertreffen?
Pofalla: Ganz im Gegenteil. Wir sind glaubwürdig und die SPD ist unseriös. Schröder hat doch bewiesen, dass das konkrete Versprechen auf Arbeitsplätze nicht eingehalten werden kann und ist am Ende mit über fünf Millionen Arbeitslosen gescheitert.
Heckmann: Das heißt, Sie halten sich aus strategischen Gründen, aus taktischen Gründen nur zurück?
Pofalla: Nein. Wir haben keine Planwirtschaft. Die haben wir Gott sei Dank mit der DDR überwunden. Und selbst in einer Planwirtschaft können Sie so punktgenau keine Versprechungen vornehmen. Wir werden bei dem bleiben, was wir gesagt haben. Unser Ziel bleibt nach wie vor Arbeit für alle. Aber wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Unseriöse Versprechen im Blick auf Arbeitsplätze wie Herr Steinmeier sie vornimmt wird es mit uns nicht geben.
Heckmann: Gut. Sie haben das Ziel Vollbeschäftigung. Sie selber sind ja, wenn ich das so sagen darf, als Arbeitsminister im Gespräch einer möglichen schwarz-gelben Koalition. Und die CDU insgesamt hat angekündigt, dass sie den Niedriglohnsektor beispielsweise ausbauen möchte, um dieses Ziel, denke ich mal, zu erreichen. Ist das denn wirklich die Zukunft Deutschlands, den Niedriglohnsektor auszubauen, oder muss man nicht im Gegenteil dafür sorgen, dass die Menschen von ihrem Einkommen und ihrer Vollzeittätigkeit leben können müssen.
Pofalla: Ja, wir müssen vor allem Arbeit und Arbeitsplätze versuchen zu schaffen. Und wenn Sie sich die 3,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland ansehen, dann ist annähernd die Hälfte ohne Schulabschluss oder ohne Ausbildungsabschluss. Und diese Menschen werden Sie nicht in High-Tech-Berufen anstellen können, weil sie diese Arbeit gar nicht erfüllen können. Und deshalb müssen wir – und das war der Schlüssel übrigens des Erfolges der vergangenen drei Jahre – den Niedriglohnbereich weiter anregen. Wir wollen Arbeitsplätze generieren und nicht Arbeitslosigkeit finanzieren.
Heckmann: Aber noch mal zu meiner Frage: Ist es nicht auch ein wichtiges Ziel, dafür zu sorgen, dass die Menschen, die dann in der Tat mit zwei, drei Jobs sich über Wasser halten, dafür zu sorgen, dass die von dieser Arbeit auch leben können?
Pofalla: Ja, das steht doch außer Frage. Diejenigen, die arbeiten, müssen mehr haben als diejenigen, die nicht arbeiten. Und deshalb setzen wir uns ja auch für ein Mindesteinkommen ein und sprechen uns gegen einen Mindestlohn aus, weil ein Mindestlohn Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland vernichten würde. Und selbst Herr Müntefering hat doch noch 2006 auf dem DGB-Kongress gegen gesetzliche Mindestlöhne gesprochen. Dieser Sinneswandel ist doch nur darauf zurück zu führen, dass wir jetzt Wahlen haben und die SPD versucht, Stimmen zu bekommen.
Heckmann: Das heißt, Sie setzen eher darauf, diejenigen Branchen zu subventionieren, die sich mit Niedriglöhnen über Wasser halten?
Pofalla: Nein, ganz im Gegenteil. Wir setzen darauf, dass die Menschen in Arbeit kommen. Und wenn am Beginn einer Tätigkeit der Lohn nicht ausreicht, um davon leben zu können, dann wollen wir ihn ergänzen durch staatliche Transferleistungen, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Und wenn sich derjenige, der da arbeitet, bewährt, wird er innerhalb von wenigen Jahren – das zeigen alle Arbeitsmarktanalysen – in einen festen Arbeitsplatz kommen, von dem er auch leben kann.
Heckmann: Herr Pofalla, Sie hatten gerade eben gesagt, Sie wollen darauf verzichten, konkrete Zahlen zu nennen, was die Schaffung von Arbeitsplätzen angeht. Und auch ansonsten, wenn man in das gemeinsame Regierungsprogramm von CDU und CSU reinschaut, dann sucht man Festlegungen an der einen oder anderen Stelle vergeblich. Liegt das daran, dass die Wahl im Jahr 2005 beinahe verloren gegangen, weil man da mit einem strikten Reformprogramm à la Kirchhof angetreten ist?
Pofalla: Wir haben doch sehr konkrete Punkte. Nehmen Sie unsere steuerpolitischen Vorstellungen. Wir wollen den Eingangssteuersatz senken, wir wollen die kalte Progression abschaffen, wir wollen, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto haben. All diese konkreten Punkte stehen doch im Programm drin, weil wir der Überzeugung sind, das die steuerliche Entlastung ein wesentlicher Punkt im Rahmen einer Wachstumsstrategie ist.
Heckmann: Aber Sie sagen nicht, wann Sie diese Steuersenkung umsetzen wollen, ganz im Gegensatz zur CSU, die darauf gedrungen hatte.
Pofalla: Ich halte nur fest, dass Herr Steinmeier Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 verspricht, aber die nächste Legislaturperiode nur bis 2013 geht. Wir legen uns fest. Wir wollen die steuerliche Entlastung in zwei Schritten in der nächsten Legislaturperiode.
Heckmann: Die meisten Wähler, Herr Pofalla, glauben diesem Versprechen nicht, wenn man Umfragen glauben darf. Selbst 83 Prozent der Unionsanhänger glauben nicht, dass es zu diesen Steuersenkungen kommen wird. Fügen Sie nicht durch unrealistische Versprechungen dem Ruf der Politik weiteren Schaden zu?
Pofalla: Das genaue Gegenteil ist doch der Fall. Wir sagen klipp und klar, dass wir die Krise am Ende nur bewältigen können mit einer Wachstumsstrategie. Die besteht aus Haushaltskonsolidierung, aus Investitionen in die Zukunft und steuerlicher Entlastung. Und alle drei Sachen gehören für uns untrennbar zusammen. Und wenn wir alle drei Sachen in der nächsten Legislaturperiode verwirklichen, wird Deutschland wieder auf einen Wachstumspfad kommen.
Heckmann: Aber dann sagen Sie doch mal, wie soll das gehen? Wie soll das gegenfinanziert werden, Steuersenkungen. Muss man sich darauf einstellen, dass Sozialausgaben gekürzt werden, wenn die Union zusammen mit der FDP regieren sollte?
Pofalla: Selbst nach der mittelfristigen Finanzplanung des Bundesfinanzministers, der bekanntlich nicht der CDU angehört, nehmen wir bis zum Jahr 2013 rund 50 Milliarden Euro mehr im staatlichen Haushalt ein. Hier ist doch genügend Entlastungsmöglichkeit da. Unsere Entlastungen in den zwei Steuerschritten werden nach den Berechnungen, die wir vorgenommen haben, maximal 15 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen bedeuten. Die halten wir angesichts eines Minuswachstums von sechs Prozent, die wir in diesem Jahr haben, und der auf dieser Zahl aufbauenden mittelfristigen Finanzplanung des Bundesfinanzministers allemal für möglich.
Heckmann: Aber wenn Sie sich so sicher sind, Herr Pofalla, dass das gangbar ist in der nächsten Legislaturperiode, diese Steuersenkung, die Sie in Aussicht stellen, weshalb konnten Sie sich dann nicht, wie die CSU gefordert hatte, auf ein konkretes Datum festlegen, nämlich 2011/2012, so wie es die CSU in ihrem eigenen Wahlaufruf formuliert hat?
Pofalla: Weil wir der festen Überzeugung sind, dass man nicht im Juni des Jahres 2009, übrigens auch für andere politische Maßnahmen, bereits sagen kann, zu welchem festen Zeitpunkt man was macht. Wir sind sehr konkret. Und auch hier unterscheiden wir uns wieder von der SPD, die eben nur Versprechungen vornimmt. Und wir haben ganz klar erklärt, in der nächsten Legislaturperiode gibt es in zwei Schritten Steuersenkungen.
Heckmann: Sie unterscheiden sich nicht nur von der SPD, auch von der CSU. Verspricht denn die CSU mit diesen konkreten Daten dann das Blaue vom Himmel aus Ihrer Sicht?
Pofalla: Nein. Wir haben ein gemeinsames Wahlprogramm. Und wie Sie zu recht zitieren, gibt es in diesem gemeinsamen Wahlprogramm der beiden christdemokratischen Parteien keine Festlegung auf einen Zeitpunkt.
Heckmann: Sie hören weiterhin das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit Ronald Pofalla. Herr Pofalla, im Jahr 2005 ist die Union angetreten mit der Forderung nach einer tiefgreifenden Steuerreform, Stichwort Bierdeckelreform, mit dem Konzept der Kopfpauschale in der Krankenversicherung, mit Forderungen nach einem Abbau des Kündigungsschutzes. Nichts davon im Jahr 2009. Viele Wähler allerdings haben offenbar die Befürchtung, dass das Radikalprogramm nach der Bundestagswahl dann ausgepackt wird.
Pofalla: Da diese Punkte nicht in unserem Wahlprogramm stehen, wird es sie auch nach der Wahl nicht geben. Und der Unterschied besteht darin, dass wir uns sozusagen in der Krise befinden. Und in der Krise geht man nicht an den Kündigungsschutz. Ganz im Gegenteil, man muss die Menschen versuchen, in ihrer Arbeit zu halten. Deshalb haben wir ja unter anderem auch einen Schutzschirm über den Arbeitsmarkt gebaut, indem wir Instrumente versucht haben zu unterstützen, die die Menschen in Arbeit behalten und sie nicht in eine Entlassungssituation bringen wie beispielsweise durch das Kurzarbeitergeld.
Heckmann: Gut, in der Krise also andere Instrumente. Wenn die Krise vorbei ist, und das mag ja sein, dass es innerhalb der nächsten Legislaturperiode doch so weit ist, es gibt ja erste Anzeichen jetzt, wie sieht es denn dann aus mit dem Kündigungsschutz beispielsweise?
Pofalla: In unserem Wahlprogramm gibt es keine Aussage dazu. Deshalb wird es keine Veränderung in der nächsten Legislaturperiode geben. Und ich darf nur darauf hinweisen, das zarte Pflänzchen eines kleinen Konjunkturlichtes, das wir jetzt seit wenigen Tagen zur Kenntnis nehmen können, führt ja immer noch dazu, dass wir deutlich unter der wirtschaftlichen Entwicklung des Jahres 2008 liegen. Und selbst bei einem Wachstum von zwei Prozent im nächsten oder übernächsten Jahr werden wir im nächsten und im übernächsten Jahr immer noch unter der wirtschaftlichen Entwicklung des Jahres 2008 liegen.
Heckmann: Herr Pofalla, Thema Atomkraft: Da steht eine Richtungsentscheidung an. Das ist jedenfalls die Wortwahl von SPD und Grünen. Die werden nicht müde, das zu betonen. Sie von der Union haben sich für eine Verlängerung der Laufzeiten ausgesprochen. Das allerdings wäre ein Ausstieg aus dem Ausstieg.
Pofalla: Wir sind der festen Überzeugung, dass insbesondere die Grünen, aber auch die SPD einer Lebenslüge unterliegen. Wir können nicht auf der einen Seite Co2 reduzieren und auf der anderen Seite auf Atomkraft verzichten.
Heckmann: Man kann aber auch die regenerativen Energien nicht entwickeln, wenn man weiter auf Atomkraft setzt.
Pofalla: Wir entwickeln sie ja so gewaltig in Deutschland, und das halte ich für richtig, wie kein anderes Land auf der Erde. Und wir subventionieren diese Entwicklung mit Milliardenbeträgen, die übrigens in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden. Auch das halte ich für richtig. Aber selbst wenn man diese Kurve, die nach oben schnellt, weiter als richtig unterstellt und diese Entwicklung weiter geht, werden wir unsere Co2-Ziele ohne Atomkraft in Deutschland nicht verwirklichen können. Und deshalb sind wir für die Verlängerung der sicheren Kernkraftwerke in Deutschland.
Heckmann: Der sicheren Kernkraftwerke in Deutschland. Sie sind allerdings auch für die Verlängerung der Laufzeiten der ältesten Meiler in Deutschland, die die meisten Vorfälle zu melden hatten.
Pofalla: Jetzt halten wir erst mal fest: Wir sagen nur, wir werden nach der Bundestagswahl uns jedes einzelne Kernkraftwerk ansehen. Und wir sind der festen Überzeugung, dass wir auch die Energiesicherheit in Deutschland nur sicherstellen können, indem wir die sicheren Kernkraftwerke in Deutschland in ihrer Laufzeit verlängern.
Heckmann: Stichwort EU-Begleitgesetz. Noch vor der Wahl soll ein solches Gesetz ja verabschiedet werden nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon. Die CSU hat sich mit einigen euroskeptischen Tönen profiliert. Sie möchte die Bundesregierung stärker binden an das Veto von Bundestag und Bundesrat als von Karlsruhe gefordert. Muss man sich denn eigentlich um die europapolitische Verlässlichkeit der Union Sorge machen?
Pofalla: Ganz im Gegenteil. Über Konrad Adenauer, Helmut Kohl bis zu Angela Merkel sind wir die treibenden Kräfte gewesen, die Europa vorangebracht haben. Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgericht eins zu eins umsetzen. Und alles, was ich aus den Gesprächen höre, zeigt mir, dass wir das auch vor der Bundestagswahl sicher schaffen.
Heckmann: Wir erklären Sie sich die Töne aus München?
Pofalla: Einer der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht kommt aus der CSU, und ich halte es für völlig selbstverständlich, dass da dann auch deutlicher formuliert wird. Aber noch mal: Die Gespräche, die jetzt in dieser Woche gelaufen sind und in der nächsten Woche weiter gehen werden, werden dazu führen, dass wir noch vor de Bundestagswahl das Begleitgesetz im Deutschen Bundestag verabschieden werden.
Heckmann: Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Pofalla: Danke schön.