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Ein Wald, kein Rummelplatz

Es gibt kein Bier, kein Eis und keine Pommes: Der zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärte Grumsiner Forst in Brandenburg ist vor allem eines - ein Wald. Dennoch werden schon am kommenden Wochenende Tausende Besucher dort erwartet.

Hartmut Kretschmer im Gespräch mit Theo Geers | 28.06.2011
    Theo Geers: Kaum war die Nachricht in der Welt, waren die ersten Besucher auch schon im Wald, und zwar im Grumsiner Forst. Am Samstag hat die UNESCO in Paris fünf deutsche Buchenwälder zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt, darunter eben auch den Grumsiner Forst. Der wiederum gehört zum Biosphären-Reservat Schorfheide-Chorin, und dieses Gebiet liegt nordöstlich von Berlin im Bundesland Brandenburg.

    Doch wie geht so ein Gebiet jetzt mit dem zu erwartenden Besucherandrang um? – Genau das habe ich vor der Sendung Hartmut Kretschmer, den Leiter des Biosphären-Reservats, gefragt. Ich fragte ihn: ist jetzt schon spürbar mehr los im Grumsiner Forst?

    Hartmut Kretschmer: Ja, das kann man schon sagen. Wir hatten zum Schluss noch die Meldung aus Paris, dass es vielleicht doch nichts wird, weil die UNESCO am liebsten noch mehr Buchenwälder aus ganz Europa mit auf die Liste genommen hätte. Aber man hat sich dann doch geeinigt, dass diese fünf Wälder aus Deutschland jetzt schon mal ein weiterer wichtiger Schritt sind. Sie müssen ja wissen: Wir sind jetzt in eine Liga aufgestiegen, wo wir jetzt gleichziehen mit solch einem Gebiet wie zum Beispiel die Serengeti. Dem müssen wir auch gerecht werden, und dazu gehört eine ganze Menge. Und ich verstehe vollkommen, wenn die Menschen das natürlich jetzt auch schnell sehen wollen.

    Geers: Sie sagen es: Die Menschen wollen das jetzt schnell sehen. Das heißt, auch Sie müssen jetzt schnell reagieren. Was muss, was soll denn passieren? Was haben Sie vor?

    Kretschmer: Also, wir haben natürlich schon seit Jahren auch darum gerungen, dass wir auf diese Liste erst mal gekommen sind, und haben nun schon seit vielen Monaten eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit allen betroffenen Kommunen und haben dort jetzt die Schritte verabredet, wie wir jetzt die Besucher empfangen. Als erstes gehören dazu natürlich Informationstafeln, die stehen schon an den wichtigsten Punkten. Das nächste sind Wanderwege. Da gibt es ein fertiges Wanderwege-Konzept, was aber natürlich jetzt erst mal umgesetzt werden muss. Das heißt, die Wanderwege sind zum Teil noch nicht so toll ausgeschildert und noch nicht so toll wanderbar. Dazu brauchen wir noch Mittel, die wir beantragt haben über einen sogenannten Mauer-Fonds.

    Geers: Wann wäre das denn fertig?

    Kretschmer: Das hängt jetzt davon ab, wie schnell wir die Mittel genehmigt bekommen. Das ist so ein Fonds, wo Mittel reingeflossen sind aus verkauften Mauer-Grundstücken, und wir rechnen damit, dass wir jetzt im Sommer die Zustimmung bekommen. Und dann sollen eben die Wanderwege noch besser ausgeschildert werden, teilweise auch entsprechend hergerichtet werden. Dann sollen Parkplätze dort an allen Anliegergemeinden entstehen. Wir rechnen mit wesentlich mehr Autoverkehr, der jetzt kommt. Ganz banale Dinge wie Toilettenhäuschen, oder auch ein kleiner Imbiss, woraus sich dann später vielleicht mal Gaststätten entwickeln sollen. Sie müssen ja wissen: das ist ein Gebiet, wo Tourismus bisher so gut wie gar keine Rolle spielte. Da kamen nur, ich sage mal, Außerirdische hin, also Leute, die besonders um dieses Highlight, um diese tollen Wälder wussten. Das waren überwiegend Biologen, die sich das anschauten. Jetzt werden wir wahrscheinlich überrascht sein, wie viele Menschen dieses tolle Gebiet sehen wollen, die zu den normalen Touristen zählen.

    Geers: Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie denn?

    Kretschmer: Das ist schwer zu sagen, aber ich rechne schon am Wochenende zumindest mit zunächst erst mal 1000 bis vielleicht 5000. Das können wir aber jetzt ziemlich schwer abschätzen. Und die Schwierigkeit ist natürlich: Dann werden jetzt ganz viele kommen und werden tolle Dinge erwarten und hoffentlich nicht enttäuscht sein, weil wie gesagt: Infrastruktur ist bisher so gut wie nicht da für Touristen.

    Man kann einen tollen Wald sehen, aber auch hier müssen wir sehr darauf achten, dass natürlich zunächst erst mal die Wanderwege vor allen Dingen in den Randbereichen angenommen werden. Wir wollen jetzt nicht, dass die Menschen dort in Massen durch den gesamten Wald springen.

    Geers: Das ist ja genau das Problem, Herr Kretschmer. Man will auf der einen Seite die Natur den Menschen nahebringen. Auf der anderen Seite sollen die Menschen, wenn sie denn dort sich aufhalten und sich das alles anschauen und neugierig sind, vielleicht auch mit Kind und Kegel anreisen, - sollen die natürlich nicht das, was es zu bestaunen gibt, gleich zertrampeln. Wie wollen Sie dieses Kernproblem jedes Naturschutzgebietes bei Ihnen in den Griff bekommen?

    Kretschmer: Ja, wir haben ja Gott sei Dank noch die Naturwacht und die Naturwächter, die wir noch haben – leider sind die auch in der Zahl zusammengestrichen worden in den letzten Jahren -, und auch Mitarbeiter der Landesforstverwaltung werden uns unterstützen, dass wir damit mindestens an den Wochenenden und, so weit wir das auch können, in der Woche eine Besucherlenkung durchführen und den Leuten sagen, wo sie etwas Besonderes sehen können, wo sie langlaufen können und wo bitte schön auch nicht. Wir haben immerhin eine ganze Menge Großvögel. Da gibt es Adler, da gibt es Kraniche, da gibt es Schwarzstorche und so weiter. Und die sollten möglichst in Ruhe gelassen werden.

    Geers: Es gibt was zu sehen im neuen Weltnaturerbe Grumsiner Forst. Hartmut Kretschmer war das, der für diesen Buchenwald zuständig ist. Und er bereitet sich auf eine Besucherwelle am Wochenende vor. Und man kann mit ihm nur appellieren an alle Besucher: Trampeln sie bitte nicht alles platt.