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Einheitsgrün statt bunter Wiesen

Die Nutzung von Europas Wiesen ändert sich, weshalb die Zahl der Schmetterlinge schrumpft. Nicht nur Wissenschaftler, auch ehrenamtliche Schmetterlingszähler überprüfen den Zusammenhang - und fordern eine buntere Natur.

Von Claudia Euen | 19.08.2013
    Gut eine Viertelstunde ist Dieter Hertrampf zu Fuß unterwegs. Direkt hinter seinem Wohnhaus in Halle-Dölau überquert er eine große Wiese und läuft an Weizenfeldern und kleinen Waldstücken vorbei zu seinem ganz persönlichen Transsekt. Das ist der Ort, an dem er jede Woche eine Stunde lang Schmetterlinge zählt. 500 Meter lang und zehn Meter breit ist das Stück Land, es sei gut geeignet, sagt Hertrampf, weil hier Wildwuchs und Ackerbau aufeinandertreffen.

    "Wir sehen also hier drüben auf der linken Seite die Kulturlandschaft mit dem Getreideanbau, rechts zugewachsen, die alte Bahnstrecke Halle-Dölau nach Hettstedt."

    Dieter Hertrampf ist gut ausgerüstet. In seinem Rucksack hat er ein Tierbestimmungsbuch, Kescher und Erfassungsbogen, in dem er genau verzeichnet, welchen Schmetterling er wo gesehen hat. Alle Daten wird er später in seinen Computer eingeben, damit die Wissenschaftler direkt darauf zugreifen können. Nicht jeden Schmetterling erkennt er auf den ersten Blick.

    "Ich hab auch noch die Möglichkeit mit dem Kescher die Schmetterlinge zu fangen, ohne sie zu verletzen und in einem Glas mir das kurz anzusehen und sie hier vor Ort zu bestimmen."

    Nur ein paar Schritte hat der 66-Jährige zurückgelegt und schon kann er den ersten Erfolg verbuchen. Dabei sind die Witterungsbedingungen heute nicht ideal: Es ist windig und kühl.

    "So, da hab ich schon einen gesehen. Ein kleiner Kohlweißling. Das sind relativ einfache Arten. Den erkenn ich von Weitem an den Merkmalen also, erst mal von der Größe her. Das ist der kleinste unter denen. So, wir gehen mal weiter."

    Dieter Hertrampf ist einer der vielen Hundert ehrenamtlichen Schmetterlingszähler, die europaweit Informationen über die Insekten sammeln. Der ehemalige Biologielehrer interessierte sich schon als Kind für die Tiere mit den bunten Flügeln. Heute macht er sich Sorgen um sie. Außer dem Kohlweißling fliegen nur wenige Arten herum. Manche, die auf seinem Zettel stehen, hat er hier noch gar nicht gesehen.

    ""Dann haben wir hier zum Beispiel die Bläulinge. Die gibt es relativ wenig, obwohl sehr verbreitet sein müssten. Ochsenauge, kennen ja von früher vielleicht, hab ich ganz wenig gesehen. Tagpfauenauge – ich habe also in diesem Jahr so gut wie kein Tagpfauenauge gesehen, was an sich zu bedenken gibt. C-Falter, Landkärtchen - das sind relativ häufige Arten, die aber in dem Transsekt so gut wie nicht mehr aufgetreten sind."

    Hertrampfs Beobachtungen bestätigen die wissenschaftlichen Erkenntnisse: Die Schmetterlingsbestände sind sehr stark zurückgegangen. Elisabeth Kühn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung betreut das Tagfalter-Monitoring in Deutschland, wo seit 2005 Schmetterlinge beobachtet werden. In Großbritannien hingegen werden die Tiere schon seit den 70er-Jahren gezählt. Aufgrund dieser Daten weiß sie, warum es den Faltern auf unseren Wiesen nicht gut geht.

    "Das liegt zum großen Teil an der aktuellen landwirtschaftlichen Nutzung. Es wird viel häufiger gemäht als früher, es werden die Flächen entweder intensiver genutzt oder gar nicht mehr genutzt. Sie fallen brach, das ist dann auch schlecht für die Tiere und auch für die Pflanzen. Also sie verbuschen dann langsam und verschwinden. Man kann also einen Verlust der Grünlandflächen feststellen und zum anderen eine starke Intensivierung."

    Elisabeth Kühn rät zu mehr bewachsenen Wegrändern und bunten Blumenwiesen, die die Nahrungsgrundlage für viele Insekten und eben auch die Schmetterlinge sind.

    "Die traditionelle Pflege der Kulturlandschaft ist eine kleinteilige Pflege und das ist wahrscheinlich auch der Kern des Ganzen. Dass man wegkommt von den riesigen Flächen, die alle gleich bewirtschaftet werden, hin wieder zu kleinteiliger Pflege und Bewirtschaftung."

    Für die Wissenschaftler ist das Sterben der Schmetterlinge ein Zeichen für den Rückgang der Biodiversität. Denn was für die Schmetterlinge gilt, lässt sich auch auf andere Arten übertragen. Dieter Hertrampf hat am Ende aber doch noch eine erfreuliche Begegnung, direkt neben einem Apfelbaum.

    "Oh, ein Admiral. Das ist was ganz Tolles, das ist an sich ein Tagfalter, der aus dem Süden stammt, der aufgrund der Klimaveränderung über die Alpen eingewandert ist. Das ist ein erfreuliches Ergebnis, dass ich mal wieder einen sehe, ich habe lange keinen gesehen. Die sind auch gebunden auch speziell an Obst, wenn fauliges, verdorbenes Obst herumliegt, weil sie daran saugen."