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Einmaliges Modellprojekt

Früher hat es fünf Jahre gedauert, jetzt nur noch eins. Die Antwort auf die Frage: Bin ich als Lehrer geeignet oder untauglich? 16 angehende Grund- und Hauptschullehrer der PH Weingarten können in einem bundesweit einmaligen Modellprojekt schon nach einem Jahr testen, ob sie gute Lehrer werden. Ein Jahr lang Praxis an der Schule mit einem Stundenplan wie der eines Stammlehrers. Und die Erfahrungen sind durchweg positiv. Auch das Stuttgarter Kultusministerium begrüßt das Modellprojekt.

Von Andreas Gottschalkittkau | 17.02.2005
    Katharina Kühnle hat ein Jahr Studium hinter sich und testet in der Klasse 3 der Biberacher Birkendorf- Grundschule, ob sie für den Umgang mit Kindern geeignet ist.

    Ich les euch heut ne Geschichte vor, und könnt Ihr mir folgende Frage beantworten?

    Warum führt nur eine Spur zurück? Darunter ein Bild mit einem gähnenden, alten Löwen, zu dessen Höhle ganz viele Tierspuren führen, aber nur eine zurück in die Freiheit.

    Ein Löwe war alt und müde geworden. Ich werde bald am Hungertuch nagen müssen, wenn ich nicht eine List zu Hilfe nehme. Hat von Euch jemand ne Idee, was der Löwe machen könnte, damit er nicht verhungert?- Vielleicht hat er ja Freunde, und er kann die bitten , ob sie für ihn jagen. Das ist ja eine tolle Idee!

    Die Kinder erfahren schließlich, dass sich der alte Löwe nur krank und matt stellt, damit ihn möglichst viele Tiere besuchen, die er dann alle auffrisst. Nur der schlaue Fuchs erkennt die List, daher führt nur eine Spur zurück. Nach dem Unterricht dann die Beurteilung durch Mitstudenten und Lehrer unter Leitung von Wolfgang Mühlberger vom Seminar für schulpraktische Ausbildung im Kreis Biberach.

    Wie steht jemand vor der Klasse, wie agiert er mit den Kindern, wie liest er die Geschichte vor?- Ich fand den stillen Impuls, den Du am Anfang gegeben hast mit dem Tafelbild sehr gut, somit mussten die Kinder erst mal selber überlegen und sich in das Tafelbild eindenken und da hätte ich mir jetzt noch gewünscht dass eben gerade dieses Hinführen der Spuren, dass das noch ein bisschen im Unterrichtsgespräch herausgeschält worden wäre.

    Die Notwendigkeit für die Änderung der Lehrerausbildung hat der Leiter der Birkendorf- Grundschule, Klaus Bott bei der Reformierung seiner Schule erkannt.

    Was läuft gut, was läuft nicht gut an unserer Schule, wo brauchen wir Veränderungen, und so entstand ein Prozess der Weiterentwicklung unserer Schule. Wer die Qualität der Schulen verbessern will, muss bei der Lehrerausbildung ansetzen, und so fand dieser Punkt Eingang in unser Gesamtmodell für die Schule.

    Gemeinsam mit der Biberacher Mali-Hauptschule, der pädagogischen Hochschule in Weingarten und einem Lehrerseminar im Kreis Biberach läuft dieses Modellprojekt jetzt seit dem Schuljahresbeginn im vergangenen Sommer, und der Grund- und Hauptschullehrer Robert Barthold ist Koordinator dieser vier Institutionen. Und er vergleicht auch seine konventionelle Ausbildung mit diesem neuen Modellprojekt.

    Ich selber hab nach drei, vier Monaten Referendariatszeit gewünscht, noch mal zurückgehen zu können an die Hochschule, weil ich gemerkt hab, was ich eigentlich hätte studieren sollen. Das war mir im Vorfeld so nicht klar, weil mir der Praxisbezug gefehlt hat.

    Auch die Studentin Julia Lubitz ist begeistert, dass sie ganz früh erfahren hat, ob sie als Lehrerin geeignet ist.

    Ich habs gleich am ersten Tag gemerkt, dass es mir liegt, und dass es mir Spaß macht, und ich glaub, die, die jetzt weiterhin dabei sind, denen geht's genauso, sonst würden sie es nicht jeden Tag mit dieser Begeisterung machen.

    Für die Lehrer bedeutet die Betreuung im Praxisjahr einmal eine Mehrbelastung, aber sie profitieren auch davon. Weil sie gezwungen sind, ihren Unterricht neu zu überdenken und eingefahrene Abläufe zu reformieren. Auf vier Jahre ist das Projekt befristet, dann soll es von Fachleuten bewertet werden. Zwei der 16 Studenten haben sich in diesem Praxisjahr bereits vom Lehrerberuf verabschiedet. Das bringt nicht nur eine frühe Umorientierung, sondern spart dem Staat auch eine Menge Geld. Schließlich kostet ein Studiengang pro Person 80.000 Euro. Klau Bott:

    Für mich gibt es keine Alternative, als so ein Praxisjahr, egal ob in der Grund- Hauptschul- Realschullehrerausbildung. Es bleibt zu wünschen, dass die Administrationen, die für diese Dinge zuständig sind, auf dieses Modell aufmerksam werden, und das Modell bundesweit Anklang findet.