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EM-Glosse
Die Plastiksprache des Bundestrainers

Thomas Müller ist eine Ausnahme. Einer, der in Interviews auch mal frei von der Leber weg antwortet, jedes Medien-Training zur inhaltlichen Verwässerung vergisst und präzise auf den Punkt kommt. Ansonsten ist bei der EM vor allem Plastiksprache zu hören - findet unser Autor Jürgen Roth.

Von Jürgen Roth | 02.07.2016
    Bundestrainer Joachim Löw gestikuliert auf der Pressekonferenz vor einem DFB-Logo
    Hat nicht nur seinen eigenen Kopf, sondern auch seine eigene Sprache: Bundestrainer Joachim Löw. (dpa/Rainer Jensen)
    Es ist ein Elend, das man kaum noch wahrnimmt – oder nicht mehr wahrnehmen will. Wenn der Bundestrainer zu sprechen anhebt, geht die Grammatik in die Knie, und die Semantik zerstäubt.
    "Löw ist zweifellos ein besonders inferiorer Kopf", urteilt Eckhard Henscheid, ein Kopf, der "jeden Tag, ja manchmal pro Satz zweimal ‚Wahnsinn‘ sagt – ein Sprachschatz wie ein zurückgebliebenes Kind." Und dieses Kind baut dann zum Beispiel einen solchen Satz zusammen: "Wir können nur an unserer eigenen Seriosität scheitern."
    "Nullgerede à la Merkel"
    Es ist aber nicht bloß das "unheimlich" infantile, automatisierte Geplapper. Löws Nullgerede à la Merkel, dieses technokratische, zerschossene Gewirr, strotzt auch – neben all den Debilvokabeln – vor, wie sie der Linguist Uwe Pörksen nennt, "amorphen Plastikwörtern" und "Amöbenwörtern". "Besser strukturiert sein", "sehr gute defensive Struktur", "super organisiert" – so geht es in einer Tour. Es ist die Sprache einer Geisterwelt, uniform, entleert, entwirklicht.
    Nicht nimmt es da wunder, daß die von Peter Sloterdijk zu "windigen Bürschchen" geadelten Spieler größtenteils affinen Sums absondern. "Der Bundestrainer sagt, was er von mir sehen möchte", rapportiert Julian Draxler, aus Benedikt Höwedes blubbt es heraus: "Letzten Endes geht es gar nicht um mich, letzten Endes geht es ums große Ganze." Das sind Parteiverlautbarungen, dienstbeflissen vorgetragen von bis zur Selbstaufgabe anpassungsbereiten, regredierten, unterwürfigen, moralisch einwandfreien Knaben aus der Retorte. Wo sind die Breitners, die Briegels, die Augenthalers, die Ballacks geblieben?
    "Elf Engel für Jogi" war kürzlich ein Essay im Magazin der Süddeutschen Zeitung überschrieben. "Die Nationalspieler sind glattdiszipliniert wie nie", hieß es weiter, und das verweise auf die "kaum noch aushaltbare Lücke, die zwischen der Verkommenheit des internationalen Fußballgeschäfts und dem moralischen Anspruch an seine Protagonisten klafft".
    Ein fades PR-Produkt
    Die deutsche Auswahl ist keine Fußballmannschaft aus lebendigen Individuen, sie ist ein unerhört wichtigtuerisches und ungemein fades PR-Produkt, ein Playmobil-Team aus plastinierten Seelen mit Preisschildern an der Stirn.
    "Wir haben aktuell nicht den Eindruck, daß es das richtige Zeichen ist, wenn er bei uns dabei wäre", begründete Oliver Bierhoff die Relegation von Max Kruse vor dem Turnier. Bierhoff, dieser Prototyp des smart und harmlos dreinschauenden Unternehmenskommandeurs unserer Tage, der sich damit brüstet, regelmäßig im Silicon Valley herumzuspazieren, hat die Zerstörung des deutschen Fußballs planmäßig betrieben – seine Verwandlung in eine glitzernde, degoutante und bigotte Vermarktungsmaschinerie.
    "Wir müssen das tun, wovon wir überzeugt sind, und dürfen uns nicht treiben lassen von der Frage, ob und wie das ankommt", bekundete Bierhoff jüngst gegenüber dem Spiegel.
    Dann macht mal schön ohne mich.