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Embryo mit drei Eltern

Reproduktionsmedizin. - In Großbritannien hat eine Repoduktionsmedizinerin einen menschlichen Embryo mit drei Eltern, zwei Müttern und einem Vater, vorgestellt. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange bewertet das Experiment im Gespräch mit Gerd Pasch.

15.04.2010
    Pasch: Herr Lange, wem soll durch dieses Verfahren denn eigentlich geholfen werden?

    Lange: Ja, es gibt relativ viele Kinder, die Erbkrankheiten durch Mitochondrien haben, Mitochondrien, das sind die kleinen Zellkraftwerken, die es in jeder Zelle gibt. Und diese Mitochondrien, die zeichnen sich dadurch aus, dass sie eigenes Erbgut haben. Das Haupt-Erbgut, das ist im Zellkern, das sind über 99,9 Prozent. Und weniger als 0,1 Prozent des Erbgut steckt in den Mitochondrien, das wird nur über die Mütter weitergegeben. Und wenn sich dort in diesem Mitochondrien-Erbgut Mutationen anhäufen, dann kommt es zu Erbkrankheiten, bei einem von 250 Kindern ist das der Fall, bei den meisten, das muss man sagen, schwach ausgeprägt, das merkt man kaum. Aber es gibt eben einige Fälle, wo es tatsächlich zu schweren Muskel-Dystrophien, also Muskelschwund kommt, und das soll eben durch diese Technik mit den zwei Müttern verhindert werden.

    Pasch: Wie kommt es denn, dass Embryonen zwei Mütter haben können?

    Lange: Ja, das ist eine besondere Technik, die entwickelt wurde, in Portland in den USA, und in Newcastle in England, da werden im Grunde genommen zwei Eizellen verwendet. Eine von der Eizellenspenderin. Bei dieser Eizelle wird der Zellkern, also 99,9 Prozent des Erbgutes entfernt. Das ist also eine leere Eizelle. Aber die Mitochondrien, sind noch drin. Dann eine zweite Eizelle, die stammt von der eigentlichen Mutter. Diese Eizelle wird durch künstliche Befruchtung befruchtet, und zwar wird die Befruchtung genau in dem Moment abgebrochen, wenn das Spermium des Vaters in den Zellkern eindringt. So hat man einen Zellkern mit dem Erbgut des Vaters und mit dem Erbgut der Mutter, aber noch nicht vereinigt. Und dann wird dieser Zellkern herausgenommen aus der Eizelle und in die leere Eizelle der Spenderin übertragen. Das Ergebnis ist dann, 99,9 Prozent Erbgut von Mutter und Vater, unter 0,1 Prozent Erbgut von der Spenderin. Und das sind eben die gesunden Mitochondrien. Im Grunde hat man erbgutmäßig gesehen nur die gesunden Mitochondrien übertragen.

    Pasch: Die Methode erinnert doch sehr an die Klontechnik, mit der Klonschaf Dolly entstanden ist. Worin liegt denn der Unterschied?

    Lange: Die Technik ist tatsächlich fast identisch. Und das Gefährliche an dieser Technik ist tatsächlich dieses raus und rein eines Zellkerns. Man kennt ja die Bilder mit dieser feinen Pipette, da werden oft auch Schäden bei verursacht. Aber es gibt natürlich einen entscheidenden Unterschied: bei Dolly und bei allem Klonen ist es so, dass das Material aus einer reifen Körperzellen stammt, aus einer Hautzelle, oder bei Dolly aus der Euterzelle. Hier ist es so, dass tatsächlich ein gerade entstandener Embryo verwendet wird. Deshalb ist das Kind, was so auf die Welt kommt, eben kein Klon.

    Pasch: Nun ist immer noch die Rede vom Embryo. Könnte demnächst auch ein Kind mit zwei Müttern geboren werden?

    Lange: Könnte schon. Die Entwicklung wurde in England abgebrochen, weil es auch in England verboten ist. Zumindest ist man sich nicht ganz sicher, ob so ein Kind zur Welt kommen darf. Man muss sich ja überlegen: Erstens, die Methode ist riskant, aufgrund der Klonmethode, die ich eben erklärt habe. Die Schalter im Erbgut liegen teilweise nicht richtig, und das kann zu Problemen führen. Es gibt aber noch etwas anderes: Im Grunde genommen hat man ja hier 0,1 Prozent des Erbguts übertragen, das sind 16 Gene, das ist ja Gentechnik, das sind fremde Gene, die von einem Individuum auf ein anderes übertragen werden können. Und das ist die Keimbahntherapie, die ist in Deutschland verboten, und die ist auch in England, muss man sagen, umstritten. Ich glaube, dass hier erst die Diskussion anfängt und ob wirklich ein Kind mit sozusagen verpflanzten Mitochondrien in den nächsten Jahren zur Welt kommen wird, das kann man bezweifeln.