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Empfehlung - ja! Entscheidung - nein!

Der Gewerkschaftsbund kritisiert insbesondere die Zusammensetzung der Hochschulräte. Die Gewerkschaften seien in dem Gremium im Vergleich zu Wirtschaftsvertretern unterrepräsentiert. Der DGB-Bildungsexperte Matthias Anbuhl plädiert dafür, die Räte durch Kuratorien mit weniger Entscheidungsbefugnissen zu ersetzen.

Manfred Götzke sprach mit Matthias Anbuhl |
    Manfred Götzke: Hochschulräte: Für die einen sind sie das Nonplusultra, um Hochschulen mehr Selbstbestimmung und Freiheit gegenüber der Landespolitik zu verschaffen, für die anderen sind sie der Gipfel einer Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebs, denn die Räte sollen nach dem Prinzip von Aufsichtsräten die Leitungen der Hochschulen überwachen, ja, und sie sind mit Vertretern der Wirtschaft besetzt, nicht nur, aber auch. Der Deutsche Gewerkschaftsbund gehört zu diesen Kritikern und fordert jetzt in einem Papier die Abschaffung der Hochschulräte. Matthias Anbuhl ist Bildungsexperte des DGB. Herr Anbuhl, jetzt sind ja auch Gewerkschaften in den Hochschulräten vertreten, können Sie sich da gegenüber den Unternehmen nicht durchsetzen oder warum wollen Sie die unbedingt abschaffen?

    Matthias Anbuhl: Also, erst mal muss man sagen, dass zwar auch Gewerkschaften vertreten sind, aber deutlich unterrepräsentiert. Das heißt, Hochschulräte sind überhaupt plural zusammengesetzt, sondern wir haben zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen mal erhoben, dort sind zwei bis drei Prozent der Vertreter Gewerkschaftsvertreter, kaum studierende Vertreter, aber jede Menge Vertreter aus den Konzernen. Insofern ist unsere Kritik eigentlich an den Hochschulräten, dass wir sagen, wir sind nicht plural zusammengesetzt, und das ist auch einer der Gründe, weshalb wir sagen, wir wollen lieber ein anderes Konstrukt haben, wir wollen Kuratorien haben mit weniger Entscheidungsbefugnissen, die mehr einen Beratungs- und Empfehlungscharakter haben und plural zusammengesetzt sind eben. Und das soll festgelegt werden in den Hochschulgesetzen.

    Götzke: Nun wird ja im Rahmen der Kritik an den Hochschulräten immer wieder die Ökonomisierung der Hochschulen vorgebracht, aber da könnte man ja sagen, das hängt ja vielleicht mit der Zusammensetzung der Räte und nicht deren Existenz zusammen. Man könnte ja auch sagen, wie das ja auch bei Aufsichtsräten der Fall ist, man besetzt die mit Vertretern aus der Wissenschaft von jeweils anderen Hochschulen, um einen möglichen Fremdeinfluss einzudämmen. Könnten Sie sich so was auch vorstellen?

    Anbuhl: Also, es gibt im Prinzip zwei Kritikpunkte, die wir haben an den Hochschulräten. Das eine ist, dass mit der vorherrschenden Form der Hochschulräte, so wie sie es in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen gibt, erstmal die demokratischen Gremien, die Mitbestimmung an den Hochschulen geschmälert wird. Und die zweite Frage ist eben die der nicht repräsentativen Zusammensetzung, der zweite Kritikpunkt ist das. Und was wir uns schon vorstellen könnten, ist, dass wir sagen, wir richten statt der Hochschulräte Kuratorien ein, in denen es, die dann wirklich nur Beratungs- und Empfehlungsbefugnisse haben und in denen es dann eine plurale Zusammensetzung gibt. Also, nach unserer Vorstellung wären das dann drei Bänke: Eine Bank ist vonseiten des Staates, das heißt, Ministerium und Abgeordnete, eine Hochschulbank, sozusagen organisiert wie so ein kleiner akademischer Senat, das heißt, mit Professoren, Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeitern und sonstigen Mitarbeitern, und dann eben als Drittes paritätisch besetzt eine öffentliche Bank, wo dann auch Arbeitgeber, Gewerkschaften gesetzlich aber festgeschrieben sind dann.

    Götzke: Jetzt haben Sie ja auch gerade schon genannt, Ihr Problem mit den Hochschulräten ist die Tatsache, dass die so viel Einfluss haben, zumindest in einigen Bundesländern. Was soll denn ein solches Kuratorium, wie Sie es vorschlagen, tun dürfen und was nicht?

    Anbuhl: Also, ich möchte mal ein Beispiel erst mal für den zu großen Einfluss der Hochschulräte benennen: Das ist zum Beispiel jetzt in NRW, dort können die Hochschulräte, die externen Hochschulräte die Hochschulleitungen wählen. Und sie können das machen und der Senat letzten Endes, in dem eigentlich die Gruppen der Hochschulen ihre Mitglieder entsenden, kann dem nur noch zustimmen. Und selbst, wenn der Senat die Zustimmung verweigert, kann letzten Endes der Hochschulrat den Senat überstimmen. Das heißt, Externe überstimmen die interne Mitbestimmung. Das geht aus unserer Sicht gar nicht in dem Sinne. Hier sollte es unserer Meinung nach so aussehen, dass man sagen kann, Beratung und Empfehlungen kann er aussprechen und kann dann ein Initiativrecht haben im Senat und ein Anhörungsrecht und dort seine Vorschläge einbringen als Vertreter der Gesellschaft und als Vertreter der Politik. Aber wie gesagt, keine Letztentscheidungskompetenzen!

    Götzke: Ein Ziel der Einführung von Hochschulräten war ja, die Autonomie der Hochschulen gegenüber den Ländern, gegenüber der Politik zu erhöhen. Halten Sie das denn für sinnvoll?

    Anbuhl: Also, die Autonomie der Hochschulen gegenüber den Ländern zu erhöhen ... Bisher ist durch die Hochschulräte eigentlich eher die Autonomie der Hochschulräte und der Hochschulleitung gestärkt worden, während der Rest eigentlich der Gruppen der Hochschulen in den Mitbestimmungsrechten und in seiner Autonomie beschnitten wurde. Das heißt, das Hochschulfreiheitsgesetz ist ein Freiheitsgesetz für die Wirtschaft und für die Hochschulleitung. Für den Rest der Universität oder der Hochschule ist es nicht interessant in dem Sinne. Insofern bin ich der Meinung: Ich bin für Hochschulautonomie, aber in dem Sinne, dass es nicht um die Institution Hochschule oder um die Hochschulleitung geht, sondern um die Freiheit der Wissenschaft letzten Endes, die garantiert werden muss. Und das kann man mit dem Konzept der unternehmerischen Hochschule schlechterdings nicht machen.

    Götzke: Sie wollen – so formulieren Sie das ja in Ihrem Papier – mehr Demokratie an der Hochschule wagen. Wie könnte das erfolgen?

    Anbuhl: Also, erstens mal wollen wir die alte Gruppenuniversität nicht wieder eins zu eins beleben, sondern wieder stärken, indem wir sagen, keine Gruppe, das heißt, Professoren, Studierende, Mitarbeiter, darf die andere überstimmen. Diese wollen wir weiter haben, und wir wollen die Zivilgesellschaft einbinden eben über Hochschulkuratorien, die wir haben, die aber dann eben nur Beratungs- und Empfehlungscharakter haben.

    Götzke: Der DGB will die Hochschulräte abschaffen und so mehr Demokratie wagen, sagt Matthias Anbuhl, Bildungsexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.



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