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Energie für den Schrittmacher

Technik. - Jährlich werden in Deutschland mehr als 70.000 Herzschrittmacher implantiert. Nach 8,5 Jahren muss das Implantat ersetzt werden, weil die Batterie erschöpft ist. In Freiburg arbeiten deshalb Forscher an einer Brennstoffzelle, die aus der Körperflüssigkeit Strom erzeugen und so medizinische Implantate für unbegrenzte Zeit mit Strom versorgen sollen.

Von Philipp Hummel | 08.09.2011
    In dem Labor, das Sven Kerzenmacher am Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg leitet, stehen große Glaskolben mit einer sterilen Glukoselösung. Der Glukose- und Sauerstoffgehalt der Lösung ist so dosiert, dass er der Konzentration im Körpergewebe entspricht. Denn Sven Kerzenmacher will aus der Glukose und dem Sauerstoff im Körpergewebe mit einer Brennstoffzelle Strom erzeugen. Künftig sollen mit einem solchen Kraftwerk im Körper Implantate wie Herzschrittmacher betrieben werden.

    "Im Körper sind normalerweise immer Glukose und Sauerstoff vorhanden, und es ist eine naheliegende Idee aus dem körpereigenen Brennstoff Glukose dann Strom für einen Herzschrittmacher zu machen."

    Die Idee einer autarken Energieversorgung für medizinische Implantate ist nicht neu. Frühe Herzschrittmacher besaßen Batterien, die regelmäßig von außen aufgeladen werden mussten. Schon in den sechziger Jahren reiften alternative Ansätze heran, um das Aufladen oder gar operative Austauschen der Batterien zu vermeiden. In den siebziger Jahren begannen private Unternehmen implantierbare Glukosebrennstoffzellen für die Stromversorgung von Herzschrittmachern zu erforschen.

    "Die haben auch erste Versuche im Tier gemacht und gezeigt, dass so eine Brennstoffzelle fünf Monate lang funktioniert und genug Energie für einen Herzschrittmacher liefern kann, ohne dass es dem Tier schlecht geht, ohne dass es der Brennstoffzelle schlecht geht. Die Versuche in diese Richtung wurden dann abgebrochen, als die Batterietechnologie einen großen Entwicklungsschritt gemacht hat."

    Es hat sich aber gezeigt, dass viele Patienten im Laufe ihres Lebens einen zweiten oder dritten Herzschrittmacher benötigen, weil die Batterie-Lebensdauer von zehn Jahren oft nicht ausreicht. Außerdem gibt es mittlerweile viele weitere Implantate, die mit Strom versorgt werden müssen - zum Beispiel das Cochlea-Implantat. Eingebaut in die Hörschnecke, stimuliert es den Hörnerv durch elektrische Signale, so dass Taube mit intaktem Hörnerv wieder hören können. In der Regel wird es schon Kindern eingesetzt, das heißt, wer auf ein solches Implantat angewiesen ist, ist es üblicherweise ein ganzes Leben lang. Bisher müssen Cochlea-Patienten eine externe Batterie am Kopf tragen.

    "Wenn man es schaffen könnte, dass man für das Cochlea-Implantat die Energie im Körper zur Verfügung stellt, wäre das ein Riesengewinn für die Patienten."

    Zentrale Bestandteile einer Glukose-Brennstoffzelle sind die Elektroden. Hier entsteht durch eine chemische Reaktion elektrische Energie.

    "Eine Elektrode der Brennstoffzelle, die ist jetzt hier auf einem Keramik-Chip, circa 20 mal 20 Millimeter groß aufgebracht und besteht aus Platin. Und diese Schicht, die Sie sehen, die glänzt zwar, das spiegelt fast schon, die ist aber hochporös."

    Der löchrige Metallfilm besitzt eine innere Oberfläche, die 3000 Mal größer ist als die geometrische Fläche, auf der er aufgebracht wird. In einen 4 mal 4 Zentimeter großen Plastikrahmen eingebaut, dient er in einer Brennstoffzelle als negative Elektrode oder Anode.

    "Da wird die Glukose zu Glukonsäure umgesetzt, dabei werden zwei Elektronen frei. Und diese Elektronen fließen dann über den Verbraucher, das wäre in unserem Fall der Herzschrittmacher zur zweiten Elektrode in der Brennstoffzelle, der Kathode. Die ist auch aus so einer Platinschicht aufgebaut, allerdings nicht so porös. Und dort wird dann Sauerstoff reduziert zu Wasser."

    Die Elektrodenoberfläche der Brennstoffzelle ist einen Quadratzentimeter groß und erreicht eine Leistung von bis zu 5 Mikrowatt, also 5 Millionstel Watt. Das ist sehr wenig, aber ein Herzschrittmacher braucht nur etwa 10 Mikrowatt elektrischer Leistung.

    "Das heißt, wenn wir die Brennstoffzelle ein bisschen größer machen, haben wir genügend elektrische Leistung für einen Herzschrittmacher und unserer Idee ist sogar, wir möchten die Brennstoffzelle wirklich auf die Oberfläche des Herzschrittmachers packen. So das nicht ein separates Gerät implantiert werden muss, sondern der Herzschrittmacher hat sozusagen seine eigene Energie liefernde Oberflächenbeschichtung."

    Auf dem Weg zur implantierbaren Brennstoffzelle muss das Team von Sven Kerzenmacher noch einige Probleme lösen. Sie lauern im Körper des Patienten.

    "Was Sie hier sehen, sind größere Töpfe, in denen befindet sich eine sterile Glukose-Lösung. Das ist aber noch keine Körperflüssigkeit. In der Körperflüssigkeit sind zusätzlich Proteine und insbesondere auch Aminosäuren vorhanden. Wir wissen schon, dass die Aminosäuren die unangenehme Eigenschaft haben, dass sie die Elektroden von unseren Brennstoffzellen zusetzen. Das heißt die Leistung der Brennstoffzelle wird dadurch vermindert und das ist auch gerade das aktuelle Thema: Wie schaffen wir es die Brennstoffzelle von der einfachen Glukoselösung in die Körperflüssigkeit zu bringen?"

    In 10 Jahren so schätzt Sven Kerzenmacher, könnte eine implantierbare Glukosebrennstoffzelle marktreif sein. Bis dahin gilt es das Design zu verbessern und zu testen, ob die Zelle biokompatibel ist, also im Körper funktioniert und nicht von ihm abgestoßen wird. Der Aufwand aber ist gerechtfertigt, meint Kerzenmacher, und zwar auch aus finanzieller Hinsicht.

    "Die Herstellungskosten wie wir sie jetzt hier im Labor haben liegen bei circa 200 Euro, das ist fast vernachlässigbar im Vergleich zu dem Preis einer Operation, die liegt im Bereich von mehreren Tausend Euro."