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Energieexperte: Mehr Kontrolle der Gaswirtschaft

Für Öl gibt es gesetzliche Regelungen einer Mindestbevorratung. Beim Gas sei das bisher versäumt worden, sagt Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Engpässe erwarte er zwar nicht, dennoch müsse es künftig eine gesetzliche Vorschrift für die Gewährleistung der Gasreserven geben.

Aribert Peters im Gespräch mit Jule Reimer | 26.08.2013
    Jule Reimer: Mögen die Nordländer noch Sonne genießen, in der Mitte und im Süden Deutschlands sorgen die Temperaturen und Regen jedenfalls dafür, dass mancher schon übers Heizen nachdenkt. Doch genau das könnte möglicherweise für Gaskunden mal wieder teurer werden, diese Frage stellt sich jedenfalls, wer die aktuelle Ausgabe des "Spiegel" liest. Dort warnt ein großer Gasnetzbetreiber vor Engpässen, weil die Tanks und Kavernen jetzt, fünf Wochen vor der Heizperiode, nur zu 70 Prozent mit Gas gefüllt seien. Am Telefon ist Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher. Herr Peters, läuten bei Ihnen die Alarmglocken?

    Aribert Peters: Grüß Sie, Frau Reimer! Nein, ich halte die Befürchtungen hier für überzogen. Die Gasspeicher langen für 80 Prozent, wenn sie voll gefüllt sind. Sie sind noch zu über 60 Prozent gefüllt, das heißt, wir haben noch gute Reserven. Und diese Reserven werden ja nur dann gebraucht, wenn einmal ein Lieferland ausfällt. Selbst wenn aus Russland das Gas ausfallen sollte, aus Russland bekommen wir halt viel Gas, aber auch eben nicht alles. Wir bekommen aus Russland 30 Prozent. Selbst wenn dieses Gas ausfallen sollte, haben wir noch Norwegen und die Niederlande als Lieferländer, und wir haben die Kavernen, die dann immerhin noch zur Hälfte gefüllt sind. Also zur Hälfte hieße, noch für gut 40 Tage. Insofern habe ich keine Angst, dass wir ohne Gas im Winter dastehen.

    Reimer: Können Sie sich denn erklären, warum die Reserven eben schlechter aufgefüllt sind? Die Betreiber geben ja offenbar an, dass zum Befüllen der Tanks und Kavernen aus technischen Gründen mehrere Monate notwendig seien. Die Zeit habe halt nicht gereicht?

    Peters: Das ist plausibel einerseits, andererseits hatten wir ja auch einen langen Winter. Man sollte, denke ich, hier keine Katastrophe an die Wand malen. Richtig sind die Bedenken aus einem anderen Grund. Anders als beim Öl, ist beim Gas, gibt es keine gesetzliche Mindestbevorratung. Das heißt, die Firmen, die Kavernenbetreiber, bewirtschaften diese Kavernen in eigener Regie, und es gibt keine Vorschrift, die jetzt vorschreibt, dass eine gewisse Mindestgasmenge einzulagern ist. Das ist falsch, hier muss natürlich auch eine gesetzliche Vorschrift, eine gesetzliche Kontrolle her, die gewährleistet, dass wir Mindestgasreserven auch ständig haben. Das darf man nicht in das Belieben der Gaswirtschaft überlassen, wie es derzeit der Fall ist.

    Reimer: Das heißt, Sie möchten es wie beim Erdgas regeln?

    Peters: Man muss hier eine gesetzliche Regelung machen. Das hat man versäumt, und das muss dringend nachgeholt werden, ähnlich wie beim Erdöl.

    Reimer: Früher haben ja große Unternehmen den Handel, den Transport und den Vertrieb zusammen kontrolliert. Regierungen und EU-Kommission haben viel unternehmen müssen, um deren Marktmacht zu brechen. Waren diese Mono- oder Oligopolisten möglicherweise besser aufgestellt, um die Versorgung zu sichern?

    Peters: Natürlich war es einfacher, wenn jetzt Ruhrgas sowohl das Leitungsnetz als auch die Speicher betrieben haben, da wusste eine Firma genau, was passiert. Jetzt ist das alles aufgebrochen und viel komplizierter, und keiner der Akteure fühlt sich eigentlich jetzt relativ zuständig, verantwortlich. Und eben deshalb muss der Staat hier auch ran, muss diese Verantwortlichkeit eindeutig regeln. Das ist ganz klar. Es gibt zwar einen Notfallplan Gas der Bundesregierung, der nach EU-Recht aufzustellen ist, aber der tritt ja erst in Kraft, wenn eine Gefahrensituation, wenn eine Verknappungssituation sich abzeichnet, was derzeit nicht der Fall ist.

    Reimer: Aber zurück zu diesen Großstrukturen möchten Sie nicht?

    Peters: Das hat schon Sinn natürlich, wir sehen ja auch, dass wir die Ölpreisbindung der Gaspreise losgeworden sind, dass die Gaspreise über Jahre gefallen sind. Und während früher eben die Ölpreise deutlich unter den Gaspreisen liegen, liegen heute die Ölpreise über den Gaspreisen. Das ist ein Erfolg der Liberalisierung, und das ist auch eine gute Sache für die Verbraucher.

    Reimer: Beim Strompreis wird ja derzeit diskutiert, ob die Versorger die großen Preissenkungen, die bei der Erzeugung mittlerweile auftreten, an die Versorger weitergeben oder wie sie, sagen wir mal, dazu gebracht werden könnten, das weiterzugeben. Müssen wir das auch beim Gas diskutieren?

    Peters: Beim Gas ist es ja schon so der Fall, dass die Gasversorger an den Spot-Märkten sich eindecken und diese Einkaufsvorteile auch im Markt auch an die Verbraucher weitergegeben haben. Und wir haben ja auch stabile Gaspreise für Verbraucher. Das ist an und für sich hier im Gas weniger ein Problem als beim Strom.

    Reimer: Wie lautet Ihre Prognose für den Gaspreis?

    Peters: Die Experten, und denen mag ich mich gerne anschließen, sehen eigentlich eher eine stabile Gaspreisbewegung, das heißt, wir erwarten nicht, dass es hier zu wesentlichen Gaspreissteigerungen innerhalb der nächsten Monate kommen mag.

    Reimer: Schönen Dank! Das war Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher, und er sagt, keine Panik, das Gas wird für diesen Winter schon ausreichen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.