Montag, 06. Mai 2024

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Entlassung von FBI-Chef Comey
"System von Checks and Balances wird eigenes Urteil darüber fällen"

Die Entlassung von FBI-Chef James Comey durch US-Präsident Donald Trump sei eine inneramerikanische Angelegenheit, die keine deutsche Einmischung erfordere, sagte der Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Beziehungen, Jürgen Hardt, im DLF. Es sei angesichts der kommenden Parlamentswahlen spannend, wie sich die Abgeordneten positionieren.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Silvia Engels | 10.05.2017
    CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt
    CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt (dpa/picture alliance)
    Silvia Engels: Diejenigen, die in den letzten Wochen hofften, US-Präsident Trump werde nach und nach berechenbarer, sind seit der Nacht eines Besseren belehrt. Völlig überraschend hat der Chef im Weißen Haus den FBI-Chef James Comey entlassen. Angesichts der Tatsache, dass James Comey derzeit unter anderem mögliche Verbindungen zwischen dem Wahlkampfteam von Donald Trump zu Russland untersucht, eine mehr als heikle Entscheidung.
    Der Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen ist Jürgen Hardt. Er gehört der CDU an und er ist nun am Telefon. Guten Tag, Herr Hardt.
    Jürgen Hardt: Guten Tag, Frau Engels.
    Engels: Haben Sie seit dieser sehr überraschenden Entscheidung Trumps schon irgendeinen Kontakt nach Washington in Betrieb nehmen können?
    Hardt: Ich hatte mein letztes Gespräch mit einem Abgeordneten aus Amerika am Montag, vorgestern hier in Deutschland, mit einem republikanischen Abgeordneten. Ich habe aber jetzt nach dieser Entscheidung noch keinen weiteren Kollegen gesprochen. Ich kenne allerdings den republikanischen Senator Sasse, der aus Nebraska stammt und der im Übrigen deutsche Wurzeln hat, von früheren Besuchen in Deutschland, und das ist ja eine Stimme aus den republikanischen Reihen, die diese Entscheidung schon massiv kritisiert.
    "Inneramerikanische Angelegenheit"
    Engels: Wie will die Bundesregierung sich nun aufstellen, denn Donald Trump betritt damit ja nun einen Bereich, der ihn auch persönlich möglicherweise angreifbar macht?
    Hardt: Das ist natürlich inneramerikanische Angelegenheit, wie das Parlament, wie Senat und Kongress, wie die amerikanische Öffentlichkeit, wie die amerikanische Justiz mit dieser besonderen Situation umgeht. Es hat ja in der amerikanischen Geschichte eine ganze Reihe von Beispielen gegeben, dass der Kongress, das Parlament extrem sensibel reagiert, wenn der Präsident im Bereich der Ermittlungstätigkeit in Strafsachen agiert.
    Wir haben ja auch vor einigen Wochen seine abfälligen Äußerungen über amerikanische Richter gehört, über die unabhängige Justiz. Ich glaube, dass die Senatoren und Kongressmitglieder, auch die republikanischen, nicht nur die Demokraten, natürlich hoch sensibilisiert sind, dass die amerikanische Öffentlichkeit das überhaupt nicht schätzt, wenn unabhängige Ermittlungen in irgendeiner Weise beeinflusst werden, und dieser Verdacht steht ja in diesem Zusammenhang im Raum. Von daher wird es in den nächsten Tagen sehr spannend werden, wie sich das Parlament gegenüber dem Präsidenten positioniert.
    Engels: Schauen wir noch mal genau auf diesen Aspekt, den Sie ansprechen. FBI-Chef Comey hat ja gerade in der Frage ermittelt, ob und wie eng die Führungsspitze rund um Donald Trump im Wahlkampf mit Russland kooperiert hat. Donald Trump, derjenige, der gerade kontrolliert wird, entlässt denjenigen, der ihn kontrolliert. Bewegt sich Trump damit noch im Rahmen der Kompetenzen des Präsidenten?
    Hardt: Trump hat ja selbst ausdrücklich betont, Comey hätte ihm versichert, gegen ihn werde nicht ermittelt. Das muss in Amerika aufgeklärt werden. Wir haben ja gerade in dem Bericht, den Sie vorab geschaltet hatten, die etwas wackelige Aussage vor dem Senatsuntersuchungsausschuss dazu gehört. Das ist eine Sache, die Amerika mit sich selbst ausmachen muss.
    Ich glaube, jenseits der juristischen Frage stellt sich für die Abgeordneten, insbesondere für die republikanischen Abgeordneten die Frage, ob sie mit einer Unterstützung dieses Präsidenten tatsächlich eine Chance haben, in anderthalb Jahren wiedergewählt zu werden. Sie müssen ja wissen: In Amerika sind alle zwei Jahre Parlamentswahlen. Jeder republikanische Abgeordnete ist praktisch schon in einer Art Vorwahlkampf, der dann im November des nächsten Jahres zur Komplettwahl des Abgeordnetenhauses führt.
    Und die republikanischen Abgeordneten werden früher oder später die Frage beantworten müssen, ob sie an der Seite Trumps, oder möglicherweise in kritischer Distanz zu Trump eine bessere Chance haben, wiedergewählt zu werden. Und diese Diskussion jetzt, die könnte ein solcher Punkt sein, an dem sich das herauskristallisiert, wo begeben sich die Abgeordneten in ihrer Positionierung hin? Deswegen, glaube ich, wird das in den nächsten Tagen sehr spannend.
    "In der Anhängerschaft Trumps kein großer Aufreger"
    Engels: Wagen Sie eine Einordnung, wohin sich die Mehrheit der republikanischen Abgeordneten in diesem Punkt bewegt?
    Hardt: Ich glaube, dass gerade republikanische Wähler, die republikanische Abgeordnete wählen, einen hohen Respekt vor der Unabhängigkeit von Ermittlungsbehörden und auch vor der rechtsprechenden Justiz haben. Die Anhängerschaft von Trump sieht das möglicherweise etwas anders. Gegenüber seiner Anhängerschaft wird Trump das darstellen als weiteren Fall, wo er hart durchgreift gegen den Filz und das Establishment in Washington. Immerhin ist ja der FBI-Direktor vor zwei Jahren von Obama eingesetzt worden.
    Im Januar wurden noch Hände geschüttelt: Donald Trump und James Comey.
    Im Januar wurden noch Hände geschüttelt: Donald Trump und James Comey. (imago/ZUMA Press)
    In der eigenen Anhängerschaft Trumps selbst, könnte ich mir vorstellen, ist das gar kein so großer Aufreger. Aber die republikanischen Abgeordneten sind schon angewiesen auf die Unterstützung der klassischen republikanischen Wähler und vor allem auch der republikanischen Parteistrukturen, denn die müssen sie wieder aufstellen. Die müssen ja auch in Vorwahlen sich gegebenenfalls qualifizieren, dort wo es strittig ist. Von daher ist das schon eine spannende Entwicklung, der wir entgegensehen.
    Ich würde mir wünschen, dass der amerikanische Präsident jetzt spätestens, wenn er den russischen Präsidenten im Juli trifft keinen Zweifel an seiner klaren und unabhängigen Linie gegenüber Russland hat. Ich habe den Eindruck, dass die neue amerikanische Regierung da eher in der Tradition der Obama-Administration sich wiederfinden wird, kritisch zu Putin, kritisch zur Syrien-Politik, kritisch zur russischen Ukraine-Politik, und Trump hat die Chance, das spätestens Anfang Juli auf dem G20-Gipfel, wo er Putin treffen wird, dann sich entsprechend zu positionieren.
    "Es bedarf keines deutschen Rates"
    Engels: Herr Hardt, würden Sie der Bundeskanzlerin raten, zum Telefonhörer zu greifen und Herrn Trump auf diese Problematik hinzuweisen, die sich grundsätzlich durch die Entlassung von Comey ergibt?
    Hardt: Ich glaube nicht, dass es klug wäre, wenn sich deutsche Regierungsinstitutionen in diese internen Dinge einmischen. Das was ich jetzt ausgeführt habe, ist ja auch eher eine Analyse dessen, was ich vermute, was dort jetzt vorgeht. Ich glaube, das amerikanische System von Checks and Balances, auch die Stärke des Senats und des Abgeordnetenhauses ist nach wie vor ungemindert.
    Und das System von Checks and Balances wird sein eigenes Urteil über diese Entscheidung, den FBI-Direktor zu entlassen, treffen. Insofern bedarf es keines deutschen Zuspruches oder Rates, wenn es um die Positionierung Amerikas in außenpolitischen Fragen geht. So glaube ich, dass der amerikanische Präsident auch den Rat der Bundeskanzlerin schätzt und achtet, insbesondere wenn es um Russland geht, und es wäre gut, wenn es dabei bliebe.
    Engels: Jürgen Hardt, der Koordinator für die transatlantischen Beziehungen der Bundesregierung von der CDU. Vielen Dank für das Gespräch heute mittag.
    Hardt: Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.