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Entwicklerkonferenz f8
Facebook sucht die harte Realität

Facebook setzt auf seiner f8-Entwicklerkonferenz den Schwerpunkt auf die virtuelle, die erweiterte Realität, etwa mittels entsprechender Brillen. Dahinter steckt der Wunsch nach noch mehr Nutzerdaten, das Eindringen in jeden Lebensbereich der Nutzer - ein durchaus totalitärer Ansatz.

Von Achim Killer | 22.04.2017
    Ein Facebook-Logo ist am Fenster eines Hauses zu sehen
    Facebook: Vordringen in die privatesten Lebensbereiche der Nutzer. (AFP / Tobias Schwarz)
    Manfred Kloiber: Facebooks f8-Entwicklerkonferenz diese Woche in San Jose – Informationen von Achim Killer waren das. Mit ihm bin ich jetzt verbunden. Achim, die virtuelle oder die augmented - die erweiterte - Realität im Zentrum der Konferenz eines sozialen Netzwerks – ergibt das einen Sinn?
    Achim Killer: Schon. Facebook hat ja 2014 so richtig eingekauft: WhatsApp für 19 Milliarden. Klar! Nach Facebook selbst die beliebteste Kommunikationsplattform. Aber der Konzern hat sich damals auch den Hersteller von VR-Brillen Oculus zwei Milliarden kosten lassen. VR war zwar auch damals schon hype. Aber was ein soziales Netzwerk damit anfangen will, das war damals nicht so richtig einsichtig – also mir zumindest nicht. Jetzt ist raus – nach dieser f8: Facebook will sein Kommunikationsgeschäft - und das heißt bei dem Unternehmen ja immer auch das Geschäft mit den persönlichen Daten der Leute, die kommunizieren – um die virtuelle Realität erweitern. Das ist meines Erachtens schon eine sehr konsistente Strategie.
    Kloiber: Facebook wollte ja auch Snapchat übernehmen. Und etliche Beobachter der diesjährigen f8 sagen, vieles von dem, was Facebook da gezeigt hat, hat es von Snapchat - oder Snap, wie das Unternehmen jetzt heißt - abgeschaut. Macht der Konzern jetzt selbst, was er nicht hat einkaufen können?
    Killer: Das wäre, glaube ich, zu kurz gegriffen. Das Besondere an Snapchat sind ja Bilder, die nur eine bestimmte Zeit zu sehen sind. Ja, und diese Bilder kann man dann anreichern – mit Masken und allen möglichen Spielereien. Wenn man so will, ist das schon eine Form von erweiterter Realität. Und Unternehmen können ja auch Anzeigen quasi als Realitätserweiterung bei Snapchat schalten. Bei Facebook ist es umgekehrt. Facebook geht es nicht um irgendwelche Erweiterungen, sondern Facebook geht es um die Realität.
    Kloiber: Das müssen Sie erläutern.
    Alle Bereiche des Lebens erfassen
    Killer: Na ja. SLAM heißt die Plattform, die Facebook entwickelt, simultaneous localization and mapping. Dabei geht es zunächst darum, genau zu erfassen, wo in der ganz gewöhnlichen Realität sich bestimmte Gegenstände befinden. Und darum, zu erkennen, um was für Gegenstände es sich dabei handelt. Die Realität zu erkennen, ist einerseits Voraussetzung dafür, um sie sinnvoll ergänzen zu können - mehr oder weniger sinnvoll halt. Aber von der Realität, um die es dabei geht, hat Facebook eben bisher kaum etwas erfahren, weil die Leute sie für zu banal halten, als dass sie darüber sehr viel posten würden. Wenn jemand eine Katze hat, dann weiß das Facebook natürlich längst, weil er davon sicherlich viele Bilder hochgeladen hat. Nicht aber, ob jemand einen ständig überquellenden Mülleimer in der Wohnküche stehen hat, weil in seinem Haushalt so viele volle Windeln anfallen. An solchen harten, geldwerten Informationen ist Facebook interessiert und nicht daran, ob jemand über seine Kaffeetasse ein Dampfwölkchen hinklickt oder ein Stinke-Wölkchen über einer vollen Windel. Und Facebook ist existentiell darauf angewiesen, seine Informationsbasis zu verbreitern.
    Kloiber: Die ist doch nun aber wirklich breit genug. Immerhin nutzen zwei Milliarden Surfer weltweit Facebook und weit über eine Milliarde WhatsApp.
    Killer: Ja eben, mehr geht kaum. Die meisten, die jetzt noch nicht bei Facebook sind haben wahrscheinlich andere Sorgen. Die sind an möglichst kurzweiligen virtuellen Plaudereien wohl dauerhaft nicht interessiert. Unternehmen aber müssen wachsen. Und im Fall von Facebook heißt das: mehr Informationen sammeln. Informationen über mehr Leute, geht kaum noch. Also müssen mehr Informationen über die einzelnen Nutzer her.
    Kloiber: Mark Zuckerberg hat davon gesprochen, dass jetzt das zweite Kapitel in der Konzerngeschichte beginne. Ist das das bei solchen Konferenzen übliche Pathos? Oder hat das einen realen Hintergrund?
    Killer: Im Zweifel: beides. Also es ist schon was dran. Bisher hat Facebook versucht, die gesamte bestehende Kommunikation im Netz an sich zu ziehen. Jetzt versucht der Konzern, alle Bereiche des Lebens zu erfassen, auch die bislang außen vor geblieben sind. Lebensbereiche, die abgeschottet sind vom Netz. Das ist schon ein sehr umfassender Ansatz. Oder das Fremdwort dafür ist: totalitär.
    Kloiber: Über die Facebook Entwicklerkonferenz f8 diese Woche in San Jose berichtete Achim Killer, danke!