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CDU-Politiker Michael Fuchs
"Ich war immer in einer zeitlichen Zwangsjacke"

"Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung getroffen haben", sagte CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs im Dlf über seinen Abschied aus der aktiven Politik. Nach 15 Jahren freue er sich auf lange entbehrte Freiheiten: ohne Zeitkorsett leben, Liegengebliebenes erledigen und reisen, sagte der 69-Jährige.

Michael Fuchs im Gespräch mit Dirk Müller | 27.12.2017
    Michael Fuchs, stellvertretender Unions-Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag.
    Michael Fuchs will sind endlich auch Berlin in Ruhe ansehen - abseits des Regierungsviertels. (imago / Jürgen Heinrich)
    Dirk Müller: Es sind viele namhafte Politiker nicht mehr angetreten bei den Bundestagswahlen in diesem Herbst, zum Beispiel Wolfgang Bosbach, CDU. Er gehört dazu, die Grüne Bärbel Höhn, oder auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU, Johannes Singhammer, CSU. Und auch der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs hat nach 15 Jahren Parlament gesagt, genug ist genug. Wir haben hier im Deutschlandfunk viele Interviews morgens früh mit Michael Fuchs geführt, auch weil er in zahlreichen kritischen Situationen für seine Partei fast immer bereit war, Rede und Antwort zu stehen. Nun reden wir über ihn, an diesem 27. Dezember 2017. Guten Morgen, Herr Fuchs!
    Michael Fuchs: Guten Morgen, ich grüße Sie!
    Müller: Wie geht es ohne Politik?
    Fuchs: Ich kann mich bis jetzt nicht beschweren, mir geht es ganz gut. Ich habe jetzt eine ganze Reihe von Dingen auch mal erledigt, die liegengeblieben sind. Wissen Sie, wenn man 15 Jahre und vor allen Dingen in den letzten acht Jahren sehr intensiv Politik betrieben hat, dann bleibt halt privat eine Menge liegen. Und als ich dann nach Hause gekommen bin und habe diesen ganzen Haufen gesehen, ist mir erst schlecht geworden. Da hab ich gedacht, Mensch, vielleicht wäre ich doch besser in Berlin geblieben. Aber ich bin jetzt dran, arbeite das alles auf und ab und freue mich eigentlich, dass ich jetzt ein bisschen mehr Zeit habe. Das war eigentlich der wesentliche Grund. Ich meine, ich bin fast 69 Jahre alt, und so langsam aber sicher wird es Zeit, dass man etwas kürzer tritt.
    Müller: Sie waren ja, wie Sie das gerade auch andeuten, ja dann alltagsentwöhnt. Was hat Ihnen denn die größten Schwierigkeiten bereitet?
    Fuchs: Man kann nicht sagen, Schwierigkeiten bereitet. Ich habe halt einfach die Dinge, die ich gemeint habe, die kann man liegen lassen, liegen gelassen, also meine privaten Sachen waren ziemlich unorganisiert, und ich bin jetzt dabei, das aufzuarbeiten. Das macht nicht so viel Spaß, weil es langweilig ist, aber es muss halt geschehen, und das mache ich jetzt. Das habe ich mir auch vorgenommen, dass ich das so, sagen wir mal in den ersten zwei Monaten des nächsten Jahres erledigt habe und dass ich dann also irgendwo einen Boden sehe. Und dann werde ich schlicht und ergreifend das machen, was ich mir immer vorgestellt und gewünscht habe, nämlich reisen.
    Müller: Was war das denn, private Sachen? Haben Sie da vergessen, Ihr Arbeitszimmer zu renovieren?
    Fuchs: Also zum Beispiel irgendwas aufzuräumen. Ich habe die Sachen immer auf einen Haufen gelegt, und da sind jetzt mittlerweile so ungefähr zwei, drei Haufen, die jeweils so einen halben Meter hoch sind. Und die gehe ich jetzt von oben runter und bringe das alles in Ordnung, was da rumliegt.
    Dinge in Ruhe betrachten
    Müller: Reisen sagten Sie als Stichwort. Wo soll es hingehen?
    Fuchs: Ich war halt in meinem sagen wir mal vorpolitischen Leben sehr viel in Asien gewesen, weil ich ja beruflich in Hongkong und in Schanghai und auch in Singapur gearbeitet habe. Aber ich habe nie was gesehen. Ich war zum Beispiel in Xian, das ist die Stadt, wo die tönerne Armee ist. Da war ich vier, fünf Mal, aber glauben Sie, dass ich die tönerne Armee einmal gesehen habe? Alles nicht. Und das habe ich vor, nachzuholen. Da habe ich eine ganze Menge versäumt. Aber ich will auch beispielsweise mal 14 Tage in Berlin sein, um mir Berlin anzusehen, denn in den 15 Jahren, in denen ich in Berlin war, habe ich so gut wie nichts gesehen. Außer der Käseglocke Regierungsviertel inklusive Reichstag habe ich kaum etwas gesehen von Berlin. Wenn Sie mich fragen, wo Frohnau liegt in Berlin, habe ich keine Ahnung davon. Und das ist eigentlich irgendwie schade.
    Müller: Sie sind ja wirtschaftlich, wenn ich das richtig verstanden habe, auch noch immer engagiert, auch noch immer in Asien mit von der Partie?
    Fuchs: Nein, in Asien nicht mehr. Ich bin zwar noch, allerdings nur bis zum 24. April, im Vorstand der Außenhandelskammer in Hongkong, und da bin ich seit 1997, und ich wollte da eigentlich schon seit Jahren aufhören. Aber meine Vorstandskollegen haben immer gesagt, nein, nein, wir wollen dich noch dabei haben, damit du mindestens einmal im Jahr kommen musst, und musst uns dann die Politik in Deutschland erklären. Das habe ich auch gemacht, aber jetzt ist Schluss, und am 24. April werde ich mich in Hongkong verabschieden. Das hat mir immer viel Spaß gemacht. Als Unternehmer war ich ja da und bin als Unternehmer in die Kammer eingetreten in Hongkong und habe dort ja mein Unternehmen auch geführt. Und dann bin ich halt eben in der Kammer geblieben, auch, als ich in die Politik gegangen bin.
    "Viele haben keine Ahnung, wie Politik funktioniert"
    Müller: Dann war mir, Herr Fuchs, noch aufgefallen, dass Sie jetzt Senior Advisor sind in einem Kommunikationsberatungsunternehmen in Berlin, zuständig auch für Wirtschaft, Medien und Politik. Sind Sie jetzt Lobbyist?
    Fuchs: Nein, ich würde das nicht so als Lobbyist bezeichnen, sondern ich versuche, in diesem Unternehmen den Kunden, die wir haben, und das sind alle möglichen Kunden – ich meine, es ist klar, dass ich da jetzt nicht am Rundfunk drüber rede –, aber ich versuche dann eben halt, den Ablauf der Politik zu erklären, wie Politik funktioniert. Es ist erstaunlich, wie viele Unternehmer und auch CEOs von großen Unternehmen eigentlich überhaupt keine Ahnung haben, wie Berlin und die Politik dort funktioniert. Und das versuche ich so ein bisschen rüberzubringen. Allerdings nicht als Fulltimejob, so drei, vier Tage im Monat. Das macht mir Spaß. Aber mehr soll es dann auch nicht sein.
    Müller: Und erklären heißt aber auch, Kontakte herstellen, versuche, Einfluss zu nehmen auf die Politik?
    Fuchs: Das sehe ich weniger. Ich gehe eigentlich mehr davon aus, dass das, was ich zu erbringen gedenke, die Beratung ist, wie in Deutschland die politischen Prozesse ablaufen. Viele Leute haben davon keine Ahnung, dass das ein langwieriger Prozess ist, beispielsweise ein Gesetz durchzubringen. Das begreifen viele nicht, vor allen Dingen Unternehmer, die denken, ich kann eine Entscheidung treffen und am nächsten Tag wird das umgesetzt. So geht eben Politik nicht.
    Müller: Drehen wir das Ganze einmal um, betrachten wir noch einmal Ihre Jahre im Bundestag, beziehungsweise aus der Perspektive jetzt darauf geschaut. Was vermissen Sie denn am meisten?
    Fuchs: Wenn ich ehrlich bin, ist das nicht so schlimm. Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe, weil ich jetzt endlich die Freiheit habe, die ich nie hatte. Man war ja immer in einer Zwangsjacke, in einer zeitlichen Zwangsjacke. Es stand ja schon am Jahresanfang fest, wann man in Berlin sein musste. Ich habe allein im Jahr 2016, ich glaube 50-mall die Reise von Koblenz nach Berlin angetreten. Das ist etwas, was ich nicht vermisse, diese viele Fliegerei. Was ich vermisse, ist, ich habe eine Reihe von sehr guten Bekannten – ich bin mit dem Wort "Freunden" immer vorsichtig, aber einige sind sicherlich Freunde geworden –, mit denen der Kontakt naturgemäß jetzt geringer geworden ist, als er früher, als ich noch im aktiven politischen Geschäft war, gewesen ist. Wir haben aber und halten auch den Kontakt weiter.
    Müller: Wie gravierend ist das für Sie, dass Sie jetzt nicht mehr wichtig sind?
    8:10 Uhr ist rentengerechter
    Fuchs: Das ist mir ziemlich egal. Das war mir nie so wichtig. Ich habe immer gern Interviews mit Ihnen gemacht. Meistens haben Sie mich dann ja so um viertel nach sieben morgens angerufen. Da war ich dann schon im Büro. Und ich vermisse das jetzt gar nicht mehr.
    Müller: Wir haben auch schon zehn vor sieben häufig mit Ihnen gemacht. Jetzt sind Sie ja frei und Rentner, wenn ich das so sagen darf. Jetzt zehn nach acht. Das passt also jetzt besser?
    Fuchs: Das ist schon besser, das ist mehr rentnergerecht.
    Müller: Aber Sie wollten ja auch immer mitgestalten, Sie waren immer aktiv, Sie hatten immer sehr viel Energie gehabt. Sie haben gerade gesagt, ich bin 69 oder werde 69. Trotzdem hatten Sie ja immer genügend auch Gestaltungswillen und genügend Dynamik, da mitzumischen. Sie waren ja viele Jahre lang auch Fraktionsvize in der Unionsfraktion, das heißt ja schon, in einer klaren, bedeutenden Stelle. Das alles ficht Sie jetzt nicht mehr an, brauchen Sie gar nicht, um glücklich zu sein?
    Fuchs: Ich bin mit meiner Frau sehr glücklich, und dafür brauche ich nicht die Politik. Das wollen wir mal festhalten, denn es gibt auch noch außerhalb der Politik Dinge, die einem Spaß machen, die einen froh machen. Ich habe wirklich nichts anderes vor, als jetzt friedlich und fröhlich vor mich hin zu leben. Und wenn einer meinen Rat braucht, dann weiß er meine Telefonnummer. Wenn der Deutschlandfunk meine Stimme noch hören will, dann gern, bin ich immer gern bereit, das, was ich weiß, mit einzubringen. Aber ich will jetzt auch wirklich ein Stück weit langsamer machen. Und daran habe ich einfach Spaß.
    Regierungsbildung: Ich hoffe auf eine vernünftige Lösung
    Müller: Das Angebot nehmen wir an, wir tragen das gleich in die Liste ein, dass Sie nach wie vor ansprechbar sind. Herr Fuchs, wenn Sie Berlin betrachten, Sondierungen, Koalition und so weiter, sind Sie da emotional noch berührt, oder sagen Sie, zum Glück habe ich jetzt genügend Distanz?
    Fuchs: Nein, natürlich bin ich emotional berührt, und Sie können auch davon ausgehen, dass ich jeden Tag die Nachrichten gucke beziehungsweise die Zeitungen lese et cetera, ich habe die immer noch. Aber ich bin auch nicht mehr in der Zwangsjacke, jeden Tag mindestens vier Zeitungen gelesen zu haben. Ich kann jetzt auch mal wieder ein Buch lesen. Ich habe zum Beispiel jetzt schon mal wieder einen "Donna Leon"-Krimi gelesen, was ich jahrelang nicht mehr gemacht habe, weil ich mich eigentlich immer in der Zwangsjacke gesehen habe, die politischen Informationen, die ich über die Partei, über die Fraktion et cetera bekommen habe, zu lesen, und dann noch die Zeitungen. Und damit kamen Sie praktisch zum Lesen überhaupt nicht mehr. Das ändert sich jetzt. Das sind alles die positiven Dinge, die ich sehe. Natürlich ist es aber auch so, dass ich jeden Tag darüber nachdenke, meine Güte, wie geht das jetzt weiter, da muss ja nun irgendwo der Knoten durchschlagen werden. Ich hoffe, dass alle Beteiligten, sowohl die CDU/CSU als auch die SPD sich zusammensetzen und eine vernünftige Lösung – ich war ja das letzte Mal sehr intensiv bei den Koalitionsverhandlungen dabei. Ich weiß ziemlich genau, was auf alle Beteiligten zukommt. Aber es muss Lösungen geben, denn wir haben im Prinzip das große Ganze zu betrachten. Das ist die Aufgabe der Politik.
    Müller: Michael Fuchs bei uns heute Morgen live im Deutschlandfunk, viele Jahre CDU-Wirtschafts- und Finanzpolitiker in der Unionsfraktion im Bundestag. Vielen Dank, dass Sie für uns wieder Zeit gefunden haben, und Ihnen einen guten Rutsch und alles Gute!
    Fuchs: Danke schön, Ihnen auch alles Gute!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.