Donnerstag, 16. Mai 2024

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Band Bent Knee
Eklektischer Streifzug

Die Musikstudenten Ben Levin und Courtney Swain gründeten eine Band, die sich allen stilistischen Zuschreibungen verweigert. Acht Jahre später haben Bent Knee ihr viertes Album "Land Animal" veröffentlicht - dem Konzept Genre verweigern sie sich noch immer.

02.07.2017
    4 scharzgekleidete Männer und zwei Frauen schauen den Betrachter an
    Bent Knee Sextett aus Boston mischt scheinbar gegensätzliche Stile und Sounds (Chris Anderson)
    Musik "Land Animal"
    Wie hätte es wohl geklungen, wenn Led Zeppelin ein James Bond-Thema geschrieben hätten? Oder wenn bei The Police nicht Sting am Mikro gestanden hätte, sondern Anne Wilson von Heart? Land Animal, das neue Album von Bent Knee, klingt wie die Antwort auf diese und viele andere Fragen.
    Im Vergleich zu ihren ersten zwei Longplayern, damals im Selbstverlag, sind Bent Knee fast bürgerlich geworden: Keine Spur mehr von Punk, Ska oder Zirkusmusik. Dagegen klingt ein Song wie "Belly Side Up" geradezu Popradio-tauglich, oder zumindest wie die Bent Knee-Version eines Sommerhits.
    Musik "Belly Side Up"
    In fast jedem der zehn Tracks mischt das Sextett aus Boston scheinbar gegensätzliche Stile und Sounds, ob Lounge-Jazz, Funk-Rock oder Pop mit 80er-Flavor. Die Verbindung klingt meistens erstaunlich mühelos. Kaum einer anderen Band gelingt einen Streifzug durch so viele musikalische Universen, ohne nach Flickenteppich zu klingen.
    Stilistisches Chamäleon
    Sicher auch, weil die Musiker alle an einem Strang ziehen und sich dem Klangbild unterordnen. Gitarrist und Mitgründer Ben Levin trägt auf dem Album vor allem zum extrem soliden rhythmischen Fundament bei - mal funky, mal straight - und verzichtet fast komplett auf Gitarrensoli. Im Spotlight steht dagegen voll und ganz Sängerin Courtney Swain. Neben ihrem beeindruckenden Tonumfang ist sie ein stilistisches Chamäleon - und lässt in Sachen Gesangstechnik die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen weit hinter sich.
    4 Männer und 2 Frauen stehen sich gegenüber und über ihnen schwebt ein Lichtschein
    Bent Knee veröffentlichen ihr viertes Album "Land Animal" (Chris Anderson)
    Musik "Holy Ghost"
    Besonders verwundbar klingt Swain bei "Insides In", einer jazzigen Ballade, die sich nach fünf beherrschten Minuten in einem apokalyptischen Crescendo entlädt.
    Musik "Insides In"
    Nahtlose Übergänge
    Das Markenzeichen von Bent Knee ist die Vielfalt innerhalb der Tracks - die nahtlosen, oder fast nahtlosen, Übergänge zwischen intimen und epischen Momenten, vom Sperrigen zum Zugänglichen, sind oft virtuos, aber selten so stimmig wie bei "Time Deer". Dass morbide und abstoßende Wortketten wie "Piss-stained & crunchy, toothless & pungeant", trotzdem zum Mitsingen einladen - das gelingt sonst höchstens Faith No More.
    Musik "Time Deer"
    Obwohl die Dramaturgie auf Songebene so gut funktioniert, ist aber ausgerechnet der Gesamtfluss des Albums die größte Schwäche von Land Animal, einem Album das pulsierenden Syncopen beginnt und mit einem erschöpft ausklingenden Beat zuende geht. Nachdem Bent Knee ihr musikalisches Pulver in einer Reihe fantastischer Songs in der Mitte des Albums verschießen - unter anderem der Titelsong Land Animal - kommt das Finale zu kurz. Der letzte Track Boxes wäre zwar ein perfekter Song zum Runterkommen nach einem Höhepunkt gewesen - nur findet dieser Höhepunkt nicht statt.
    Musik "Boxes"
    Perfektion war vielleicht nie ihr Ziel. Auch mit ihrem vierten und bislang besten Album sind Bent Knee acht Jahre nach ihrer Gründung stilistisch noch immer schwer festzunageln. Auf dem Prog Label Inside Out haben die Bostoner Avant-Garde Rocker jetzt ein neues Zuhause gefunden. So ganz fügen sie sich nicht ein - und vielleicht doch besser also so ziemlich überall anders. "Land Animal" klingt selbstbewusster als die Vorgänger, vor allem die ersten zwei, so ganz gefunden haben sich Bent Knee noch immer nicht. Wahrscheinlich sollte man froh darüber sein - wer weiß, ob das Ziel so aufregend ist wie die Reise dorthin.