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Evangelos Antonaros: Grenzen der Belastbarkeit der Griechen sind erreicht

Die griechische Regierung bekämpfe das Staatsdefizit nicht wirksam genug, sagt der Abgeordente der Oppositionspartei "Neo Dimokratia", Evangelos Antonaros. Viele Gesetze würde nicht umgesetzt, etwa die geplanten Privatisierungen. Immer höhere Steuern könnten die Griechen einfach nicht bezahlen.

Evangelos Antonaros im Gespräch mit Jasper Barenberg | 14.09.2011
    Jasper Barenberg: Zu einer Telefonkonferenz hat sich Angela Merkel für heute verabredet, mit Frankreichs Präsident Sarkozy und Griechenlands Regierungschef Papandreou. Es gilt wohl, Tatkraft und Entschlossenheit unter Beweis zu stellen, in Tagen, in denen allenthalben die Zweifel ins Kraut schießen, ob Griechenland einen Bankrott noch verhindern kann. Gesät haben diese Zweifel nicht zuletzt die internationalen Finanzkontrolleure der sogenannten Troika. Sie müssen der griechischen Regierung für ihr Sanierungsprogramm ein gutes Zeugnis ausstellen, damit die Geldgeber weitere Milliarden-Hilfen bewilligen und überweisen. Im Moment aber hält auch Finanzminister Wolfgang Schäuble die Versetzung in die nächste Klasse für gefährdet.

    O-Ton Wolfgang Schäuble: "Wir haben mit Griechenland ein klares Anpassungsprogramm verabredet. Die Einhaltung dieses Programms wird vierteljährlich vom Internationalen Währungsfonds, von der europäischen Kommission, von der EZB überprüft, und die müssen feststellen, ob die Voraussetzungen gegeben sind für die Auszahlung der nächsten Tranche. Das ist im Moment nicht abgeschlossen. Darauf setzen wir und das ist die Voraussetzung. Da kann es auch keinen Rabatt geben."

    Barenberg: Anfang des Monats war die Troika unter Protest aus Athen abgereist. Zu schleppend treibe die Regierung in Athen voran, was sie an Reformen zugesagt hatte. Darüber wollen wir in den nächsten Minuten mit dem Abgeordneten Evangelos Antonaros sprechen, Mitglied der liberal-konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia. Guten Morgen!

    Evangelos Antonaros: Guten Morgen!

    Barenberg: Herr Antonaros, warum hinkt die Regierung bei den zugesagten Reformen hinterher?

    Antonaros: Diese Reformen sind aus einem ganz einfachen Grund meiner Meinung nach, unserer Meinung nach schwer durchzusetzen, weil sie jetzt auch die Grenzen der Belastbarkeit der griechischen Bevölkerung erreicht haben. Die Griechen werden immer wieder mit neuen Steuerforderungen, Steuererhöhungen überhäuft, so dass sie einfach diese Steuern nicht mehr bezahlen können. Erst am vergangenen Wochenende hat das Athener Parlament eine neue Maßnahme dieser Art wieder beschlossen, und in der öffentlichen Diskussion darüber stellt sich überall die Frage, ob die Griechen einfach das Geld in der Tasche haben, um diese neue Steuer auf ihren Grundbesitz, die gar nicht vorgesehen war im übrigen, auch zu bezahlen.

    Barenberg: Nun hat ja die Regierung in Griechenland Schwierigkeiten, die Steuern, die es auf dem Papier gibt, überhaupt einzutreiben. Warum ist das so und warum kommt die Regierung nicht voran bei dem Versuch, das strenger zu handhaben?

    Antonaros: Das ist in der Tat ein sehr großes Manko, das gebe ich auch zu, und es ist in den letzten Jahrzehnten immer schwierig gewesen, die Griechen dazu zu veranlassen, oder viele Griechen auf jeden Fall, ihre Steuern pünktlich zu bezahlen. Aber das hat mit der aktuellen Situation, würde ich sagen, wenig zu tun. Das Hauptproblem wie gesagt besteht darin, dass neue Steuern immer wieder dazukommen, so dass die Griechen einfach nicht mehr fähig sind, innerhalb von so kurzer Zeit - und das möchte ich auch betonen - so viel Geld aufzutreiben, um die Steuern pünktlich zu bezahlen. Auf der anderen Seite hat die heutige griechische Regierung es einfach unterlassen, die Staatsfinanzen zu ordnen, sie zu kürzen, und dadurch wird das Defizit, das Staatsdefizit, nicht wirksam bekämpft.

    Barenberg: Der Vorwurf, Herr Antonaros, lautet ja, dass Maßnahmen nicht durchgeführt würden, die zugesagt worden waren. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Es gibt Zugangsbeschränkungen für viele Berufe in Griechenland, zum Beispiel für Taxifahrer. Das soll sich ändern. Aber auch auf diesem Wege kommt die Regierung ja offenbar nicht voran.

    Antonaros: Das ist in der Tat auch wahr. Das ist auch ein Vorwurf, den wir als Opposition gegen die Regierung erheben. Wir haben viele von diesen Gesetzen mitgetragen im Parlament, mehr als die Hälfte von diesen Gesetzen, und wir sehen einfach, wir merken einfach, dass diese Gesetze zwar auf dem Papier verabschiedet werden, durchgewunken werden im Parlament, auf der anderen Seite bei der Umsetzung passiert sehr wenig. Und deswegen bedrängen wir die Regierung, diese Gesetze auch umzusetzen. Es gibt ein Zögern auf Seiten der Regierung, vor allem, wie ich sage, im Bereich der Kürzung der Staatsausgaben.

    Barenberg: Das heißt, Sie unterstützen den Kurs der Regierung, oder Sie kritisieren ihn?

    Antonaros: Diesen Kurs, also die Erhöhung, die ständige Erhöhung und die ständige Anschaffung von neuen Steuererhöhungen, unterstützen wir nicht. Aber wir würden die Regierung und wir unterstützen die Regierung zum Beispiel in einem anderen Bereich, wo sehr wenig passiert ist, zum Beispiel im Bereich der Privatisierungen. Diese Regierung hat im Laufe der letzten zwei Jahre keinen einzigen Staatsbetrieb, aber auch nicht mal den kleinsten, privatisiert, obwohl sie immer wieder die Privatisierung von solchen Staatsfirmen angekündigt und zugesagt hat.

    Barenberg: Da sind zum Beispiel erst 400 Millionen Euro erlöst worden. Geplant sind 50 Milliarden bis 2015, davon also erst ein Bruchteil in die Tat umgesetzt. Können Sie vor diesem Hintergrund denn verstehen, welche harten Bedingungen hier die Geberländer stellen, unter anderem auch aus der Bundesregierung, dass die weiteren Hilfen nur ausgezahlt werden können, wenn die vereinbarten Bedingungen wirklich erreicht sind und in die Tat umgesetzt sind?

    Antonaros: Ich kann die Sorgen sehr gut nachvollziehen. Auf der anderen Seite, würde ich sagen, braucht man ein bisschen mehr Zeit und ein bisschen mehr Geduld. Man sollte, wie soll ich sagen, alles zu strecken versuchen. Ich weiß, das ist schwierig. Ich weiß, dass die griechische Regierung, dass Griechenland Zusagen gemacht hat. Auf der anderen Seite würde ich ausgerechnet in dieser Situation von, wie soll ich sagen, populistisch angehauchten oder teilweise populistisch angehauchten und oft von Unkenntnis der Situation gekennzeichneten Stellungnahmen absehen, aus einem ganz einfachen Grund, weil die Nervosität auf den internationalen Finanzmärkten zurzeit sehr groß ist, und man sollte davon absehen, sie zusätzlich anzufachen.

    Barenberg: Die sogenannte Troika, also die EU-Finanzexperten und die internationalen Experten, die in Griechenland überprüfen sollen, wie weit das Sanierungsprogramm gediehen ist, sie sind ja im Protest abgereist. Ich habe das erwähnt. Nun sollten sie heute eigentlich wieder in Athen eintreffen. Das wurde aber verschoben. Ist das ein schlechtes Zeichen?

    Antonaros: Ich glaube, das ist kein schlechtes Zeichen. Um ein paar Tage geht es in dieser Situation nicht. Es geht darum, Details abzusprechen. Es ist viel besser, wenn sie ihr Eintreffen in Athen um ein paar Tage verzögern, als dass sie vorzeitig wieder in Athen sind und das, was sie erreichen wollen, nicht bekommen, oder dass die griechische Regierung noch nicht bereit ist, das Zugesagte auch zu liefern. Deswegen würde ich auch sagen, Geduld auf allen Seiten und Verständnis auf allen Seiten ist zurzeit sehr wichtig. Sonst kommt das, was Bundesfinanzminister Schäuble auch die Anpassung nennt, nicht voran, und wir wollen uns auch als Land anpassen.

    Barenberg: Sagt Evangelos Antonaros, Mitglied der liberal-konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia. Vielen Dank, Herr Antonaros, für dieses Gespräch.

    Antonaros: Ich danke Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.