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Exorzismus
Die Rückkehr des Satans

In der katholischen Kirche werden wieder mehr Exorzisten ausgebildet. Allein in italienischen Diözesen sind mehr als 250 Teufelsaustreiber im Einsatz. Sie unterliegen klaren kirchlichen Regeln.

Von Thomas Migge | 30.01.2014
    Der Film "Der Exorzist" unter der Regie von William Friedkin wurde in den 1970er Jahren ein so großer Hollywood-Erfolg, dass bis 2004 immer neue Versionen des gleichen Streifens in die Kinos kamen.
    Doch dann wurde im Kino um das Exorzisten-Sujet still. Auch die Medien berichteten nur noch selten über Besessenheit und Teufelsaustreibungen. Doch der Eindruck trügt, erklärt Don Massimiliano Pusceddu, Exorzist und Kaplan der italienischen Staatspolizei:
    "Es muss erst einmal eines klar gestellt werden: wenn man mit dem Teufel zu tun hat, gibt es nichts zu scherzen. Deshalb hat die Aufmerksamkeit der Kirche dem Bösen gegenüber nie nachgelassen. Päpste wie Johannes Paul II. und Benedikt XVI. haben allerdings die Ausbildung der Exorzisten modernisiert und an strengere Regeln gebunden. Heute kann man sagen, dass das Bild des Exorzisten in der Gesellschaft weniger dramatisch ist, als das früher der Fall war."
    Weniger dramatisch bedeutet für Teufelsaustreiber Pusceddu: Ein Geistlicher, der einen Exorzismus vornimmt, weckt in der Gesellschaft nicht mehr jene Assoziationen, die Filme wie "Der Exorzist" dereinst hervorriefen. Das unterstreicht auch der Journalist und Vatikankenner Paolo Rodari:
    "Man hat oft eine falsche Vorstellung von Exorzismen. Die Kirche hat in der jüngsten Vergangenheit einiges dafür getan, die Menschen zu diesem Thema aufzuklären. In Italien jedenfalls ist es heute so, dass wohl die meisten Katholiken inzwischen begriffen haben, dass eine Teufelsaustreibung in den häufigsten Fällen nur aus einem Segen besteht, für eine Person, die besessen ist."
    Seit einiger Zeit werden innerhalb der katholischen Kirche wieder mehr Exorzisten ausgebildet und eingestellt. Das gilt vor allem für italienische Diözesen. Erst kürzlich wurden in der Diözese Neapel drei neue Exorzisten ernannt. In Mailand waren es sogar sechs neue Teufelsaustreiber auf einmal. Ähnliche Zahlen kommen auch aus zahlreichen anderen italienischen Diözesen. Insgesamt sind in ihnen mehr als 250 ausgebildete Exorzisten im Einsatz. Vor einigen Jahren war es nur die Hälfte.
    Gabriele Amorth weiß, warum das so ist. Der 88-jährige Priester, der heute in einem römischen Altersheim lebt, gilt immer noch als Doyen der katholischen Exorzisten. 1990 gründete Amorth, der nach eigenem Bekunden rund 50.000 Teufelsaustreibungen vorgenommen hat, die Internationale Exorzistenvereinigung:
    "Es gibt ja auch Parawissenschaften und die Kirche hat diesen Aspekt viel zu lange ausgeklammert. Es gab eine Zeit, die gar nicht mal so lange zurückliegt, da hat die katholische Kirche alles, was mit Exorzismen zu tun hatte, ins Abseits stellen wollen. Das hat sich radikal geändert. Vor allem unter Benedikt XVI. hat sich die Idee eines quasi wissenschaftlichen Umgangs mit Teufelsaustreibungen in der Kirche durchgesetzt. Es ist eine - sagen wir - moderne Vorstellung von Exorzismus."
    Der Internationalen Exorzistenvereinigung, der fast alle italienischen Exorzisten angehören, geht es darum, die Teufelsaustreibung zu "modernisieren". Ein Exorzismus soll nur noch dann zur Anwendung kommen, wenn einer betroffenen Person nicht mehr anders zu helfen ist. Gabriele Amorth plädiert seit Jahren dafür, dass Exorzisten eng mit Ärzten und Psychologen zusammen arbeiten. Nur wenn diese nicht weiterwissen, habe ein Exorzist das Recht, einzuschreiten. Der Exorzismus, sagt Amorth, sei eine ernste Angelegenheit. Der Teufel sei übrigens auch im Vatikan anzutreffen:
    "Heute findet sich der Teufelskult an immer mehr Orten in der Gesellschaft. Sogar im Kirchenstaat. Anders kann ich mir die vielen Skandale in Sachen Vatileaks nicht erklären, die das Pontifikat Ratzingers erschütterten. Man muss keine schwarzen Messen lesen, um sich dem Bösen hinzugeben, oftmals wissen Menschen gar nicht, dass sie Erfüllungsgehilfen des Teufels sind."
    Zur Ausbildung italienischer Exorzisten gehört auch das Thema Satanismus. Italien weist mit über 500 Satanssekten eine besonders hohe Anzahl solcher Gruppierungen in Europa auf. Gianni Sini, Exorzist und Buchautor, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Satanismus in Italien.
    "Früher sah die Kirche überall den Teufel. Das ist heute anders. Heute wissen wir, dass es zum einen die konkrete Besessenheit gibt, zum anderen Gruppierungen, die Satan verehren und psychische Abhängigkeiten schaffen, die wir entschieden bekämpfen müssen. Deshalb ist es wichtig, dass Exorzisten sich genau in Satanskulten auskennen, um gleich zu erkennen, was Sache ist."
    Gianni Sini klärt Nachwuchsexorzisten deshalb auch über die Vielfalt italienischer Satanssekten und -kulte auf. Auch aus diesem Grund, erklärt der Geistliche, werden Exorzisten immer öfter von Ermittlungsbehörden und Psychologen zurate gezogen.