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Fester Griff ans Rad

Technik. - Hydraulikbremsen gehören seit langem zum Standard in der Fahrzeugtechnik. Allerdings bereitet die herkömmliche Technik auch Probleme, da etwa in Zügen lange Leitungen nötig sind. Simpler, aber effizienter und energiesparsamer ist eine neue Technik von Aachener Ingenieuren.

Von Sönke Gäthke | 08.05.2007
    Eigentlich ist eine Hydraulikbremse eine alltägliche Sache. Ein Fahrer tritt aufs Pedal - in einem Zylinder wird Hydrauliköl zusammengepresst. Das drückt dann über Schläuche und Kolben die Brems-Backen auf die drehende Scheibe – und das Auto kommt zum stehen. Im Prinzip funktioniert auch die selbstverstärkende Hydraulikbremse von Christian Stammen und seinen Kollegen vom Institut für Fluidtechnik der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen so.

    "Wir sehen hier den ersten Prüfstandsaufbau, wir haben einen kräftigen hydraulischen Antrieb, der uns eine Bremsscheibe drehen kann, auf der Bremsscheibe haben wir einen konventionellen Bremsaktor aus einem Automobil, eine Bremszange wie sie jeder kennt."

    Der Ingenieur zeigt auf sein Testmodell. Es reicht kaum bis zur Hüfte, besteht neben der Bremsscheibe noch aus einer Schwungscheibe und einem silbernen, nach vorn ragenden Zylinder. Und genau dieser Zylinder unterscheidet das Bremssystem von der konventionellen Hydraulik-Bremse. Denn bei der sind die Backen an die Bremszangen - im Prinzip ein über die Scheibe gestülptes U - richtig fest an der Karosserie angeschraubt, um den Kräften beim Verzögern trotzen zu können und nicht abzureißen. Die RWTH-Ingenieure haben stattdessen zwischen Zange und Karosserie einen Hydraulikzylinder geschraubt. Christian Stammen geht in die Knie.

    "Und diese Bremskraft stützt sich dann auf diesen Bremskraftzylinder hier ab, der die Verbindung zum Prüfstandsrahmen herstellt. Den Druck, der hier entsteht, den führen wir über dieses Ventil zurück auf diesen Zylinder: wenn wir die Bremskraft aufbauen wollen, ist das Ventil offen, dass heißt, der Druck, den ich erzeuge, wirkt auch wieder auf die Bremse, erhöht die Kraft weiter, es entsteht ein höherer Druck, und so zieht sich die Bremse immer stärker zu und ich habe eine immer höhere Kraft, bis ich das Ventil schließe. Sobald ich das mache, habe ich die Bremskraft dann auf diesen festen Wert eingeregelt."

    Anders als bei einer konventionellen Bremse erzeugt sich diese so genannte selbstverstärkende Hydraulikbremse ihren Druck also selbst. Dabei kann sie über das Ventil sehr fein reguliert werden, so fein, dass der Ruck beim Stehenbleiben vermieden werden kann. Die ersten Bremsen entwickelt Stammen allerdings nicht fürs Auto, sondern für die Bahn: für Güterwagen. Züge bremsen seit Jahrzehnten mit Druckluft. Die Bremsbacken werden durch die Pressluft auseinander gedrückt. Soll der Zug halten, lässt der Lokführer die Luft ab, und die Backen werden durch Federn auf die Scheiben oder Räder gezogen. Bis die Bremse am letzen Wagen anliegt, kann das schon mal zwei Minuten dauern. Genau diese Bremsen will Christian Stammen durch seine Entwicklung ersetzen.

    "Die Vorteile sind, auf den Schienenverkehr bezogen, dass ich schneller bin als die konventionelle pneumatische Bremse, und ich brauche auch keine Pumpe. Bei der pneumatischen Bremse habe ich vorne in der Lokomotive einen großen Kompressor, der den ganzen Zug mit Druckluft versorgen muss, dort noch einen großen Speicher, dann eine Druckluftleitung mit einigen Zentimetern Durchmesser durch den gesamten Zug, die auch aufwändig gekuppelt werden muss."

    Die selbstverstärkende Hydraulikbremse wäre also nicht nur schneller, sondern käme mit weniger Bauteilen aus und wäre leichter. Und noch einen Vorteil sehen die Aachener Ingenieure: Den Energieverbrauch fürs Bremsen. Ihre Entwicklung soll Energie einsparen.

    "Weil wir für eine pneumatische Bremse im Bremsfall ungefähr 500 Watt pneumatische Leistung bereitstellen müssen, bei einem Zug summiert sich das dann auf vier Bremsen pro Wagen zum Beispiel. Bei 50 Waggons, kommt man auf enorme Beträge. Bei der hydraulischen Bremse haben wir nur ein einzelnes elektrisches Ventil, dieses Ventil braucht eine Leitung von 20 Watt, der Steuerrechner vielleicht auch noch Mal ungefähr ein Watt, also dann 21 zu 500 Watt, ungefähr ein Faktor 25, den wir dort weniger Energie brauchen."

    Drei Projekte verfolgen die Entwickler der RWTH: Zum einen wollen sie gemeinsam mit Ingenieuren von anderen Fakultäten einen ersten Test-Triebwagen aufbauen, zum zweiten einen Prototypen für einen Personenzug entwickeln, der bereits im kommenden Jahr getestet werden soll. Außerdem hoffen sie, dass ihre Bremse nicht auf den Schienenverkehr beschränkt bleibt: Derzeit loten sie aus, inwieweit sich aus LKW und Busse mit dieser Bremse ausrüsten lassen.