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"Feuerbachs Musen, Lagerfelds Models"
Abschied von der großen Hamburger Ausstellungskunst

In der Hamburger Kunsthalle werden Lagerfeld museale Weihen verliehen. Dort nämlich werden seine Fotografien den Bildern von Anselm Feuerbach gegenübergestellt. Ein inhaltlicher Tiefpunkt von Kunsthallendirektor Gassner, meint Autor Carsten Probst - und sieht darin eine Kapitulation vor dem Klammergriff von Kultursponsoring und Sparpolitik.

Von Carsten Probst | 23.02.2014
    Als Direktor der Hamburger Kunsthalle ist Hubertus Gassner zu leiden gewohnt. Viel Gestaltungsspielraum gibt es seit Jahren nicht mehr, die Finanzierungsprobleme seines Hauses sind chronisch. 2010 stand die Galerie der Gegenwart, der Kunsthallen-Neubau für Gegenwartskunst, vor der zeitweiligen Schließung. Dass Gassner 2010 seinen Vertrag in Hamburg überhaupt verlängerte, ohne Verbesserungen der Lage aushandeln zu können, hat schon damals manchen überrascht.
    Die Konsequenzen aus seinem Hamburger Engagement, so scheint es, bekommt der angesehene Kunsthallendirektor Gassner nun in diesen Tagen zu spüren, da er gezwungen ist, eine Ausstellung anzumoderieren, die so offenkundig der inhaltliche Tiefpunkt seiner Amtszeit ist, so etwas wie die bedingungslose Kapitulation vor dem vereinten Klammergriff von Kultursponsoring und Sparpolitik. Es ist eine Schau, die beim Betrachten weh tut, und man kann nur vermuten, dass sie dem Direktor heimlich selbst zu schaffen macht als Abschied von der einst großen Hamburger Ausstellungskultur.
    Dabei geht es zunächst einmal um einen eigentlich überaus interessanten Maler, um Anselm Feuerbach, einen Meister des 19. Jahrhunderts, den man, je nach Standpunkt, dem Symbolismus, der Spätromantik oder gar dem Neoklassizismus zuordnen kann. Schon die stilistische Uneindeutigkeit verweist darauf, dass die Porträts und die antikisierend-mythologischen Szenen Feuerbachs keine gewöhnlichen Staffagen, sondern höchst eigen sind, sie strahlen eine Entrückung aus, die sich der klaren Deutung entzieht, in einer verrätselnden Weise, wie sie von vielen seiner malenden Zeitgenossen angestrebt wurde. Einige seiner Iphigenien-Porträts sind von Buchumschlägen oder als Postkartenmotive mittlerweile bekannter als der Maler selbst. Insgesamt über vierzig davon sind in dieser Ausstellung zu sehen, immer dieselbe Frau stand für sie Modell, die Italienerin Anna Risi, die zeitweilig auch Feuerbachs Geliebte war. Werner Hofmann, der in den 60er-Jahren als Kunsthallendirektor die "Kunst um 1800" von dem Vorurteil reinigte, protofaschistisch zu sein, hatte gerade auch Anselm Feuerbachs vielschichtiges Werk neu erfahrbar gemacht.
    Davon ist freilich anno 2014 keine Rede mehr, denn Hubertus Gassner hat heutzutage ganz andere Sorgen. Er muss Ausstellungen aus dem Hut zaubern, die sich nicht nur selbst finanzieren, sondern nach Möglichkeit auch noch ein bisschen Geld für das Haus abwerfen. Er muss also in üblicher Manier die Massen locken, die normalerweise keinen Fuß freiwillig ins Museum setzen würden. Er kann hier nicht mehr einfach nur Anselm Feuerbach in einen Dialog mit der Gegenwartskunst bringen, denn dann kämen schließlich nur die üblichen 5000 Besucher und eine Handvoll Journalisten. Er muss es krachen lassen. Der eher mittelgroßen Schau mit Porträtmalereien von Anselm Feuerbach wird als zweiter Ausstellungsteil eine völlig unverhältnismäßige, lachhaft raumgreifende Schau mit Fotografien des Modeschöpfers Karl Lagerfeld angegliedert, die als idyllische Inszenierungen die antike Mythologie als Porträts von Models wiederkehren lassen, was an dieser Stelle allerdings kaum mehr als ein Vorwand erscheinen kann. Feuerbachs Musen und Lagerfelds Models haben kaum mehr miteinander zu tun als genau diese oberflächliche Gemeinsamkeit.
    Die Sitzplätze bei der Pressekonferenz aber reichen jedenfalls nicht aus für die vielen Journalisten, die plötzlich erschienen sind, und natürlich geht danach ein Großteil von ihnen in die Lagerfeld-Säle, die meisten gehen sogar ausschließlich dorthin, nur einige wenige verlieren sich vor den Feuerbach-Bildern. Hubertus Gassner müht sich redlich, die Inhaltsleere dieser weitgehend sinnfreien Kombination zu füllen, die eine totale Travestie jeglicher Ausstellungskonzeption darstellt. Lagerfeld sei zwar kein Künstler, sei aber trotzdem geeignet, um über Schönheit in der Kunst zu reflektieren – danach wird die Liste der Sponsoren verlesen. Und in Trauer will man sich abwenden wie Feuerbachs Iphigenie vom offenkundig so unabwendbaren Verfall dieses einst so stolzen Musentempels.