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Flug in die Fontäne

Planetologie. - Seit drei Jahren kreist die amerikanisch-europäische Raumsonde Cassini wie ein künstlicher Mond um den Planeten Saturn. Bei Ringen und Monden des Saturns sind ihr überraschende Entdeckungen gelungen. Der Mond Enceladus hat es den Forschern besonders angetan. Heute war Thema auf der Europäischen Planetentagung, zu der in Potsdam 400 Teilnehmer aus aller Welt versammelt sind.

Von Dirk Lorenzen | 23.08.2007
    Larry Esposito arbeitet seit 20 Jahren im Team der Raumsonde Cassini. Der Forscher von der Universität von Colorodo in Boulder ist mit allen Wassern gewaschen. Doch beim Saturnmond Enceladus gerät selbst er noch ins Schwärmen:

    "This is an unbelievable, unexpected and very gratifying discovery made by Cassini."

    Das sei eine unglaubliche, unerwartete und sehr erfreuliche Entdeckung. Gemeint sind die riesigen Wolken aus Wassereisteilchen, die vom Saturnmond Enceladus ins All schießen, wie kosmische Fontänen. Enceladus hat gut 500 Kilometer Durchmesser und ist von einem dicken Panzer aus purem Wassereis bedeckt. Im kommenden Jahr wird Cassini wieder nah an Enceladus vorbeifliegen, dieses Mal sehr nah: Denn Cassini soll direkt durch die Fontänen rasen. Droht der Raumsonde da nicht Gefahr? Esposito:

    "”"Für Cassini gefährlich werden könnten Eiskristalle ab etwa einem Millimeter Durchmesser. Die größten Teilchen, die wir bisher mit dem Staubdetektor in einiger Entfernung von Enceladus beobachtet haben, waren nur einige Mikrometer groß. Wir müssen jetzt abschätzen, wie viele gefährliche Kristalle es in der Fontäne geben könnte. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Cassini keine nennenswerte Gefahr droht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Raumsonde ein Kristall trifft, der groß genug ist, sie zu beschädigen, liegt bei deutlich weniger als einem Prozent.""

    Am vergangenen Donnerstag haben die Cassini-Forscher den Nasa-Missionsmanagern alle Fakten präsentiert. Sie müssen nun entscheiden, wie eng der dichteste Vorbeiflug aller Zeiten an einem Mond erfolgen soll. Gerüchten zufolge wird Cassini in nur 50 Kilometern Höhe über Enceladus hinweg fliegen. Esposito:

    "Wir nehmen dieses geringe Risiko in Kauf, um die Menge und die Art der Teilchen in den Wolken zu messen. Zwar haben wir mit unserem Ultraviolett-Instrument an Bord von Cassini die Wolken aus der Ferne gleichsam durchleuchtet, als sie vor einem Stern entlang zogen. Aber in unmittelbarer Nähe lässt sich viel genauer feststellen, welche chemischen Stoffe dort vorhanden sind und wie sie sich bewegen. Wir wissen jetzt schon, dass es dort neben Wasser auch Stickstoff und Kohlendioxid gibt. Aber wir wollen diese Fontänen endlich viel genauer untersuchen."

    Larry Esposito und seine Kollegen sind von den Fontänen so begeistert, weil sie zeigen, dass das Wassereis auf Enceladus nicht nur steinhart gefroren ist. Der Eispanzer hat große Risse und irgendein Prozess scheint das Eis zu schmelzen - vermutlich die Anziehungskraft von Saturn, die den Mond ständig etwas dehnt und staucht. Gäbe es auf Enceladus wirklich flüssiges Wasser, so wäre prinzipiell sogar Leben auf diesem Mond möglich. Doch darüber können die Forscher bisher nur spekulieren. Zudem hat kürzlich eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität von Illinois versucht, die Fontänen ohne flüssiges Wasser im Innern von Enceladus zu erklären. Stattdessen schlägt die Gruppe eine Art von matschigem Eis vor.

    "”"Derzeit gibt es drei verschiedene Modelle für den Ursprung dieser Wolken. Alle setzen einen etwas anderen Mechanismus an, wie aus den Spalten im dicken Eispanzer von Enceladus die Fontänen herausschießen. Einer der Gründe, so dicht an Enceladus heran zu fliegen, ist, zwischen diesen drei Modellen das am besten passende auszuwählen.""

    So wird der Flug durch die Wolken viel über das Innere des Mondes und die Möglichkeit für Leben in den kalten Tiefen des Sonnensystems verraten. Am 12. März 2008 wird es spannend: Dann zieht die Raumsonde Cassini wie im Sturzflug haarscharf an Enceladus vorbei. Entweder wird sie dabei schwer beschädigt oder sie liefert die vielleicht spektakulärsten Daten der gesamten Mission.