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Forschung und Entwicklung
Kampf um die klügsten Köpfe

Große Industrieunternehmen suchen nach kreativen Ingenieuren und Naturwissenschaftlern. Das lassen sie sich viel Geld kosten, denn nur so locken sie die pfiffigsten Erfinder von den Unis in ihre Entwicklungslabors. Bei der Lehre sehen die Unternehmenslenker noch Verbesserungspotenzial.

Von Thomas Wagner | 10.12.2013
    Stefan Hegemann ist Informatiker. Sein Job ist gleichzeitig die Verwirklichung eines Kindheitstraums: mittüfteln am Auto der Zukunft.
    "In meiner Generation hat man noch die Serie 'Knight Rider' geguckt. Und an der Stelle kann man jetzt sagen: Wir arbeiten genau an diesem Auto. Das Auto kann vielleicht später, wenn wir die Regelungen entsprechend anpassen, wirklich sich selbstständig reden. Es wird vielleicht nicht so reden wie das legendäre Kit von David Haselhoff. Aber: Ich komme aus dieser Generation. Und es ist einfach ein Traum, an diesem Thema zu arbeiten."
    Beim zweitgrößten deutschen Automobilhersteller Continental entwickelt Stefan Hegemann Fahrassistenz-Systeme. Die sorgen dafür, dass ein Fahrzeug ohne Zutun des Fahrers ausweicht, in der Spur bleibt und irgendwann einmal, wie das legendäre Superauto Kit des Nightrider-Helden David Haselhoff, auch selbständig fährt. Dass gerade Autohersteller und deren Zulieferer so viel wie nie zuvor in Forschung und Entwicklung investieren, hat Stefan Hegemann ganz direkt mitbekommen: Die Suche nach einem anspruchsvollen Job nach der Uni war ein Kinderspiel.
    "Man hat wirklich die Qual der Wahl. Als Jungingenieur stehen einem alle Türen offen. Bei mir war es zum Beispiel so: Ich hatte Diplomarbeit noch nicht fertiggeschrieben und war schon bei Continental angestellt."
    Kein Einzelfall. Denn: Mehr Geld für Forschung und Entwicklung heißt auch. Mehr Geld für entsprechende Stellen in den Unternehmen - und: Mehr Anstrengungen der Unternehmen als bisher, die Besten der Besten unter den Tüftlern zu bekommen. Marcel Verweinen, Personalchef für die Division Fahrassistenzsysteme bei Continental:
    "Der ist sehr hart, der Kampf um die sogenannten Talente, um die Daniel Düsentriebs dieser Welt."
    Da reicht ein ordentliches Gehalt längst nicht mehr aus, um den Forscher- und Entwicklernachwuchs an ein Unternehmen zu binden. Das muss schon einiges mehr bieten. Und: Manchmal sind Gelder für einen Kindergarten auch Mittel für Forschung und Entwicklung.
    Die theorielastige Ausbildung an den Hochschulen sorgt für Kritik
    "Kooperation mit Kindergärten. Wir haben Baby-Pakete. Wir versuchen, den Jung-Ingenieuren interessante Aufgaben zu bieten, eigenverantwortlich zu arbeiten. Das ist vielen ganz wichtig."
    Gerade das, weiß Personalchef Marcel Verweinen, hat sich mit als wichtigster Punkt herauskristallisiert: Junge Forscher und Entwickler müssen Gelegenheit bekommen, an einer spannenden Aufgabe zu arbeiten - sei es nun das selbstfahrende Superauto oder das energiesparende Elektromobil. Junge Ingenieure, die die Lust am Forschen in sich entdeckt haben, müssen auch die Gelegenheit bekommen, diese Lust auszuleben. Informatiker Stefan Hegemann bekommt leuchtende Augen, wenn er über seinen Arbeitsalltag im Conti-Werk Lindau am Bodensee spricht.
    "Sie programmieren eine Notbremse, fahren auf ein Hindernis - und bei 80 km/h hackt das Auto selbständig rein, wenn ein Hindernis auftaucht. Das ist wirklich der Wahnsinn, wenn man an einem solchen Thema arbeiten darf."
    Allerdings: Die Ausbildung des Forschungs- und Entwickler-Nachwuchses an den Hochschulen könnte optimaler laufen. Stefan Hegemann beispielsweise wünscht sich einen stärkeren Praxisbezug.
    "Wichtig wäre es aus meiner Sicht, dass man einfach zu Vorlesungen verstärkt Firmenvertreter einlädt und die ein bisschen über den Arbeitsalltag berichten lässt oder spezielle Themen beleuchten lässt."
    Gerade die Arbeitspraxis eines Entwicklers in der Industrie unterscheide sich manchmal wesentlich vom Forschungsalltag an einer Hochschule - und das trotz aller Bemühungen der Bildungspolitik, durch das Bachelor- und Master-System die Studieninhalte besser an die späteren beruflichen Anforderungen anzupassen. Doch an dieser Reform leide auch das theoretische Ausbildungsniveau der angehenden Forscher und Entwickler, glaubt Personalchef Marcel Verweinen.
    "In der Regel ist das so, dass mit den neuen Studiensegmenten Bachelor und Master das theoretische Fundament eher dünner ist, als wir das vom normalen Studium her kennen. Und da helfen wir dann in der Praxis aus und versuchen den Kollegen dann, dieses theoretische Fundament nach der Einstellung näher zu bringen."
    Grundsätzlich allerdings, glaubt Stefan Hegemann, bieten vor allem Großunternehmen gute Entwicklungsmöglichkeiten für Ingenieure und Informatiker. Kleinere Unternehmen dagegen, so die Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, tun sich eher schwer damit, zusätzliche Beträge für Forschung und Entwicklung locker zu machen. Dennoch meint Stefan Hegemann:
    "Ich denke, wir haben sehr, sehr innovative Unternehmen hier in Deutschland. Also ich denke, für jemanden, der neugierig ist und eine gute Ausbildung hat, haben wir ein perfektes Feld in Deutschland."