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Fortsetzung des Dadaismus mit anderen Mitteln

Der künstlerische Blick auf die Rolle der digitalen Technologien in der Gegenwartsgesellschaft ist jährlich das Ziel der "transmediale". Nachdem das Festival einige Jahre wegen seines chronisch knappen Budgets darauf verzichten musste, zeigt es Medienkunst nun wieder in einer großen zentralen Ausstellung. Ihr Titel: "Smile Machines" - Maschinen mit Sinn für Humor.

Von Carsten Probst | 02.02.2006
    Zunächst gibt es auf dieser "transmediale" ein Phänomen zu beobachten. Nachdem das Festival einige Jahre wegen seines chronisch knappen Budgets auf eine eigene Ausstellung verzichten musste, präsentiert es nun wieder so genannte Medienkunst im großen Stil - um damit zu dem schon bekannten Ergebnis zu gelangen, dass immer noch nicht klar ist, was Medienkunst eigentlich sein soll. Vor längeren Zeiten, als Laptops mit zehn Megabyte Festplatten noch um die zehntausend D-Mark kosteten, mag es als Privileg mancher Künstler gegolten haben, sich kunsthandwerklich um die Bildschirmnutzung zu erweitern. Heute bleibt Medienkünstlern eigentlich nur der Rückzug auf das Inhaltliche, denn das Medium allein reicht schon lange nicht mehr als Botschaft hin. Medienkunst ist in der Lesart der "transmediale" eigentlich politische Kunst, bei genauerem Hinsehen nichts anderes als die gute alte Gesellschaftskritik, die, da die Gesellschaft nun einmal von den neuen Medien überflutet ist, notwendigerweise auch Medienkritik sein muss.

    Für Anne-Marie Duguet, Professorin für Kunst und Technologie an der Pariser Sorbonne und Kuratorin der Ausstellung, ist Medienkunst heute praktisch die Fortsetzung des Dadaismus mit anderen Mitteln. "Smile Machines", der Titel der Ausstellung bezieht sich direkt auf das gleichnamige Readymade des Fluxus-Künstlers Georges Maciunas von 1970, ein kleines Instrument mit einer Spannfeder, das in den Mund gesteckt werden kann, um die Zähne freizulegen und so ein ständiges Lächeln zu erzeugen - ein Lächeln, das allerdings mehr einer Grimasse à la Francis Bacon gleichen dürfte. Das Objekt hat äußerlich nichts mit elektronischen Medien zu tun, bezieht sich aber auf das "oversmiling" als Triebfeder der Marktwirtschaft und auf "Marketing als Instrument der sozialen Kontrolle", wie Gilles Deleuze einst formulierte.

    Diesen marktkritischen Slogans einer ferner anmutenden Zeit versucht der Medienkünstler Christian Möller ein heutiges Gewand zu geben, indem er in einer Installation aus sechs hochauflösenden Bildschirmen sechs junge Frauen zum anderthalbstündigen Dauerlächeln zwingt, wobei ein elektronischer Level an der Seite beim geringsten Nachlassen der Ernsthaftigkeit der Lächelbemühungen in den roten Bereich absinkt. Die niederländische Künstlergruppe Jodi manipuliert die Handlung zeitgenössischer Computer-Shooter bis zur Absurdität, Maurice Benayoun aus Frankreich hat eine "Emotion Vending Machine" erfunden, bei der man sich Gefühle per Internetrecherche als Musikstück generieren lassen kann.

    Im übrigen aber, und das ist gut so, versteht sich die Schau von Anne-Marie Duguet vor allem als heiteres Museum eben jener Zeiten, in denen Medienkunst noch unterscheidbar war und erweist unbestrittenen Meistern der Bewegung ihre Referenz: dem just verstorbenen Ur-Hacker Nam June Paik ebenso wie dem legendären Videoexperimentator William Wegman, Norman White, Robert Filliou oder Dara Birnbaum. So gesehen stellt sich die "transmediale" durch die Ausstellung ganz bewusst wieder in eine große Tradition.

    Durch die Reduktion der vergangenen Jahre allein auf den Wettbewerb, den Tanzclub oder die Konferenz konnte ihr das nicht gelingen. Immer wieder wurde sie mit einer Leistungsschau elektronischer Medien verwechselt, einer Art Messe für Hacker und die, die es werden wollen - oder sie bediente nolens volens die Branche der Animateure und Mediendesigner, die sie das Team um den ambitionierten Leiter Andreas Broekmann doch eigentlich nie wirklich goutieren konnte.

    Wettbewerb, Musik-Club und Debattenforum gibt es weiterhin. Aber gerade durch den neuen Ausstellungskomplex wird deutlich, dass die "transmediale" durch die erheblich aufgestockten Budgets der Bundeskulturstiftung nicht nur größer, sondern vor allem ein ganzes Stück unabhängiger geworden ist. Und ganz nebenbei erweist sich das alte Gebäude der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg mit seinen fließenden Raumübergängen und seiner immer noch gut erhaltenen Siebzigerjahre-Möblierung als unvermutet kongeniale räumliche Ergänzung zu den inhaltlichen Ansprüchen. Das pseudofuturistische Demokratiedesign, das man bislang in den Hallen des Hauses der Kulturen der Welt hatte pflegen müssen, weicht hier gewissermaßen für ein ironisches Gesamtkunstwerk. Nicht von ungefähr hat man dieses Jahr den Humor als politische Überlebensstrategie zum Thema gemacht - nicht nur für das Festival.