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Frankreichs Haushalt
"Schädlich für Vertrauen in den Euro"

Frankreichs Haushaltsentwurf steht bei der EU auf dem Prüfstand. "Frankreich hat die Regeln schon zwei Mal gebrochen" sagte Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion im DLF. Das sei schädlich für das Vertrauen in den Euro.

Norbert Barthle im Gespräch mit Christoph Heinemann | 24.10.2014
    Norbert Barthle (CDU) lächelt in die Kamera.
    Norbert Barthle, Obmann der CDU im Haushaltsausschuss des Bundestags. (dpa / CDU-Fraktion)
    Die Haushaltsentwürfe einiger Länder der EU stehen auf dem Prüfstand. Italien, Österreich und Frankreich haben Mahnschreiben von der EU-Kommission erhalten. Trotz klarer Regeln hofft Frankreich als großes Land nun auf mehr Zeit, die Vorgaben zu erfüllen. Damit ist Norbert Barthle, finanzpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, nicht einverstanden.
    "Verschuldung nicht höher als drei Prozent"
    "Es gibt die Regel, dass die Verschuldung nicht höher als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sein darf. Und diese Regel hat Frankreich schon zwei Mal gebrochen", sagte Barthle. Deutschland habe Frankreich 2013 ein weiteres Jahr zugestanden, die EU-Kommission ging noch weiter und erlaubte sogar zwei. "Jetzt sieht es so aus, dass der Haushaltsentwurf diese Regel wieder nicht einhält. Das wäre ausgesprochen schädlich für das Vertrauen in den Euro."
    Die Frage sei, was europäische Verträge wert sind. "Wenn sie permanent gebrochen werden, sind sie nichts wert." Das große Vertrauen in Europa auf den Finanzmärkten fuße auf dem Fiskalpakt. Deshalb sei es notwendig, diese Regeln einzuhalten. Die Nichteinhaltung des Stabilitätspakts habe sich als fataler Fehler erwiesen, der nicht wiederholt werden dürfe.
    Bewährungsprobe für französischen EU-Währungskommissar
    Für den EU-Währungskommissar Pierre Moscovici werde es nun zur "Bewährungsprobe, wie er in dieser Frage mit seinem Heimatland umgeht". Denn die EU-Komission müsste dann den laufenden französischen Haushalt überwachen. Doch Frankreich wehre sich gegen eine Einmischung von außen.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Nach EU-typischen stundenlangen Verhandlungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beim Gipfel in Brüssel auf Klimaziele bis zum Jahr 2030 geeinigt.
    Klimapolitik, Energiepolitik, allerlei Krisen wie gehört - das sind die offiziellen Themen beim Gipfel in Brüssel, das Ganze in einer Übergangszeit. Die Barroso-Kommission tritt in der kommenden Woche ab, eine neue Mannschaft unter Jean-Claude Juncker an. Die noch amtierende Kommission wird noch eine wichtige Entscheidung treffen: In Brüssel werden die Haushaltsentwürfe für 2015 geprüft. Und was da aus einigen Ländern geliefert wurde, das finden die Kommissare überhaupt nicht witzig. Die Kommission hat zum Beispiel Italien aufgefordert, Gründe für den im Etat 2015 geplanten Bruch der EU-Haushaltsregeln zu nennen. So war das formuliert in einem streng vertraulichen Schreiben, das in Rom flugs veröffentlicht wurde.
    Frankreichs Präsident Hollande hat jetzt in Brüssel zu Protokoll gegeben, Frankreich werde auf jeden Fall Wirtschaftswachstum an die erste Stelle setzen. Anders ausgedrückt: von wegen sparen. Die Haltung der Bundesregierung dazu hatte Wolfgang Schäuble am 18. Juli in dieser Sendung beschrieben. Frage damals an den Bundesfinanzminister:
    Christoph Heinemann: "Sollte Frankreich mehr Zeit bekommen für die Rückführung des Haushaltsdefizits auf höchstens drei Prozent?"
    Wolfgang Schäuble: "Nein. Frankreich hat ja schon zweimal mehr Zeit bekommen. Und allein die Debatte schon - darüber bin ich mir auch mit meinen Kollegen ganz einig -, die schafft wiederum in sich kein Vertrauen, sondern Verunsicherung. Und deswegen ist es viel besser, wenn man jetzt darüber nicht mehr weiter spekuliert. Wir haben die Regeln, die Regeln müssen nur angewendet werden."
    Heinemann: "Müssen", sagt Wolfgang Schäuble. Aber werden sie auch? - Am Telefon ist Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen!
    Norbert Barthle: Guten Morgen, Herr Heinemann!
    Heinemann: Herr Barthle, keine Extrawurst für Paris, sagt Wolfgang Schäuble. Bleibt es dabei?
    Barthle: Ich hoffe sehr, dass die Kommission ihr Versprechen wahr macht und sagt, sie würde alle Länder gleich behandeln, die großen wie die kleinen, und in diesem Sinne dann auch den eingereichten Haushaltsentwurf von Frankreich prüft und dann auch zu den notwendigen Schlussfolgerungen kommt.
    Es gibt klare Grenzen und klare Reglen, was die Verschuldung anbelangt
    Heinemann: Was heißt "ich hoffe"?
    Barthle: Nun, man muss abwarten, wie die Kommission endgültig entscheidet, und deshalb kann man nur darauf setzen, dass die gemeinsam vereinbarten Regeln auch entsprechend angewandt werden. Natürlich gibt der Vertrag und auch der zuletzt unterzeichnete Fiskalvertrag entsprechende Flexibilität her.
    Da sind Flexibilitäten vorgesehen. Aber es gibt klare Grenzen und klare Regeln, was die Verschuldung anbelangt, und Frankreich hat diese Regeln schon zweimal nicht eingehalten, und deshalb gehe ich davon aus, dass auch für Frankreich das Prinzip Pacta sunt servanda gilt.
    Heinemann: Sie hoffen und Sie gehen davon aus. Aber sicher sind Sie nicht?
    Barthle: Ich bin mir nicht sicher, wie die Kommission entscheiden wird, denn Frankreich ist eines der großen EU-Länder, hat viel Einfluss in Europa, und deshalb muss man gespannt sein, wie das ausgeht.
    Heinemann: Regeln, haben Sie gesagt. Wie funktioniert das, diese Flexibilität von Regeln? Wie kann man, wo 4,3 Prozent steht, 3,0 lesen?
    Barthle: Das kann so gehen, dass man sagt, man zählt bestimmte Dinge zur Verschuldung nicht hinzu, oder man bezieht besondere Sonderfaktoren mit ein, mangelndes Wachstum, weltweite Schwäche des Wachstums und so weiter und so fort. Es gibt da schon sowohl prospektiv als auch retrospektiv gewisse Flexibilitätsregeln.
    Aber es gibt auch die klare Regel, dass die Verschuldung nicht höher als drei Prozent des Bruttosozialprodukts, Bruttoinlandsprodukts sein darf, und diese Regel hat Frankreich schon zweimal gebrochen. Wir hatten vor zwei Jahren die Situation, dass wir gesagt haben, wir geben Frankreich noch mal Zeit. Allerdings waren wir Deutschen der Auffassung, ein Jahr müsste genügen. Die Kommission hat sich dann für zwei Jahre entschieden und gesagt, spätestens 2015 muss Frankreich die Regeln einhalten.
    Jetzt sieht es so aus, dass der Haushaltsentwurf, den Frankreich nach Brüssel gemeldet hat, bereits in der vergangenen Woche, dass der diese Regeln wieder nicht einhält, und das wäre ausgesprochen schädlich für das Vertrauen innerhalb der Eurozone, für das Vertrauen in den Euro, und keiner sagt uns, dass die Spekulation der weltweiten Finanzmärkte nicht von Neuem beginnt, und dann hätten wir das wieder, was wir schon einmal erlebt haben.
    Heinemann: Was sind europäische Verträge wert?
    Barthle: Genau das ist die Frage. Wenn Verträge gebrochen werden, permanent gebrochen werden, dann sind sie nichts wert. Und das große Vertrauen, das Europa derzeit bei den Finanzmärkten genießt, das basiert auf dem verschärften verabschiedeten Fiskalvertrag, der ja schärfere und härtere Regeln vorsieht als der alte Wachstums- und Stabilitätspakt, und deshalb ist es ausgesprochen notwendig, dass man diese Regeln auch einhält.
    Heinemann: Vielleicht wird ja auch mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung getrickst. Seit Wochen wird darüber berichtet, Paris und Berlin bastelten an einem Kompromiss. Der säe dann so aus: Frankreich bekommt mehr Zeit, muss dafür einen konkreten Sparplan vorlegen. Ist das, Herr Barthle, Ihres Wissens regierungsamtliche Politik der Großen Koalition?
    Barthle: Nun, ich weiß, dass Deutschland ein hohes Interesse hat, mit Frankreich ein Einvernehmen zu erzielen. Andererseits ...
    Aushebelung des Wachstumspaktes war "ein fataler Fehler"
    Heinemann: Einvernehmen heißt Tricksen?
    Barthle: Einvernehmen heißt nicht Tricksen, sondern Einvernehmen heißt, einen Weg zu finden, wie Frankreich aus diesem Dilemma herausfinden kann. Andererseits muss es Interesse deutscher Politik und deutscher Regierungspolitik sein, das Vertrauen nicht zu gefährden, das wir genießen weltweit, das Vertrauen, das der Euro wiedergewonnen hat nach der großen schweren Krise.
    Deutschland war schon einmal, damals unter rot-grüner Bundesregierung, daran beteiligt, den Stabilitäts- und Wachstumspakt auszuhebeln. Das hat sich als fataler Fehler erwiesen und wir sollten diesen Fehler nicht noch einmal begehen.
    Heinemann: Wer sagt das Frau Merkel?
    Barthle: Das sagt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, deren Sprecher ich für den Haushalt bin, und das werden wir sicherlich auch so klar zum Ausdruck bringen.
    Heinemann: Und hört sie auch zu?
    Barthle: Ich denke schon.
    Wie wir unseren Haushalt gestalten, ist unsere Angelegenheit
    Heinemann: Was werden Sie, Herr Barthle, unternehmen, sollte die EU-Kommission mit kleinen Retuschen einfach sich zufrieden geben? Wir haben ja jetzt mehrfach über das Tricksen gesprochen.
    Barthle: Nun, dann ist erst ein erster Einstieg gegeben. Aber dann beginnt die weitere Überwachung und die muss dann der Herr Moscovici vornehmen, der neue EU-Währungskommissar, und das wird dann eigentlich die große Bewährungsprobe für diesen Währungskommissar aus Frankreich sein, wie er nämlich mit seinem eigenen Heimatland umgeht in dieser Frage, denn die EU-Kommission müsste ja den laufenden französischen Haushalt überwachen, und Frankreich hat immer wieder dargelegt, dass sie sich jegliche Einmischung von außen verbeten.
    Wir sind der Auffassung, wir wollen uns auch nicht einmischen in die innerfranzösischen Angelegenheiten. Wir legen nur Wert darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Wie Frankreich das macht, das ist eine Angelegenheit der französischen Grande Nation. Wie wir unseren Haushalt gestalten, ist unsere Angelegenheit. Da verbeten wir uns auch jegliche Einmischung. Denn wir halten uns an die Regeln.
    Heinemann: Sind einige EU-Länder gleicher als andere?
    Barthle: Ich hoffe nicht, dass es so sein wird. Die Gefahr besteht, aber ich hoffe nicht, dass es so sein wird.
    Wir brauchen notwendige Strukturreformen in der EU
    Heinemann: Da sind wir wieder beim Hoffen. - Herr Barthle, täuscht der Eindruck, oder müssen sich inzwischen in der Europäischen Union diejenigen rechtfertigen, die sparen und die nicht, koste es was es wolle, Geld für sogenannte Investitionen locker machen?
    Barthle: Nach Auffassung von Frankreich und Italien ist es derzeit so. Da sind wir diejenigen, die die Linien einhalten, die sagen, Konsolidieren ist die eine Seite einer wichtigen Medaille, nur mit konsolidierten Haushalten schafft man auf Dauer Wachstum.
    Kurzfristige Ausgabenprogramme, die schaffen kurzfristiges Strohfeuer, aber kein nachhaltiges Wachstum, und deshalb halten wir dagegen gegen diesen Mainstream, der gerade momentan bei Frankreich und Italien herrscht, man brauche jetzt möglichst viel Geld, um neues Wachstum zu generieren. Dieses Prinzip hat in den vergangenen Jahren nicht funktioniert.
    Die Verschuldung der Europäischen Union ist seit der großen Krise enorm angestiegen, von unter 70 Prozent auf jetzt über 80 Prozent im Schnitt. In dieser Zeit hat man die Verschuldung deutlich erhöht. Demzufolge müsste eigentlich unglaublich schönes Wachstum da sein. Ist es aber nicht!
    Also liegt es nicht am frischen Geld, sondern es liegt an den mangelnden Strukturreformen, und deshalb legen wir großen Wert darauf, dass auch in Frankreich, dass auch in Italien, in anderen europäischen Partnerländern die notwendigen Strukturreformen endlich vorgenommen werden.
    Heinemann: Norbert Barthle, der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Barthle: Ich bitte sehr.
    Norbert Barthle:
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.