Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Frauen in der Forschung
Auf der Suche nach verlässlichen Perspektiven

Frauen sind in der deutschen Forschungslandschaft unterrepräsentiert - denn Familienplanung ist in einem unsicheren Job, der stark von Fördergeldern abhängig ist, schwer. Wie man solche Gelder am besten einfordert, lernten Wissenschaftlerinnen nun in Brüssel.

Von Benedikt Schulz | 20.01.2015
    Eine Wissenschaftlerin blickt durch ein Mikroskop auf bronzene Nadeln
    "Wenn ich als Wissenschaftlerin nicht weiß, was ich in zwei, drei Monaten tue, dann werde ich keine Kinder kriegen", meint NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. (dpa/picture alliance/Holger Hollemann)
    "Also wenn man nicht in der Lage ist, Drittmittel einzufordern, gerade in der Grundlagenforschung ist man nicht überlebensfähig, weils einfach keine festen Stellen an den Unis gibt, aber man muss sich das alles neben der Forschung beibringen, sich verkaufen zu können."
    Britta Majchrzak sitzt in einem Reisebus Richtung Brüssel, um genau das zu lernen: Drittmittel einwerben. Die junge Molekularbiologin forscht in Bochum über eine seltene Darmkrebserkrankung - sie ist eine von rund 100 Wissenschaftlerinnen, die an der Informationsfahrt von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze teilnehmen. Schulze will mehr Frauen ins europäische Forschungsförderprogramm Horizon 2020 locken. Und das tut Not, denn: Der Frauenanteil in einem EU-geförderten Forschungsprojekt liegt in Deutschland bei unter 15 Prozent - deutlich unter dem EU-Schnitt.
    In der Landesvertretung NRW in Brüssel, nahe dem EU-Parlament, begrüßt die Ministerin die Teilnehmer - die bekommen dann erst mal einen gut einstündigen Crash-Kurs in Horizon 2020: Was ist das eigentlich, kann ICH mich da bewerben? Und wenn ja, wo und wie? Das EU-Programm ist umfangreich und vor allem: kompliziert. Mehr als einen ersten Eindruck kann die eingeladene Referentin in der kurzen Zeit nicht liefern. Zumal die Forscherinnen alle mit ganz unterschiedlichen Interessen nach Brüssel gekommen sind. Von der erfahrenen Wissenschaftlerin bis zur jungen Doktorandin, wie Britta Majchrzak:
    "Ganz viele Förderungsmöglichkeiten, die hier angesprochen werden, kann ich sowieso nicht, also noch nicht in Anspruch nehmen. Ich nehm mit, dass es sehr, sehr viele Möglichkeiten gibt, sich auf europäischer Ebene fördern zu lassen, was ich ganz gut finde und wir haben ja relativ gute Tipps bekommen, wo man sich Hilfe holen kann und das ist ja eigentlich das Wichtigste."
    "Es reicht nicht, Frauen besser zu informieren"
    Frauen bewerben sich deutliche seltener als Männer um EU-Fördergelder - und das sei auch nicht verwunderlich, sagt Claudia Eggert. Eggert leitet die europäische Kooperationsstelle der deutschen Wissenschaftsorganisationen, kurz Kowi. Wenn die Wissenschaft auf nationaler Ebene männerdominert sei, dann sei das auf europäischer Ebene nicht anders:
    "Sodass man jetzt auch nicht erwarten kann, dass ein europäisches Programm, bei allen Anstrengungen, die die Kommission macht, dass das sich deutlich unterscheidet von dem, was wir national sehen."
    Eine Frauenquote gibt es bei Horizon-Projektanträgen nicht. Immerhin aber ist das Geschlechterverhältnis ein Kriterium bei der Bewertung der Anträge. Doch an den deutschen Rahmenbedingungen für Frauen in der Wissenschaft ändert das nichts. Ebenso wenig wie ein Tagestrip nach Brüssel, das weiß auch Svenja Schulze:
    "Es reicht nicht, die Frauen besser zu informieren, deswegen setzen wir uns ja ein dafür, dass es verlässliche Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen gibt, Tenure-Track, Juniorprofessuren sind einfach sehr gute Möglichkeiten, um junge Frauen in das System hineinzuziehen und ihnen eine Perspektive zu geben. Wenn ich als Wissenschaftlerin nicht weiß, was ich in zwei, drei Monaten tue, dann werde ich keine Kinder kriegen und dann werde ich gucken, ob ich woanders einen Job bekomme."
    Die Konkurrenz ist groß
    Schulze setzt ihre Hoffnungen vor allem in die demnächst anstehende Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, Karriere in der Wissenschaft und Familie, das soll dann vereinbar sein. Für viele Teilnehmerinnen in Brüssel ist es bislang ein riesiges Hindernis. Auch für Britta Majchrzak:
    "Wenn man jetzt nicht ganz auf Familie und Kinder verzichten will, dann muss man sich das schon ganz genau überlegen, wenn man da länger als ein halbes Jahr raus ist, dann ist man halt raus. Und das wird auch nicht gern gesehen."
    Am Abend geht es zurück nach Düsseldorf. Müdigkeit macht sich breit. Was die Möglichkeiten bei Horizon 2020 angeht, ist bei den meisten Teilnehmern die Botschaft hängengeblieben: Unmöglich ist das nicht, leicht wird's aber auch nicht, denn die Konkurrenz ist groß. Das gilt für Frauen und Männer gleichermaßen. Und was die Zukunft als Frau in der Wissenschaft angeht, will Britta Majchrzak es erst mal versuchen:
    "Für die nächsten Jahre auf jeden Fall und dann mal gucken, wie es so läuft. Man kann das System halt nicht wirklich ändern. Also es wird ewig dauern, da werde ich nichts mehr von haben. Man kann jetzt sagen, man akzeptiert es jetzt so und versucht damit happy zu werden. Oder man macht halt was komplett anderes. Ich würd dann halt was komplett anderes machen."