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Frauenkleidung als Politikum

Das französische Parlament hat ein Burka-Verbot in der Öffentlichkeit gebilligt. Ein Blick in die arabische Welt zeigt, dass die Konfliktlinien dort ähnlich verlaufen können.

Von Mona Naggar | 14.07.2010
    Wieder mal geht es um die symbolische Bedeutung der Frauenkleidung. Nein, nicht in Frankreich, Belgien oder Spanien, sondern in Syrien. Das Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind, hat in den letzten 20 Jahren wie alle anderen islamischen Länder eine Rückbesinnung auf die Religion erlebt. Plötzlich entdeckt es seine säkularen Traditionen. Unterrichten mit Gesichtsschleier ist an syrischen Schulen künftig nicht mehr erlaubt. Letzten Monat hat der syrische Erziehungsminister angewiesen, über 1000 Lehrerinnen, die ihre Schüler mit verhülltem Gesicht unterrichtet haben, vom Schuldienst auf andere Posten zu versetzen. Die Begründung für diesen Schritt lautet, der Nikab widerspräche dem säkularen Charakter des syrischen Staates. Obwohl der Islam im öffentlichen Leben mit Unterstützung der Regierung immer dominanter geworden ist, bleibt Syrien auf dem Papier ein säkulares Land. Darauf hat sich offenbar der Politiker besonnen. Eine öffentliche Diskussion über die Initiative des Ministers fand natürlich nicht statt. So etwas ist in einer Diktatur nicht vorgesehen. Aber auch in der arabischen Öffentlichkeit hat das Dekret des Ministers keine Debatte ausgelöst. Im Moment ist der politische Kurs Syriens offenbar allgemein akzeptiert.

    Versuche den Gesichtsschleier zu verbannen gab es vor Kurzem ebenfalls in Ägypten. Auch in Tunesien gibt es immer wieder ähnliche Aktionen. Diesen arabischen Regierungen geht es nicht um Frauenrechte und um die Frage, ob der Gesichtsschleier mit diesen Rechten vereinbar seien. Den Machthabern geht es schlicht um die Kontrolle der religiösen Kräfte und um die Befürchtung, diese könnten aus dem Ruder laufen. Die Verbannung des Symbols Nikab oder Burka ist geeignet, ein Zeichen zu setzen.

    Interessant ist die Tatsache, dass europäische Regierungen nun auch diesen symbolischen Schritt tun. Die radikalen Anhänger des Islam in ihre Schranken zu weisen - dazu ist ein Verbot des Gesichtsschleiers durchaus geeignet. Andererseits wird in den arabischen Ländern die Einschränkung der Selbstbestimmung des Einzelnen in einem Land diskutiert, das die Demokratie erfunden hat.

    Die Strategie, Körper und Kleidung muslimischer Frauen zum Ersatzschauplatz ideologischer Kämpfe zu machen, hat eine lange Tradition. Westliche Kolonialmächte, nationale Befreiungsbewegungen und Revolutionäre bedienten sich ihrer. Der Tschador war auch das Symbol der Islamischen Revolution im Iran. Aber ausziehen durften ihn die Frauen danach nicht mehr.

    Die eigentliche Frage ist: Wie lange werden sich die Frauen dazu missbrauchen lassen? Wann werden die Stoffe, die in diversen Wickeltechniken Kopf, Hals und Gesicht umhüllen, bedeutungslos werden und aufhören ein Politikum zu sein? Wahrscheinlich erst, wenn Frauen in islamischen Gesellschaften sich ihre Rechte erkämpft haben. Wenn endlich ein gleichberechtigtes Personenstandrecht existiert. Wenn Richterinnen und Politikerinnen an der Tagesordnung sind. Wenn auch Predigerinnen Freitags auf der Kanzel stehen und Männern und Frauen den Koran erklären.

    Trotz der momentanen Dominanz konservativer islamischer Tendenzen gibt es eine aktive Bewegung für Gleichberechtigung, auch aus dem Islam heraus. Nikab- oder Burkaverbote sind nicht nötig. Kopfbedeckungen sind ohnehin Auslaufmodelle! Es ist nur eine Frage der Zeit.