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Freihandelsabkommen
CETA als Türöffner für EU-Sprit aus kanadischen Teersanden?

In Washington geht heute eine weitere Runde in Sachen Freihandelsabkommen TTIP zu Ende. Als Blaupause gilt das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada - kurz CETA. Klimaschützer fürchten, dass als Folge dieses Abkommens das umstrittene Öl aus kanadischen Teersanden in europäischen Kraftstoffen landen könnte.

Von Miriam Braun | 23.05.2014
    Demonstranten gegen das Abkommen in Hamburg
    Die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada stoßen in Deutschland weiterhin auf Kritik. (dpa / picture alliance / Axel Heimken)
    Das Europaparlament hat immer wieder betont, dass der Export von Öl aus Teersanden durch das geplant Handelsabkommen zwischen Kanada und der EU nicht erleichtert werden soll. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist man skeptisch. Anthony Swift arbeitet für den Natural Resources Defense Council in Washington DC, eine internationale Umweltorganisation:
    "Wenn man sich die Aussagen der kanadischen Regierung anschaut, dann wird klar, dass sie neue Märkte für ihre Teersande brauchen. Und Europa ist für sie der größte Raffinerie-Markt der Welt."
    Teersandöle haben schlechtere Treibhausgasbilanz als andere Treibstoffe
    Er und seine Kollegen haben recherchiert, dass Kanada den Abbau von Teersandölen bis 2030 verdreifachen möchte. Unter anderem der kanadische Bundesstaat Alberta hat reiche Vorkommen. Teersande sind eine Mischung aus Ton, Wasser und Kohlenwasserstoffen. Das Öl, das aus ihnen gewonnen wird, hat Studien zufolge auch aufgrund der Art des Abbaus und Transports eine um fast ein Viertel schlechtere Treibhausgasbilanz als andere Kraftstoffe. Bisher seien nur geringe Mengen in Form von Dieselkraftstoffen auf den Europäischen Markt gelangt.
    Denn: Eigentlich hat die EU bereits 2009 eine Kraftstoffqualitätsrichtlinie beschlossen, diese verlangt u.a. bis 2020 eine Reduzierung der Co2 Emissionen aller Kraftstoffe innerhalb der EU um sechs Prozent. Anthony Swift:
    "Die Kraftstoffqualitätsrichtlinie war enorm wichtig, um die Einfuhr von Teersandölen zu verhindern. Leider steht diese grade auf der Kippe. Einige EU-Länder wollen sie aufhalten bzw. nach 2020 auch ganz abschaffen."
    Denn die fünf Jahre alte Richtlinie ist immer noch nicht in Kraft. Ende Juni heißt es aus Kreisen soll eine genauere Ausarbeitung bezüglich Umsetzung und Kontrolle der Standards vorliegen. Fristen wurden schon mehrfach verschoben, die anstehende Europawahl gefährden ein Vorrankommen ebenfalls klagen Umweltschützer. Beobachter sprechen von enormen Lobbyaktivitäten der Industrie als auch der kanadischen Regierung gegen die Richtlinie. Kanadas Finanzminister Joe Oliver, der bis März 2014 auch noch Minister für Bodenschätze war - wird deutlich in einem Gespräch mit dem Online-Wirtschaftsmagazin "The Street" Anfang Mai:
    "So wie sie momentan gestaltet ist, wirkt diese EU-Richtlinie nicht auf der Basis wissenschaftlicher Fakten und sie ist diskriminierend. Sie schreibt den kanadischen Ölsanden eine höhere CO2-Bilanz zu als sie wirklich haben. Das benachteiligt nicht nur uns sondern auch die Raffinerie-Industrie in Europa und trägt nicht zur Reduzierung der Treibhausgase bei. Das ist schlicht schlechte Politik."
    Die EU Kommission hat Anfang des Jahres sogar vorgeschlagen den Teil der Richtlinie, der die Emissionen der Kraftstoffproduktion betrifft nach 2020 ganz aus dem Klimapaket zu nehmen. Das wäre keine Abschaffung aber eine Schwächung.
    Nach den Recherchen von Anthony Swift und seine Kollegen vom Natural Resources Defense Council sprechen viele Indizien dafür, dass die Teersande-Industrie auf deutlich mehr Exporte nach Europa setzt. Durch den Energieboom in den USA werde die Nachfrage von dort schwächer. Zudem verbrauchen die US-Amerikaner momentan rund 2 Millionen Barrel Öl weniger am Tag als noch vor fünf Jahren. Die geplante Keystone Öltrasse von Kanada an die atlantische Golfküste der USA trifft auf massive Bürgerproteste. Derweil würde auch ein Ausbau einer Pipeline aus den westlichen Öl-Provinzen Kanadas in Richtung der heimischen Ostküste gebaut geplant.
    "Die "Transcanada Energy East" Pipeline könnte dann mehr als eine Millionen Barrel am Tag von Alberta an die kanadische Ostküste transportieren. Und Europa ist ein wichtiges Endziel dafür."
    Die Industrie mache daraus kaum einen Hehl, Dokumente lägen vor.
    "Viele kanadische Firmen haben ein Interesse an der Transcanada Energy East und zeigen auch, dass Europa als Abnehmermarkt angestrebt wird. An Transcanada – der Firma, die die Pipeline baut – sind Teersandproduzenten beteiligt. Aber auch die Firmen, die beim Ostküstenhafen in New Brunswick mitmischen."
    Zudem würde die Industrie bereits Verträge mit europäischen Partnern abschließen:
    "Ein Vertrag sieht vor, eine halbe Million Barrel Teersande von der texanischen Golfküste nach Spanien zu verschiffen. Und auch der Pipeline-Betreiber Enbridge Inc. will 25.000 Barrel Teersande am Tag durch die USA schleusen, um es international zu vertreiben - man vermutet, zu Raffinieren in Groß-Britannien."
    Anthony Swift ist sich sicher, dass das Milliardengeschäft mit den Teersandölen - aus denen man so ziemlich jeden erdölbasierten Kraftstoff herstellen kann, oder auch Petrolkoks - ein Brennstoff vergleichbar mit Kohle - einer der Hauptgründe ist, warum die Verhandlungen zwischen EU und Kanada stagnieren:
    "Wir sind bei den Verhandlungen nicht dabei, also ist das Spekulation, aber es wirkt plausibel, dass die Energie-Exporte bei diesem Abkommen eine große Rolle spielen."