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Freihandelsabkommen
Kritik an Ceta reißt nicht ab

Der finale Textentwurf für das Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada liegt vor. Die Kritik von Umweltgruppen bleibt - etwa am Investitionsschutz. Sie befürchten sogar, dass US-Unternehmen Zugriff auf den in Ceta verankerten Investoren-Klagemechanismus bekommen - und TTIP damit gar nicht brauchen.

Von Dieter Nürnberger | 13.09.2016
    Kartons mit Formularen zur Verfassungsbeschwerde gegen das geplante Freihandelsabkommen zeigen eine Hand, die mit einem Stift den Schriftzug CETA durchstreicht
    Im August hat ein Bündnis gegen Ceta stellvertretend für mehr als 125.000 Mitkläger Verfassungsbeschwerde gegen das Freihandelsabkommen eingereicht. (imago stock&people)
    Gentechnik in der Landwirtschaft spielt auch bei Ceta eine Rolle. Da reicht aus Sicht der Kritiker allein schon ein Blick auf die Zahlen: So ist der Einsatz der Gentechnik in Kanada weitverbreitet, beispielsweise seien über 90 Prozent des dort angebauten Rapses gentechnisch verändert.
    Zwar soll es im Handelsabkommen keine direkte rechtliche Verpflichtung geben, die strengeren europäischen Zulassungsverfahren zu verändern. Aber letztlich sei deshalb noch lange nicht festgeschrieben, dass kanadische Unternehmen nicht doch auf eine Zulassung in der EU drängen würden.
    Und hier kommt nun wieder der Passus des in Ceta verankerten Investitionsschutzes für beteiligte Unternehmen ins Spiel. Hier seien in der Vergangenheit einzelne Änderungen am Vertragstext zwar vorgenommen worden, doch bleibe ein recht umfangreicher Schutz für Investoren weiterhin bestehen - und so könnten durchaus europäische Standards aufgeweicht werden, sagt Peter Fuchs. Er ist Geschäftsführer von Power Shift, dem Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- und Weltwirtschaft.
    "Es ermöglicht Investoren der jeweils anderen Vertragspartei vor einem Investitionstribunal, einem Gerichtssystem für Investoren, hohe Entschädigungen einzufordern, wenn diese Investoren glauben, dass ihre Eigentumstitel in der Investition und auch ihre künftigen Gewinnerwartungen durch Regulierung betroffen sind. Das können Regulierungen zum Umwelt- und Gesundheitsschutz, zur Arbeitssicherheit oder ähnliche Regeln sein."
    Zu vage Vorgaben zum Investitionsschutz
    Inzwischen liegt ja der finale Textentwurf für das Abkommen vor und die Kritik der Umweltgruppen bleibt beim Thema Investitionsschutz weiterhin bestehen. Die formulierten Richtlinien stellten lediglich eine zu vage Vorgabe dar.
    Mit Befremden reagiert Peter Fuchs auch auf die Möglichkeiten, die US-amerikanische Unternehmen durch Ceta erhalten würden. Rund 42.000 US-Unternehmen seien beispielsweise schon heute in der EU tätig, hätten zudem aber gleichzeitig eine Geschäftstätigkeit in Kanada. Wir wissen ja, dass derzeit mit TTIP auch ein US-europäisches Handelsabkommen sehr kontrovers diskutiert wird. Peter Fuchs von Power Shift sagt nun, dass die Verabschiedung von TTIP für diese Unternehmen - dank Ceta - nun gar nicht mehr so entscheidend sei:
    "Diese Unternehmen brauchen TTIP gar nicht mehr. Und mögliche TTIP-Verhandlungen oder weitere Entschärfungen des dortigen Klagemechanismus' würden unwirksam, wenn Ceta jetzt verabschiedet wird. Denn US-Unternehmen könnten dann durch Strukturierung ihrer Investitionen Zugriff auf den in Ceta verankerten Investoren-Klagemechanismus haben. Sie wären dumm, wenn sie es nicht tun würden. Ihre Anwälte würden ihnen auch abraten, hier einen möglicherweise veränderten TTIP-Mechanismus zu wählen."
    Rückschlag für Kleinbauern in Deutschland
    Ein zweiter Aspekt betrifft vor allem die Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Die Ratifizierung von Ceta würde auch einen Rückschlag für viele kleinere, bäuerliche Betriebe in Deutschland, in der EU allgemein, bedeuten. Berit Thomsen ist Handelsreferentin bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der AbL.
    "Auf dem Weltmarkt findet eine Preisschlacht statt. Nach dem Motto: Der billigste Anbieter erhält den Zuschlag. Es geht nicht um Qualität, es geht um den Preis. Aus unserer Sicht sind solche Abkommen auch deshalb abzulehnen, weil das zu einer Kapitalvernichtung in den Betrieben und auch vielen ländlichen Räumen führt. Die Gewinner sind ausschließlich exportorientierte Konzerne."
    Aufweichung bei regional geschützten Produkte
    Es gehe beispielsweise im Agrarbereich auch um die Deklaration von in Europa regional geschützten Produkten - auch dieser Bereich könnte aufgeweicht werden, so die Befürchtung von Berit Thomsen.
    "Es gibt in der EU 1.308 Lebensmittel, die solche Herkunftsangaben haben, die dadurch geschützt sind. Im Ceta-Vertrag werden aber gerade einmal 173 davon geschützt bleiben. Das heißt: Alle anderen Produkte müssen demnach nicht mehr hier in Europa, in den Betrieben vor Ort, erzeugt werden, um unter diesem Namen verkauft zu werden. Sie können dann auch in Kanada erzeugt werden."
    Die Kritik an Ceta bleibt also bei vielen Umweltgruppen und Vertretern einer nachhaltigen Landwirtschaft bestehen. Auch der nun vorgelegte und leicht veränderte finale Entwurf für das geplante Handelsabkommen ändert daran nichts.