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Fremdenfeindliche Stimmung
Künstler verlassen Thüringer Theater

Musiker, Sänger, Tänzer und Schauspieler am Thüringer Theater Gera-Altenburg kommen aus aller Welt, 60 von 300 Mitarbeitern sind keine Deutschen. Ende Dezember machte der Generalintendant des Theaters öffentlich, dass vier seiner Künstler das Haus vorzeitig verlassen wollen, weil sie sich fremdenfeindlichen Angriffen ausgesetzt sehen.

Von Henry Bernhard | 04.01.2017
    Szene aus "Die Schutzlosen. Les Zéros-Morts" am Theater Altenburg.
    Theater zeigt Wirklichkeit: Eine Probe des Stücks "Die Schutzlosen. Les Zéros-Morts" am Theater Altenburg. Die Inszenierung zum Thema Flucht und Asyl wurde 2014-2015 aufgeführt. (dpa / picture alliance/ Martin Schutt)
    "Amahl und die nächtlichen Besucher" ist eine Kammeroper für die Weihnachtszeit, über eine gestresste alleinerziehende Mutter, ihren Sohn und die Heiligen Drei Könige. Am Klavier im Theater Altenburg sitzen ein Japaner und eine Pianistin mit spanischen und japanischen Wurzeln, einer der Könige, Melchior, ist Chinese, Balthasar hat dänische und amerikanische Eltern.
    Alltag an deutschen Bühnen. Dennoch wollen mit dem Auslaufen der Spielzeit vier Schauspieler und Sänger ihren Vertrag mit dem Theater Gera-Altenburg nicht verlängern, weil sie sich in der Öffentlichkeit der Stadt als Ausländer angefeindet sehen. Unter ihnen ist die griechische Schauspielerin Katerina Papandreou:
    "Also, um ganz ehrlich zu sein, die Situation hat sich sehr geändert im Vergleich zu vor zwei Jahren. Ich kann nicht sagen, dass ich jeden Tag Angst habe, wenn ich auf der Straße bin, aber ich fühle mich ganz oft unwohl, oder ich sehe Leute, die mich angucken, unfreundlich, weil sie meine Aussprache hören oder weil sie merken, dass von meiner Haut her oder meinem Haar her, dass ich keine Deutsche bin."
    "Man fühlt sich als Ausländer nicht mehr so wohl"
    Dabei hat sie einen deutlichen Vergleich zur Situation in Altenburg vor drei Jahren: "Das war gar nicht so. Vor drei Jahren waren zum ersten Mal hier für ein Projekt; ich war hier für drei Monate, ich konnte kein Deutsch. Und überall, wo ich gesagt habe, ich bin Griechin, alle Leute waren sehr froh, sehr freundlich. Jetzt ist es leider nicht so. Und man merkt das sozusagen jeden Tag irgendwie, mit komischen Blicken oder "Was macht die hier jetzt?"
    Aber es ist immer an der Grenze zur Höflichkeit, man kann nicht sagen, jemand hat mich angesprochen oder so, aber man merkt das. Man fühlt sich als Ausländer nicht mehr so wohl. Zu Hause kann ich das nicht nennen."
    Deshalb will sie die Arbeit, die ihr Spaß macht, aufgeben und damit auch die soziale Sicherheit, und die Stadt, die ihr eigentlich gefällt, verlassen. Papandreou: "Und ich denke mir ganz oft: Wenn ich so ein Problem habe, wo ich weiß bin, wie ist es, wenn jemand schwarz ist?"
    Schauspieler aus Burkina Faso mehrfach bedroht
    Die Antwort darauf gibt Bernhard Stengele, Schauspieldirektor am Theater Gera-Altenburg, stellvertretend für einen Schauspieler, der Altenburg ebenfalls verlassen wird:
    "Wir hatten Ouelgo Téné, einen Kollegen aus Burkina-Faso, auch eingeladen für dieses Gespräch, und er hat gestern erst zugesagt, und dann hat er mich abends noch mal angerufen und hat gesagt, das geht nicht. Seine Anwesenheit hier hat sich so verändert, am Anfang war das wirklich schön für ihn, und er ist so verletzt! Er fühlt sich nur noch im Theater wohl, er mag nicht mehr alleine auf die Straße gehen, weil er immer und immer und immer mit schlechten Kommentaren usw.
    Er war auch schon zwei Mal in einer bedrohlichen Situation, es ist nichts passiert, aber er möchte hier nicht mehr leben. Das Lebensgefühl hier, wenn er sich nur noch auf der Arbeit wohl fühlt, dann können wir ihn nicht halten – mit was denn?"
    Stengele sieht eine klare Verbindung zwischen dem wachsenden Rechtspopulismus in der Stadt und der ausländerfeindlichen Stimmung. Dabei genüge schon eine kleine Minderheit, um die zu erzeugen.
    "Ich bin wirklich wahrhaft erbost darüber: Es wird jetzt immer davon geredet, dass man die Sorgen der Leute ernst nehmen soll. Aber keiner sagt, "He, worüber regt ihr euch auf? In Altenburg, es gibt gar keine Ausländer hier!" Das ist eine vollkommen irrationale Angst, und die wird auch von Offiziellen auf eine Art und Weise ernst genommen, als ob es wirklich ein Problem gäbe! Also das ist der eigentliche Witz: Der Ouelgo mit seiner schwarzen Hautfarbe wird ja deshalb hier immer angesprochen, weil er fast der einzige ist, der hier lebt", so Bernhard Stengele.
    Lokale Politiker reagieren - aber zu spät
    Die Landrätin zeigte sich erschüttert, der Oberbürgermeister distanziert sich von Fremdenfeindlichkeit und erklärt, dies sei ja ein deutschlandweites Phänomen, der Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff warnt:
    "Ich halte das für ein ganz gefährliches Signal, ich halte das auch für die Internationalität unserer Theater und Orchester für ein ganz schlechtes Zeichen."
    … und lädt die vier Schauspieler zum Gespräch. Allein, deren Entscheidung steht fest: Sie werden Altenburg verlassen.