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Frust und Armut

Die Arbeitslosigkeit in Georgien erreicht derzeit einen neuen Höhepunkt. Seit knapp einem Jahr ist eine neue Regierung im Amt. Hoffnungen, die in sie gesetzt wurden, wurden enttäuscht. Wirklich verbessert hat sich wenig.

Von Thomas Franke | 23.08.2013
    Für viele Georgier ist illegale Arbeit ein letzter Notanker.
    Für viele Georgier ist illegale Arbeit ein letzter Notanker. (picture-alliance / ZB / Jan Woitas)
    Plattenbauten. Eine lang geschwungene Auffahrt zu einer Schnellstraße. Am Rand stecken Maschinen mit langen Bohraufsätzen im Boden, Motorsägen liegen daneben. Hinter den Maschinen stehen Männer, einzeln, in Grüppchen. Einer ist Gela, 53 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, Klempner, seit 20 Jahren arbeitslos.

    "Hier geht es nie voran. Das ist nun mal so. Georgien ist Georgien. Aber das ist auch in Aserbaidschan so, in der ganzen Ex-Sowjetunion."

    Jeden Tag steht er an der Auffahrt und hofft, dass jemand seine Arbeitskraft braucht.

    "Ich habe vielleicht fünf Mal, vielleicht zehn Mal im Monat einen Job. Es reicht zum Essen. Wir kaufen immer das billigste. Die Ursachen für das Problem liegen weit zurück, nicht in den letzten zehn oder 20 Jahren. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat jeder Fehler gemacht. Alle prügeln auf die Politiker ein, aber es kann nicht sein, dass früher alles besser war und heute immer alle alles falsch machen."

    Einer dieser viel kritisierten Politiker ist Georgiens stellvertretender Arbeitsminister Kakha Sakandelidze. Er gibt offen zu, dass man im Ministerium keine Idee hat, wie man die Situation retten könnte.

    "Für uns ist Arbeitslosigkeit ein sehr schmerzhaftes Thema, nicht nur für die Betroffenen, es gibt in ganz Georgien eine hohe Arbeitslosenrate. Da gibt es betroffene Gruppen, wie körperlich Behinderte. Wir werden irgendwann auch eine Infrastruktur aufgebaut haben und dann auch Arbeit vermitteln können. Dann können wir auch Programme haben, um die betroffenen Bevölkerungsgruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Da geht es auch um junge Leute und natürlich um Frauen."

    Sakandelidze ist dazu in ständigem Kontakt mit der Internationalen Arbeitsorganisation, einer Einrichtung der Vereinten Nationen, die soziale Gerechtigkeit, Menschen- und Arbeitsrechte fördern soll. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt in Georgien bei 15 Prozent. Doch real ist sie um einiges höher.

    Ein dunkler Mercedes hält. Sofort bildet sich eine Traube um das Auto. Auf dem Beifahrersitz ein Mann mit Sonnenbrille, sein weißes Hemd spannt dramatisch über dem Bauch. Er braucht Parkettleger, will für einen halben Tag maximal 20 Lari bezahlen. Das sind umgerechnet etwa zehn Euro.

    Auch Amiran ist sauer. Er ist 54 Jahre, Anstreicher:

    "Manchmal kommen mehrere Kunden am Tag, manchmal gar keiner. Ich habe etwa einmal, zweimal die Woche Arbeit, da bekomme ich so 30 bis 40 Lari am Tag. Klar ist das hier nicht legal, aber was sollen wir machen. Es gibt ja keine geregelte Arbeit."

    In Georgien wird so gut wie nichts produziert. Im Mai blieb erstmals seit langer Zeit das erwartete Wirtschaftswachstum aus. Dabei ist Georgien nicht unattraktiv. Die Steuern sind niedrig, Lohn- und Energiekosten auch. Die Bürokratie ist recht unkompliziert und das Interesse an Zusammenarbeit mit dem Westen ist immer noch groß. Aber gerade wegen der extrem niedrigen Bezahlung kam es immer wieder zu Streiks. Kakha Sakandelidze, der stellvertretende Arbeitsminister:

    "Die meisten Arbeiter waren mit ihrer Bezahlung nicht zufrieden. Auch nicht mit den Sicherheitsstandards und den Gesundheitsbedingungen am Arbeitsplatz. Was Tarifverträge angeht, ist das ein Streit zwischen den Arbeitern und den Arbeitgebern."

    An der Straße bei den Handwerkern brennt die Sonne. Unter einem Baum hocken ein paar Männer. Auf eine Kiste haben sie ein Damebrett aufgemalt, rote und grüne Flaschendeckel dienen als Spielsteine. Auch Gela, der Klempner, sieht zu.

    "Was wir hier machen, ist zwar nicht legal, aber was soll die Polizei tun? Arbeitslose einsperren? Uns alle festnehmen?"