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Gentests sollen besser reguliert werden

Medizin. - Gentests für Erbkrankheiten, Gentests für Herz-Kreislauf-Leiden, Gentests für die Krebsdiagnostik - die Zahl der medizinischen DNA-Untersuchungen wächst ständig an. Bei dem genauen Blick ins Erbgut verspüren viele ein Unbehagen, fürchten vor allem, dass auch andere in einen Blick in ihre genetischen Karten werfen wollen, Arbeitgeber und Versicherungen beispielsweise. Seit Jahren diskutiert die Politik deshalb ein Gendiagnostikgesetz, heute hat sich endlich das Kabinett mit diesem Thema beschäftigt und ein Eckpunktepapier verabschiedet.

Von Volkart Wildermuth | 16.04.2008
    Jeder Einzelne darf für sich selbst entscheiden, was er über seine Gene wissen will und was nicht. Das ist ein entscheidender Grundsatz in dem Eckpunktepapier der Bundesregierung. Eine solche Entscheidung setzt aber eine ausgewogene Aufklärung über einen Gentest und die Konsequenzen aus möglichen Ergebnissen voraus, das hat schon die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik in ihrer Leitlinie "Genetische Beratung" festgelegt. Ihr Vorsitzender Professor Peter Proping von der Universität Bonn hatte deshalb im Vorfeld klare Regeln gefordert:

    " Wichtig ist, dass die Personen von Fachleuten aufgeklärt werden über das Risiko. Die Beratung durch Ärzte vor einer prädiktiven genetischen Diagnostik, der so genannte Arztvorbehalt, dann ist unbedingt festzuschreiben, dass letztlich die betroffene Personen oder der Angehörige selber entscheiden muss, ob er so eine Untersuchung machen möchte. "

    Die Realität sieht bislang anders aus. Während bei den Krankenkassen immer mehr Gentests abgerechnet werden, stagniert die Zahl der Beratungen. Das Gendiagnostikgesetz wird nun aber festlegen, dass eine Beratung zwingend erforderlich ist, die nur speziell qualifizierte Ärzte anbieten dürfen. Mit diesem Arztvorbehalt ist eine wichtige Forderung der Humangenetiker erfüllt. Besorgte Patienten sind damit gut geschützt, es gibt aber offenbar eine ganze Reihe Menschen, die keine Angst vor den Genen haben, sondern neugierig einen Blick ins eigene Genom werfen wollen. Für sie bieten eine ganze Reihe von Firmen die Gentests über das Internet an, aus denen sich maßgeschneiderte Ernährungstipps oder ein umfassendes Gesundheitsprofil ableiten lassen sollen. Wissenschaftlich bewegen sich diese Unternehmen dabei meist auf dünnem Eis, in jedem Fall lassen sie ihre Kunden mit den Ergebnissen weitgehend allein. Vor solchen Lifestyle-Gentests kann ein deutsches Gesetz nur sehr begrenzt schützen. Problematisch aus Sicht der Wissenschaft ist die enge Begrenzung des künftigen Gesetzes auf Gentests. Dabei werden nach Ansicht der Bundesregierung "persönliche identitätsrelevante Gesundheitsdaten, mit hohem prädiktiven", also vorhersagendem Potenzial. Das ist richtig, man braucht aber nicht unbedingt einen Gentest, um einen Blick in die medizinische Zukunft einer Person zu werfen. Die Erbkrankheit Hypercholesterinämie lässt sich ebenso gut über die extrem erhöhten Cholesterinwerte, wie über die DNA diagnostizieren, meint Thomas Deufel, Professor für Laboratoriumsdiagnostik an der Universität Jena.

    " Die medizinisch relevante Tatsache ist dieselbe, die Folgen für den Patienten sind dieselben, auch die Folge, wenn diese Disposition bekannt wird seinem Arbeitgeber ist dieselbe, es ist völlig unsinnig die Mutationsanalyse im Gendiagnostikgesetz zu schützen und die Alltags-Untersuchung Cholesterinmessung hier völlig außen vor zu lassen. "

    Versicherungen können schon heute mit einigen wenigen Fragen nach dem Alter, dem Blutdruck, den Cholesterinwerten und nach dem Rauchstatus eine recht gute Prognose über das künftige Herzinfarktrisiko abgeben. Einen Gentest benötigen sie dafür gar nicht. Vielleicht auch deshalb hat sich die Versicherungswirtschaft bereiterklärt, zumindest bis 2011 nicht einmal nach schon vorgenommenen Gentests zu fragen, außer wenn es um extrem hohe Lebensversicherungen geht. Diese freiwillige Selbstbindung will die Bundesregierung jetzt im Gesetz dauerhaft festschreiben. So wird das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auch auf dem Gebiet der Genetik durchgesetzt. Jeder darf selbst bestimmen, wer etwas über seine Gene erfahren soll. Das gilt auch gegenüber dem Arbeitgeber - und gegenüber den Forschern. Die sind derzeit dabei Biobanken zusammenzustellen, in denen DNA-Proben und Informationen über die Gesundheit von vielen Menschen gesammelt werden. Welche Gentests an den Proben vorgenommen werden, lässt sich vorab nicht sinnvoll eingrenzen. Hier könnte die vorgeschriebene umfassende Beratung ein großes Hindernis darstellen. Entscheidend sind allerdings die konkreten Formulierungen im Gesetzt und wann die vorliegen werden, kann nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Gendiagnostikgesetz niemand vorhersagen.

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