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Gentherapie gegen Aids

Medizin. - Aids ist nach wie vor nicht heilbar. Aber mit einer Kombination aus mehreren Wirkstoffen lässt sich das Virus für viele Jahre in Schach halten. Mit Hilfe einer Gentherapie, glauben viele Wissenschaftler, müsste es ebenfalls möglich sein, ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen wie mit dem Medikamenten-Cocktail. Der Wissenschaftsjournalist Martin Winkelheide berichtet im Gespräch mit Marieke Degen.

16.02.2009
    Degen: Ist diese Gentherapie schon ein Ersatz für die Medikamente?

    Winkelheide: Nein, ist sie noch nicht. Die Medikamente können immer noch viel besser die Vermehrung des Virus unterdrücken. Aber was man gesehen hat, ist, dass eine Gentherapie funktionieren kann. Die Forscher würden sagen, sie ist sicher und sie ist aktiv und sie hat wenige Nebenwirkungen.

    Degen: Was muss ich mir denn jetzt unter einer Gentherapie konkret vorstellen?

    Winkelheide: Es sind ja ganz viele Gentherapien entwickelt worden seit den 90er Jahren und es sind alles experimentelle Verfahren. In der Regel geht es darum, dass man bei einer Stoffwechselerkrankung, bei der man ein Gen kennt, das defekt ist, versucht, ein therapeutisches Gen in Zellen einzuschleusen. Dazu braucht man in der Regel als Gen-Taxi ein Virus. Und dann hofft man, dass das neue therapeutische Gen möglichst in den Zellen ankommt, wo es hin soll, und dass es dann auch dort aktiv wird und arbeitet. Und dann könnte damit auch eine Krankheit geheilt werden. Die Euphorie war immer groß, es hat immer wieder Rückschläge gegeben, auch Todesfälle. Es gibt erst eine Gentherapie, die tatsächlich zugelassen worden ist, in China zur Krebsbehandlung, und eine, die funktioniert hat, wenn auch mit starken Nebenwirkungen, in Frankreich.

    Degen: Aber wie sieht denn jetzt eine Gentherapie gegen Aids aus?

    Winkelheide: Hier ist es so, dass man nicht ein defektes Gen versucht, zu reparieren oder durch ein neues zu ersetzen, sondern die Forscher der Universität Los Angeles haben sozusagen ein Gen maßgeschneidert. Dieses Gen soll etwas ganz Spezielles machen, es wird daraufhin ein kleines Molekül gebildet, RNS, und die heftet sich an die Erbinformation des Virus und zerbeißt die an besonderen Stellen. Es geht darum, dass sich das Virus zum einen nicht vernünftig in die Zellen einbauen kann, wenn es dort eingedrungen ist, und zum anderen, dass nachher, wenn die Grundbausteine für das Virus von der Zelle hergestellt werden, das nicht mehr richtig funktioniert, dass also keine kompletten Viren mehr heraus kommen können.

    Degen: Wo kommt denn das Gen eigentlich her, das die Forscher eingeschleust haben?

    Winkelheide: Es ist maßgeschneidert, es ist sozusagen zielgenau auf einen bestimmten Abschnitt in der Erbinformation des Virus hin konstruiert worden. Als Transportmittel benutzt man auch ein bekanntes Gentaxi, das ist ein Mäuse-Leukämie-Virus, wobei man das so umgebaut hat, damit es keinen Schaden anrichten kann.

    Degen: Wie gut die Therapie denn jetzt funktioniert?

    Winkelheide: Sie hat insofern ganz gut funktioniert, man hat das Gen in Blutstammzellen hineingegeben, die man vorher den Patienten entnommen hatte, und konnte dann auch nachweisen, das Gen ist drin und auch aktiv. Dann hat man wie bei einer Bluttransfusion den Patienten das Blut wieder zurückgegeben mit dem zusätzlichen Gen. Man weiß aus früheren Studien, dass tatsächlich auch die Zellen dann auch in das Knochenmark eingewandert sind. Und aus diesen Blutstammzellen werden ja alle Zellen unseres Blutsystems gebildet, also auch die Zellen, in die das HI-Virus gerne hinein möchte.

    Degen: Gibt es denn auch Risiken?

    Winkelheide: Es gibt Risiken, das liegt vor allem an dem Gentaxi, was benutzt worden ist. Man kennt das aus anderen Studien in Frankreich, da hat man genau dieses Virus auch genommen und da hat sich das Virus immer an eine ganz bestimmte Stelle eingebaut im Erbgut. Und das war dummerweise eine Stelle, wo ein Onkogen, also ein krebsförderndes Gen in der Nähe lag. Das ist dann mit aktiviert worden und dann sind die Kinder, die an einer seltenen Immunschwächekrankheit litten, nachher krank geworden. Sie waren quasi geheilt, sind aber nachher krebskrank geworden. Und das wollte man in dem Fall unbedingt verhindern und hat gesehen, dass das Virus wirklich sich nicht gezielt einbaut, sondern nur an bestimmten Stellen. Das hat auch funktioniert, man kann sagen, das Virus ist unterdrückt worden, in der ersten Zeit gut, nachher schlechter. Und jetzt muss man nach Wegen suchen, wie man das hinbekommt, dass sozusagen mehr Zellen mit dem neuen Virus sich auch wirklich im Knochenmark einbauen.

    Degen: Nehmen wir einmal an, es würde eines Tages eine wirksame Gentherapie geben, würde sie dann zum Einsatz kommen? Wäre sie auch für Entwicklungsländer geeignet?

    Winkelheide: Das wäre eigentlich ein pfiffiger Ansatz, aber das ist wahrscheinlich utopisch, weil das Ganze für jeden Patienten maßgeschneidert werden muss. Man braucht doch enorme Laborkapazitäten und ordentlich Wissenschaft im Hintergrund. Wahrscheinlich ist es zu teuer und wird wahrscheinlich erst einmal, wenn, dann in den reichen Ländern zum Einsatz kommen.