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Gezielte Aktionen

Jahrzehntelang schlummerte der Konflikt zwischen Buddhisten und Muslimen in Myanmar, dem früheren Birma, unter der Repression der Militärdiktatur. Mit der allmählichen Öffnung des Landes nimmt der Religionsstreit nun an Schärfe zu – und wird zur Gefahr für Myanmars Weg zur Demokratie.

Von Udo Schmidt | 11.05.2013
    Gebet in einer Ruine. Die islamische Gemeinde von Kyot Pint Kaunt, einer Kleinstadt 200 Kilometer westlich von Rangun, hat sich fast trotzig in den Resten ihrer Moschee eingefunden. Die Gemeindemitglieder wollen weitermachen, sich nicht vertreiben lassen - wie genau es aber weitergehen soll, das wissen sie im Moment auch nicht, sagt U Min Swe, der Imam der grünen Moschee an der Hauptstraße, deren Minarette noch stehen, deren Schulräume aber vollkommen zerstört sind.

    Vor einigen Wochen überfielen nachts buddhistische Mönche, Mitglieder der radikalen Gruppe 969, die Moschee, erzählt U Min Swe, berichten aufgeregt alle Mitglieder der Gemeinde - rund 100 Menschen drangen auf das Gelände, mit einem Bulldozer rissen sie Teile des Gebetshauses ein.

    Eine gezielte Aktion aggressiver Buddhisten gegen die islamische Minderheit war das, keine spontane Affekthandlung. Myanmar steht vor einem Problem, das jahrzehntelang unter der Oberfläche schlummerte: der Aggression zwischen den Religionsgemeinschaften im Land. Vorhanden war diese Aggression schon immer, sagt Mya Aye, Muslim und Führungsmitglied der Oppositionsgruppe 88 Students Generation Group:

    "Seit 1997 etwa gab es immer wieder kleine Auseinandersetzungen, viele muslimische Einwohner Myanmars standen immer unter Druck, das ist nicht erst jetzt entstanden."

    Die Muslime von Kyot Pint Kaunt wollen bleiben, sagt U Tin Win, der die Geschäfte der Moschee führt. Wohin sollen sie auch gehen, die feindselige Stimmung gibt es derzeit überall im Land.

    "Wir wissen im Moment nicht, was wir tun sollen, wir hoffen auf die Regierung."

    U Tin Win blättert in einem Fotoalbum. Bilder von demolierten Autos aus der Nachbarschaft sind eingeklebt, auf die Motorhauben ist die Zahlenkombination 969 gesprüht. Die radikalen buddhistischen Mönche dieser Gruppe, die Hass gegen Muslime in Myanmar predigen, haben ihr Zeichen hinterlassen. Daneben Fotos des zerstörten Klassenzimmers der Moschee:

    "Hier sieht man, dass alles zusammengebrochen ist."

    Ermittlungen gegen die Täter gibt es keine in Kyot Pint Kaunt – Sicherheitskräfte aber tauchen während der Interviews auf und brechen diese ab. Keine Gespräche mehr mit den Muslimen in ihrer Moschee, schon gar keine Fragen an die buddhistische Mehrheit der Kleinstadt, lautet die Anweisung. U Min Swe bleibt nur noch, zum Abschied seine Angst auszudrücken:

    "Wir sind sehr vorsichtig geworden, immer wenn wir irgendetwas hören, gerade nachts, schrecken wir auf."

    Ba Da Na Paung Maw Kah ist einer der bekanntesten Mönche in Mynmars Metropole Rangun, sein Rat ist häufig gefragt. Der Vorsteher des Magwe Pa Yi Ya Thi-Klosters weiß das und verhält sich entsprechend selbstbewusst, nahezu unbuddhistisch. Die Gewalt der vergangenen Wochen sei ausschließlich von den Muslimen im Land ausgegangen, sagt er donnernd:

    "Daran war eine Gruppe islamischer Extremisten schuld, die in unserem buddhistischen Land leben und Gewalt anstreben. Sie glauben daran, ins Paradies zu kommen, wenn sie sterben."

    Eine gewagte These, wurden doch in Meikhtila prügelnde buddhistische Mönche auf Video festgehalten und nicht islamische Extremisten, gibt es doch unstrittig die radikale buddhistische Gruppe der 969er, die vom rassistisch auftretenden Mönch Saydaw Wirathu angeführt wird. Dieser ruft, wenn nicht zur Gewalt, dann zumindest zur Ausgrenzung der Muslime auf. Ba Da Na Paung Maw Kah winkt ab - wer da mitmache, sei kein Mönch:

    "Die, die in Meikhtila demonstriert haben, die auf den Straßen waren, sind keine richtigen Mönche gewesen. Sie haben zwar orange getragen, aber sie glauben nicht wirklich an die buddhistischen Lehren."

    Thit Lwin Aung ist schlank, fast dünn und hat kurzgeschorenes Haar. In einer orangenen Robe würde der 23-Jährige einen perfekten Mönch abgeben. Der junge Mann ist jedoch frisch diplomierter Mathematiker. Trotzdem verbindet ihn etwas mit den Mönchen. Er unterstützt die Gruppe 969, junge radikalisierte Mönche, die glauben, den Buddhismus in Myanmar verteidigen zu müssen und sich daher in den vergangenen Wochen Straßenschlachten mit der Minderheit der Muslime im Land geliefert haben. Dutzende Menschen kamen dabei ums Leben.

    "Die 969er wollen die Religion schützen, sie wollen den jungen Menschen zeigen, was Buddhismus bedeutet, in friedlicher Weise natürlich. Aber manche haben das falsch verstanden."

    "969", die Zahlenkombination steht für die Tugenden des Buddhismus. An vielen Autos kleben derzeit "969"-Aufkleber, Straßenstände in der Innenstadt Ranguns verkaufen "969"-T-Shirts, die direkt neben bedruckten Hemden mit dem Logo der Nationalen Liga für Demokratie hängen, der Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.

    In Myanmar, dem Land auf dem Weg zur Demokratie geht derzeit einiges durcheinander. Die sonst doch friedlichen Buddhisten werden per Video der Prügelattacken überführt, die normalerweise durchaus wortgewaltige Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi hält sich mit Vorschlägen zur Lösung des Problems auffallend zurück, nächtliche Ausgangssperren kürzlich sogar in der Metropole Rangun machen auch dem Letzten deutlich, dass die Reformen in Myanmar in Gefahr sind. Genau diesen Zusammenhang betont auch Studentenführer Di Nyein Lyin. Der 25-Jährige saß bis Anfang vergangenen Jahres m Gefängnis, vier Jahre verbrachte er hinter Gittern. Bisher darf er sein Studium nicht weiterführen. Di Nyein Lyin hat also viel Zeit, sich Gedanken zu machen.

    "Myanmar hat viele Probleme, den Konflikt mit der Kachin-Minderheit m Norden, Auseinandersetzungen mit Bauern um ihr Land, die Regierung will mit dem Religionskonflikt davon ablenken."

    U Thein Win Tun ist Muslim, einer von fünf Prozent der Bevölkerung in Myanmar. Er lebt in einer geräumigen, schönen Wohnung mitten in der Altstadt Ranguns. Er sagt Ähnliches:

    "Manche haben eben ein Interesse, von den eigentlichen Problemen abzulenken und die Demokratisierung zu stoppen. Daher der Konflikt mit uns Muslimen. Wir leben doch schon immer hier."

    Der 27-Jährige lehrt islamisches Recht an einer Privatschule, Al-Sheik Saeedullah heißt er dort. In unserer Familie haben wir auch Buddhisten, sagt der junge Mann, es gab nie ein Problem, aber die Gruppe 969, die mache ihm schon Angst. Für das Image Myanmars, das dringend Investitionen benötigt, um den Reformeifer zu unterstützen, sind die zumindest religiös verbrämten Konflikte jedenfalls ein großes Problem. Gerade jetzt, nachdem die Sanktionen vollständig aufgehoben sind.
    Der Mönch Bo Da Na Paung Maw
    Wer da mitmache, sei kein Mönch, sagt Bo Da Na Paung Maw. (Udo Schmidt)