Freitag, 19. April 2024

Archiv


Gezwitscher im Netz

Twitter - auf Deutsch: Gezwitscher - heißt der neueste Medienhype. Über diese Web.2.0-Plattform können Nutzer Nachrichten von maximal 140 Zeichen im Internet veröffentlichen. Lesen kann diese sogenannten Tweets dann jeder, der die Mitteilungen einer Person abonniert hat.

Von Julia Eikmann | 13.12.2008
    Im Internet wird fleißig gezwitschert. Die Frage, die jedes Zwitscher - jeder Tweet also - beantworten sollte, lautet : "Was machst Du gerade?"

    "Oh Fitness-World, ich verfluche den Tag, an dem Du gebaut wurdest! War natürlich gespannt und bin so mittelmäßig überzeugt von Monty Pythons."

    "Hab das Making-of-Video gesehen, das Britneys neuem Album beilag… Sie ist so reif geworden, freut mich für sie!"

    "Wie funktioniert das hier?"

    "Ah, 4 Uhr 45! Verdammter Vollmond!"

    "Süß: Hab meinen Dad gebeten, mir die dritte Staffel Dexter runterzuladen und er hat mir stattdessen Dexters Laboratory geholt!"

    "Kann mir jemand hier eine Apple-Fernbedienung leihen? Dann gebt sie bitte bei der Bühne links ab, danke."

    "Puh. Ich glaub ich hab heut schon was Produktives getan."

    "Ich hasse dieses ganze Schlaflosigkeits-Dings."

    Im besten Fall entsteht aus den tausenden Kurznachrichten, die jede Minute weltweit veröffentlicht werden, ein Protokoll der Wirklichkeit - im schlechtesten ein großes Rauschen. Einer, der dieses Rauschen zu bezwingen gelernt hat, ist Malte Diedrich. Bereits seit einem Jahr nutzt der 32-jährige Projektmanager Twitter. Er liest die Beiträge von hundert anderen, während er selbst für gut zweihundert Menschen schreibt - 20 bis 30 Twees am Tag.

    "Das ist einfach ein schöner Weg, um mit seinen Freunden den Tag über in Kontakt zu bleiben, zu merken, die anderen leben noch, sind aktiv, mit denen zu reden. Das ist einfach so eine Art wie… ich sage mal private Schnackrunde."

    Und darauf dass sie auch privat bleibt, legt Malte Diedrich großen Wert. Wer seine Nachrichten lesen darf, das entscheidet er selbst:

    "Zum einen kann ich meine Nachrichten grundsätzlich privat schalten. Da muss ich jeden explizit frei schalten, der meine Nachrichte bekommen möchte. Zum anderen kann ich Leute auch komplett blocken, und ich bin aus der Sicht dann komplett unsichtbar."

    Im Internet kurze Statusmitteilungen an sein soziales Netzwerk schicken - nicht nur für Malte Diedrich liegt darin der Reiz des Twitterns. Die Beobachtung hat auch Jan Schmidt gemacht. Er ist Wissenschaftler am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung - und selbst passionierter Twitterati:

    "Der Reiz von solchen Seiten überhaupt von diesen ganzen Anwendungen aus dem Bereich Social-Software liegt ja gerade darin, dass man sich dort mit Menschen austauschen kann, zu denen man irgendeine Beziehung hat. Das können entweder Leute sein, die man kennt, aus dem 'echten Leben' - in Anführungsstrichen, dass es Kollegen sind oder Kommilitonen oder so.

    Oder dass das Leute sind, die halt ähnliche Interessen teilen. Ich kann, wenn ich meine Aufmerksamkeit drauf richte, sehen, was machen die Menschen zu denen ich irgendeine Art von Beziehung habe, es ist also nicht nur eine Art von Informationsmanagement, sondern auch von Beziehungsmanagement, die da funktioniert."

    Das machte sich auch schon Barack Obama zu Nutze. Rund 150.000 Menschen haben seine Tweets abonniert. Damit ist der künftige Präsidenten der Vereinigten Staaten unangefochtener Spitzenreiter in den Twitter-Charts - und beschert der Online-Plattform große Publicity.

    Auch die Tatsache, dass Augenzeugen blitzschnell von den Terroranschlägen in Mumbai berichteten, rückte Twitter in den Blick der breiten Öffentlichkeit. Der Dienst verzeichnet phänomenale Zuwachsraten. Wie viele Leute beteiligen sich denn an dem weltweiten Palaver? Auch Jan Schmidt weiß keine Antwort …

    "… ich könnt natürlich einfach auf Twitter mal fragen …"

    … und gibt die Frage spontan bei Twitter ein. Gut 300 Menschen, die seine Beiträge abonniert haben, bekommen sie damit gestellt. Keine fünf Minuten später die Antwort: Offiziell sind es sechs Millionen. Sechs Millionen Menschen, die einfach drauflos zwitschern. Ob sinnvoll oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen.