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Giftige Öldämpfe im Flugzeug
Flugpassagier mit feinem Näschen

Benommenheit, Händezittern, Schwindel – so beschreiben manche Piloten oder Flugbegleiter die Symptome des "Aerotoxischen Syndroms". Ein möglicher Grund: Giftige Dämpfe dringen in die Kabine ein und machen Besatzung und Passagiere krank. Um die Ursachen genauer zu untersuchen, bekommen einige Flugzeuge nun einen besonderen Passagier an Bord: einen Koffer mit hochsensiblen Messinstrumenten.

Von Piotr Heller | 09.07.2015
    Erster Airbus A380 für British Airways
    Ein Airbus A 380 der Fluglinie British Airways: Gelangen durch die Turbinen giftige Dämpfe in die Kabine? (picture alliance / dpa / Harmut Reeh)
    "Unsere Aufgabe ist es, die Kabinenluft im Flugzeug im Allgemeinen zu beschreiben mit einer ganzen Reihe von Parametern."
    Wolfgang Rosenberger leitet das toxikologische Labor der Medizinischen Hochschule Hannover. Hier wertet er grade Proben eines speziellen Messkoffers aus, den er entwickelt hat. Das Gerät war bis vor kurzem in einem Airbus A321 der Lufthansa unterwegs. Die Luft der Flugzeugkabine strömte durch den Koffer, und der analysierte sie mit verschiedenen Sensoren und nahm automatisch Proben.
    "Die Idee, die dahinter steckt ist in der Frage begründet: Welche Probleme treten in der Flugzeugkabine auf? Es wird berichtet über Krankheitsgeschehen bei fliegendem Personal, selten auch bei Passagieren."
    Dieses Krankheitsgeschehen wird als aerotoxisches Syndrom bezeichnet. Die Symptome umfassen Übelkeit, Händezittern und Benommenheit. Manche Piloten klagen sogar über bleibende Schäden. Woher diese Symptome kommen, das weiß bisher keiner. Tatsache ist, dass Flugzeugbesatzungen manchmal den Geruch von Öl oder alten Socken wahrnehmen, bevor die Symptome auftreten. Manche vermuten, dass bestimmte Formen des Stoffes Trikresylphosphat, TCP die Ursache sind. Das TCP könnte aus dem Öl der Triebwerke stammen. An den Verdichtern der Triebwerke zapfen die meisten Passagierflugzeuge Luft an, um damit die Kabine in der dünnen Atmosphäre in Zehntausend Metern Höhe zu versorgen.
    "Moderne Triebwerke haben normalerweise zwei, bei Rolls Royce auch drei Wellen, die laufen mit sehr hohen Drehzahlen. Dazu braucht man Lager und die müssen mit Öl geschmiert und gekühlt werden. Und deswegen gibt es einen Ölkreislauf im Triebwerk, der natürlich weitestgehend gekapselt ist. Aber das scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, wie Luft kontaminiert werden kann, die dann ins Flugzeug hineinkommt."
    Das Ziel: den gefürchteten Geruch einer bestimmten Chemikalie zuordnen
    Erklärt Andreas Döpelheuer, der beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an Triebwerken forscht. Ob und wie Öldämpfe tatsächlich in die Luft der Kabine vordringen könnten – das weiß er nicht.
    "Es sind Fälle, die nicht normal sind, also es ist dann eine Ausnahmesituation, die wenn überhaupt sehr selten vorkommt. Die Gründe sind nicht bekannt. Wenn man die wüsste, würden die Betreiber sie sicher abstellen."
    Weil die genauen Hintergründe immer noch nicht bekannt sind, weiß Wolfgang Rosenberger von der Universität Hannover nicht, wonach er mit seinem Messkoffer genau suchen soll. Neben TCP, misst er gut 200 weitere Stoffe: Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Formaldehyd, Ozon, flüchtige organische Verbindungen. Dabei ist er so genau, dass man in den Daten erkennen kann, was in der Flugzeugkabine passiert. Ein Beispiel:
    "Wenn ein Pushback stattfindet, das heißt, das Flugzeug wird von einem Wägelchen nach hinten geschoben und die Turbinen werden gestartet oder das Flugzeug fährt hinter einem Flugzeug hinterher, dann können Sie sich vorstellen, dass vom vorausfahrenden Fahrzeug die Abgase eingesogen werden können. Das können Sie sehen. Sie sehen vielleicht einen minimalen Anstieg von Kohlenmonoxid in der Situation, sie sehen Kostenbestandteile in der Messung. Sodass man dieses Ereignis gut beschreiben kann."
    Wichtig wäre es aber vor allem, den gefürchteten Geruch in der Kabine einer Chemikalie zuzuordnen. Wolfgang Rosenberger hat bereits eine Messkampagne in dem Langstreckenflugzeug A380 abgeschlossen. 800 Stunden Messungen. Ergebnis:
    "Wir haben festgestellt, dass wir zu vielen Parametern, zu allen Parametern, die wir messen, keine Korrelation zu dem Geruchsereignis feststellen, was in Verbindung gebracht werden könnte mit dem Eintrag von Öl."
    Die Suche geht also weiter. Bis Ende des Jahres wertet Wolfgang Rosenberger die Daten aus der A321 aus. Außerdem hat die Europäische Agentur für Flugsicherheit sich des Themas angenommen. Sie finanziert ein Projekt, bei dem die nächsten 20 Monate über die Luftqualität in Flugzeugen analysiert werden soll. Mit dabei: Der Messkoffer von Wolfgang Rosenberger.