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Gleich und doch verschieden

Genetik. - Was unterscheidet uns Menschen von unserem nächsten lebenden Verwandten? Dieser Frage versucht das internationales Schimpansensequenzier- und Analyse Konsortium zu beantworten mit einer ganzen Reihe von Artikeln in den Wissenschaftsmagazinen "Nature" und "Science" zu beantworten. Die genetischen Unterschiede sind größer als vermutet, stellen jedoch nicht die ganze Wahrheit dar.

Von Michael Stang |
    Clint war ein kräftiger Schimpanse, als ihm vor ein paar Jahren bei einer Untersuchung Blut abgenommen wurde. Der Blutspender des Primatenforschungszentrums in Atlanta musste aber Ende 2004 im besten Affenalter von nur 24 Jahren wegen eines Herzfehlers eingeschläfert werden. Übrig geblieben sind noch ein paar gefrorene Blutproben und sein Skelett, das dem Field Museum in Chicago vermacht wurde. Sein größtes Vermächtnis ist aber jene Blutprobe, die nun zum Meilenstein in der Wissenschaft wurde. Denn aus dem Blut wurde sein Erbgut sequenziert und mit dem des Menschen verglichen. Die Ergebnisse sind in gleich zwölf Artikeln in den beiden großen Fachjournalen "Nature" und "Science" veröffentlicht.

    "Mit dem Datensatz steht uns jetzt ein Werkzeug zur Verfügung mit dem wir fragen können, welche genetischen Veränderungen den Menschen im Vergleich zum Tier so besonders gemacht haben. Und eine Möglichkeit ist zu fragen, wie bestimmte Genaktiviäten mit genetischen Unterschieden zusammenhängen."

    Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ist einer von 67 Wissenschaftlern des Schimpansen-Sequenzier-und-Analysekonsortiums, die das Genom vom Schimpansen mit dem des Menschen verglichen haben. Während es bei der Genaktivität in den Hoden ein Drittel an Gemeinsamkeiten gibt, beträgt der Unterschied zu unserem nächsten lebenden Verwandten im Gehirn nur etwa acht Prozent. Die Forschergruppen aus den USA, Israel, Spanien, Italien und Deutschland gingen dabei unterschiedlichen Fragestellungen nach. Die Hauptgruppe legte die beiden Genome als Blaupausen übereinander. Die Gegenüberstellung vom Schimpansen zu Menschen ergab einen Unterschied von nur 1,2 Prozent. Die Forschungsgruppe um Svante Pääbo schaute sich Leber, Niere, Gehirn, Hoden und das Herz an und verglich dabei 21.000 Gene auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Andere Forschergruppen untersuchten bestimmte Stellen an den Chromosomen, die besonders anfällig für Mutationen waren. Pääbo:

    "Bei den Daten haben wir gesehen, dass sich die Genregulierung im menschlichen Gehirn erheblich verändert hat. Und das im Vergleich zu unseren Vorfahren auf zweierlei Weise: die Proteine haben sich im Aufbau und in der Anzahl verändert."

    Insgesamt entdeckten die Forscher 53 Gene, die beim Schimpansen nicht mehr vorhanden sind. Die Unterschiede aber nur an einzelnen Genen festzumachen, ist zu einfach. Die Forscher können trotz der neuen Datenflut weiterhin nicht vollständig klären, was einzelne Unterschiede im Gesamtzusammenhang für eine Bedeutung haben. Dennoch sind die Daten der Schlüssel für zukünftige Forschungen. Pääbo:

    "Als erstes können wir mit diesen Daten genau sehen, wie sich unser Genom im Gegensatz zum Schimpansen verändert hat. Und zweitens haben wir jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit Fragen zu beantworten, welche genetischen Veränderungen bei unseren Vorfahren uns so besonders haben werden lassen."

    Svante Pääbo sieht diese Forschung trotz des heutigen Meilensteins noch ganz am Anfang ihrer Erkenntnisse. Zwar wisse man jetzt, wo bestimmte Veränderungen aufgetreten sind, aber das komplexe Zusammenspiel der einzelnen Basenpaare, Gene und Proteine hält noch viel Arbeit für die Wissenschaft bereit. Pääbo:

    "Wir können auch andere Datensätze nur Stück für Stück analysieren, wie etwa bestimmte Genaktivitäten. Wir fangen gerade erst einmal an, bestimmte Gruppen dieser Gene, die für uns interessant sein könnten, anzuschauen. Ich denke, in Zukunft können wir auch das Vorkommen der Proteine und die dort vorkommenden Veränderungen auch auf der DNA analysieren, um die exakten Unterschiede zwischen beiden Arten festzustellen."


    Die Forschung an den Schimpansen ist also längst nicht abgeschlossen, auch wenn viele der Daten ein finales Werk vermuten lassen. Die genetischen Unterschiede zwischen dem Schimpansen und dem Menschen sind im Blickwinkel der meisten Autoren in Science und Nature gewaltiger als erwartet. Doch liegt es jetzt an ihnen zu klären, was ein Unterschied von 35 Millionen Positionsveränderungen im Genom bei drei Milliarden Basenpaaren insgesamt wirklich bedeutet.