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Glück in Neapel

Seit der Sanierung vor zwei Jahren erstrahlt das berühmte Opernhaus Teatro San Carlo in Neapel in neuem Glanz. Zu Beginn dieser Musiksaison wurde eine Uraufführung zum 150. Jubiläum des italienischen Einheitsstaates geboten und ein Theatermuseum eröffnet.

Von Thomas Migge |
    Das Unvereinbare vereint. Die Komplexität des Einheitsstaates, dem es auch nach 150 Jahren nicht gelungen ist, ein einheitliches Sozial- und Bildungswesen zu schaffen. Der eher graue Norden und der sonnige Süden. Das Land der Italiener, die untereinander so unterschiedlich sind, dass es fast schon verwegen ist, von "einem Land" zu sprechen.

    Für den italienischen Komponisten Luca Francesconi ist sein Heimatland ein großes Rätsel, ein Etwas, das sich nur schwer erklären und begreifen lässt. Seine Musik bringt diese Problematik deutlich zum Ausdruck: eine kryptisch-rätselhafte Musik. Francesconis neues Werk "Terra", zu Deutsch: Land, ist ein Oratorium zum 150. Jubiläum des italienischen Einheitsstaats. Gestern Abend wurde es uraufgeführt. Ein Auftragswerk des Teatro San Carlo in Neapel, das erst vor kurzem nach einer kompletten Sanierung - architektonisch, kunsthistorisch und finanziell - wieder eröffnet wurde.

    Ganz bewusst wählte man einen der sperrigsten italienischen Komponisten aus: Man will beweisen, dass das Traditionshaus San Carlo mehr zu bieten hat als nur Verdi und Puccini und andere Italo-Klassiker.

    "4000 qm für den neuen Probenraum, 330 Tage Arbeit und 67 Millionen Euro Investition: Wir sind heute neben der Scala in Mailand sicherlich Italiens modernste Opernbühne."

    Das San Carlo war so hoch verschuldet, dass die Regierung einen Sonderkommissar ernennen musste, Salvatore Nastasi, der die Finanzen wieder in Ordnung bringen musste. Noch ist dieser Sonderkommissar im Einsatz. Die Regierung will kontrollieren, dass ihr finanzieller Rettungsplan für das Theater von Dauer ist.

    "Einfach nur vom neuen San Carlo zu sprechen ist falsch. Hier stimmen ja jetzt nicht nur wieder die Finanzen und das Haus aus dem 18. Jahrhundert erstrahlt wieder in altem Glanz. Wir haben auch ein Theatermuseum eröffnet und das Archiv der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das ist jetzt nicht nur eines der schönsten sondern auch interessantesten Opernhäuser der Welt."

    Während das jetzt endlich zugängliche Theaterarchiv die historischen Schätze des San Carlo aus 300 Jahren ausstellt – Kostüme, Originalpartituren, Gemälde, Bühnenbilder etc. – zeigt das nagelneue Theatermuseum MeMus in Sälen des in der direkten Nachbarschaft gelegenen Palazzo Reale moderne und zeitgenössische Kunst. Wie kein anderes Opernhaus Italiens gab und gibt das San Carlo immer wieder bei bedeutenden zeitgenössischen Künstlern Bühnenbilder und Kostüme in Auftrag.

    Der Musikkritiker Franco Soda von der Zeitschrift "Il Giornale della Musica":

    "Das Museum zeigt die Entwürfe und Bühnenbilder von Giacomo Manzù für ‚Macbeth’, von Mimmo Palladino für ‚Fidelio’, von Anselm Kiefer für ‚Elektra’ und anderen Künstlern wie Pomodoro und Rauschenberg. Der Museumsbesucher erfährt hier, dass Oper auch viel mit Kunst zu tun hat, dass klassische Musik und zeitgenössische Kunst sich nicht ausschließen. Wir bieten auch einen Kinosaal und eine multimediale Galerie."

    Dort kann man sich sämtliche der von Künstlern betreuten Inszenierungen des San Carlo anschauen. Bleibt abzuwarten, ob das neue San Carlo auch ohne einen Sonderkommissar finanziell über die Runde kommen wird. Das Geld vom Staat wird auch für das Opernhaus in Neapel immer knapper und die Schuldenkrise, die nach Griechenland vor allem Italien trifft, könnte sich fatal auf die Kulturpolitik auswirken. Im San Carlo will man von diesen düsteren Aussichten nichts hören. Mit zehn Operninszenierungen in der kommenden Saison bietet man der Krise die Stirn.