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Glyphosat-Prozesse in den USA
Jede Menge Ärger für Bayer

Voller Optimismus hat Bayer vor rund einem Jahr den US-Konzern Monsanto übernommen. Jetzt sieht sich der Chemieriese in den USA mit zahlreichen Prozessen konfrontiert. Krebspatienten sagen, ihre Erkrankung gehe auf die Nutzung von Monsantos Glyphosat zurück - inzwischen klagen zigtausend Betroffene.

Von Nicole Markwald | 26.04.2019
Logo des Bayer-Konzerns
"Glyphosat ist kein sicheres Mittel, und Bayer muss aufhören, das zu behaupten.” - Die Zukunft des Bayer-Konzerns hängt auch von dem Ausgang der Schadenersatzklagen in den USA ab. (Michael Sohn/AP/dpa)
Als Bayer-Chef Werner Baumann im September 2018 vom Fernsehsender Bloomberg interviewt wird, gibt er sich selbstsicher:
"Wir sind sicher, dass das Produkt weiterhin auf dem Markt bleibt – es ist sicher und unheimlich wichtig für die Farmer, die es nutzen", so Baumann. Das Produkt: Glyphosat, ein Unkrautvernichtungsmittel. Das Pflanzengift wird unter anderem vom Saatgut-Konzern Monsanto hergestellt. Und Bayer hatte im Sommer 2018, also kurz vor diesem Interview, Monsanto gekauft. Dafür zahlte der Konzern 63 Milliarden Dollar. Im Preis mit inbegriffen: jede Menge Ärger.
Erster Schlag unmittelbar nach der Übernahme
Denn mit Monsanto übernehmen die Leverkusener auch rund 8.700 Klagen, die in den USA wegen möglicher Erkrankungen durch Glyphosat anhängig sind.
Der erste Schlag kommt schon wenige Wochen nach der Übernahme. Im August 2018 spricht ein Gericht in San Francisco dem unheilbar an Krebs erkrankten Dewayne Johnson eine Entschädigung in Millionenhöhe zu. Der 46-Jährige hatte jahrelang als Hausmeister die glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel von Monsanto benutzt, sie sollen seinen Krebs ausgelöst haben.
"Haben Roundup Pro oder Ranger Pro mit dazu beigetragen, dass Mr. Johnson Schaden genommen hat", liest die Richterin aus der Urteilsbegründung. "Die Antwort lautet: Ja."
Die nächste Frage, die die Jury beantworten musste: "Hat Monsanto es versäumt, ausreichend auf Risiken hinzuweisen? Die Antwort lautet: Ja."
Am Ende gewinnt Dewayne Johnson auf ganzer Linie: Die Jury spricht ihm umgerechnet knapp 250 Millionen Euro Schmerzensgeld zu. Ein Richter reduziert die Summe anschließend auf 78 Millionen. Bayer legte gegen das Urteil Berufung ein und Baumann verteidigt sein Produkt in den USA.
"40 Jahre Täuschung und wissenschaftliche Unehrlichkeit"
"Es ist dieses eine Urteil – demgegenüber stehen wissenschaftliche Erkenntnisse. Unser Produkt wird seit über 40 Jahren sicher genutzt. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Produkt und Krebserkrankungen."
Im März dieses Jahres der nächste Schlag: Wieder verurteilt ein US-Gericht Monsanto zu einer Entschädigungszahlung in Millionenhöhe. Und wieder bestreitet Bayer die Vorwürfe gegen Glyphosat und verweist darauf, dass Zulassungsbehörden weltweit den Unkrautvernichter bei sachgemäßer Anwendung als sicher bewerteten.
Aimee Wagstaff, eine Anwältin des Klägers: "Dann sage ich: Es ist die zweite einstimmige Jury-Entscheidung, nach der das glyphosathaltige Mittel Roundup Krebs verursacht. Sie haben eine Woche bis zur Urteilsfindung gebraucht. Sie haben wissenschaftliche Unterlagen aus 40 Jahren durchgesehen. Wir sagen: 40 Jahre Täuschung und 40 Jahre wissenschaftliche Unehrlichkeit. Und die Jury hat das ernst genommen, gesehen, dass dies kein sicheres Mittel ist, und Bayer muss aufhören, das zu behaupten."
Mittlerweile klagen in den USA mehr als 13.400 Krebspatienten gegen Monsanto, die ihre Erkrankung auf die Verwendung von Glyphosat zurückführen. Kürzlich forderte ein Richter Bayer auf, einen Mediator einzuschalten.
Auf einen Vergleich möchte sich der Konzern noch nicht festlegen, dafür sei es noch zu früh, so Chef Baumann in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Die Auseinandersetzungen vor Gericht gehen aber weiter: Allein in diesem Jahr sollen noch mindestens vier weitere Prozesse starten.