Samstag, 04. Mai 2024

Archiv

Glyphosat-Verlängerung
"Die Entscheidung kann man nicht der gesamten Union anlasten"

Wenn die SPD die Große Koalition wirklich wolle, dann sei die Entscheidung von Christian Schmidt für die Glyphosat-Verlängerung kein unüberwindbares Hindernis, sagte CDP-Politiker Wolfgang Bosbach im Dlf. Nur wer sie nicht wolle, führe ein solches Theater auf.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Christine Heuer  | 28.11.2017
    Der Bundestagsabgeordnete, Wolfgang Bosbach (CDU), spricht am 06.09.2016 in einem Haus des Deutschen Bundestages in Berlin mit einer Journalistin der Deutschen Presse-Agentur.
    Christian Schmidt solle nicht entlassen werden, sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach im Dlf (dpa / picture alliance / Gregor Fischer)
    Christine Heuer: Er habe mit seinem Ja zu Glyphosat eine Entscheidung für sich getroffen und in seiner Ressort-Verantwortung, hat der christsoziale Landwirtschaftsminister Christian Schmidt heute Früh in der ARD gesagt. Die Botschaft, die er offenbar vermitteln will: Angela Merkel hatte damit nichts zu tun. Ob das wirklich so war, das fragen sich heute viele in Berlin, und selbst wenn Schmidt wirklich eigenmächtig Ja gesagt hat, wo er sich hätte enthalten müssen, kann man das dem CSU-Politiker nicht einfach so durchgehen lassen. Die Grünen fordern, in diesem Fall müsse Merkel Schmidt entlassen. Die SPD zeigt sich vielstimmig empört. Hören Sie in dieser Reihenfolge Ralf Stegner, Andrea Nahles und die düpierte Umweltministerin Barbara Hendricks:
    Ralf Stegner: "Das ist ein ordentlicher Schlag ins Kontor und das dient jetzt, glaube ich, auch nicht den Gesprächen, die geführt werden sollen zwischen den Parteien."
    Andrea Nahles: "Und ich muss mich wirklich fragen, ob da die Mäuse auf’m Tisch tanzen. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass wir hier so was präsentiert bekommen. Wir empfinden das wirklich als schwere Belastung."
    Barbara Hendricks: "Ich glaube, die Kanzlerin ist am Zuge. Sie muss etwas unternehmen, um diesen Vertrauensverlust zu heilen."
    Heuer: Die sozialdemokratische Umweltministerin Barbara Hendricks heute Früh im Deutschlandfunk. Und jetzt bei uns Wolfgang Bosbach von der CDU. Guten Tag.
    Wolfgang Bosbach: Hallo, Frau Heuer! Guten Tag aus Hamburg.
    Heuer: Herr Bosbach, wie finden Sie das Verhalten von Christian Schmidt?
    Bosbach: Ich kann verstehen, dass die führenden Vertreter der SPD, insbesondere die Ressort-Ministerin Hendricks je nach Temperament irritiert oder verärgert sind. Aber Christian Schmidt hatte ja auch Sachargumente für seine Haltung. Art und Ausmaß der Kritik, auch die Härte der Wortwahl kann ich mir nur damit erklären, dass die SPD sagen will, eigentlich wollen wir die Große Koalition nicht. Politisch inhaltlich ist es ganz schwer. Jetzt wird es auch noch atmosphärisch schwer. Aber wenn wir uns mal ganz ehrlich machen: Wenn man die Große Koalition wirklich will, dann ist doch die Entscheidung von Christian Schmidt, die Entscheidung, die in Brüssel gefallen ist, kein unüberwindbares Hindernis.
    Heuer: Ja, ja, Herr Bosbach. Nun haben Sie jahrzehntelang für die CDU im Deutschen Bundestag gesessen, und das ist ja nun schon ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, dass ein Minister in Brüssel, der sich enthalten müsste, weil eine Kabinettskollegin von einer anderen Partei gegen seine Entscheidung ist, dass der nun eigenmächtig einfach zustimmt. Wie fänden Sie einen solchen Vorgang denn im umgekehrten Fall?
    Bosbach: Fände ich auch nicht gut. Deswegen habe ich doch gerade gesagt: Ich kann ja verstehen, dass es führende Repräsentanten der SPD gibt, die irritiert oder verärgert sind. Christian Schmidt hat in der Tat die Geschäftsordnung der Bundesregierung großzügig interpretiert. Das ist eine vornehme Umschreibung.
    "Wer sie nicht will, führt ein solches Theater auf"
    Heuer: Na, sehr freundlich formuliert, ja.
    Bosbach: Er steht zu dieser Entscheidung, aber das ist doch im Moment nicht die Frage. Die Entscheidung ist gefallen: 18 von 28 Ländern waren im Übrigen dafür. Und jetzt geht es um die Frage, ist jetzt diese Entscheidung beim Thema Glyphosat von so großer Bedeutung, dass das angestrebte, aber von der SPD eigentlich nicht gewollte Projekt Große Koalition in Gefahr ist oder nicht. Da kann ich nur sagen: Wer sie nicht will, führt ein solches Theater auf. Aber wer sie will, der weiß doch, dass diese Entscheidung nicht der eigentliche Bremsklotz auf dem Weg zur GroKo ist.
    Heuer: Nun geht es der SPD natürlich zum einen um die Sache, aber auch um das Verhalten, das da offensichtlich geworden ist. Die SPD vertraut der Union nicht, das sagt sie ganz offen, und diese Glyphosat-Geschichte jetzt zeigt, warum sie nicht vertraut.
    Bosbach: Aber diese einzelne Entscheidung, die kann man doch jetzt nicht der gesamten Union anlasten und sagen, das ist jetzt der Beweis dafür, dass wir nicht erneut eine Große Koalition anstreben sollten. Denn die SPD hat doch in den letzten vier Jahren immer auch zurecht betont, wir arbeiten gut und vertrauensvoll miteinander. Die SPD war doch lange Zeit stolz darauf, was sie alles in der Großen Koalition erreicht hat. Das soll jetzt alles nicht mehr gelten, weil man in der Wahlnacht sehr früh Nein gesagt hat und sich für die Opposition entscheiden wollte.
    Heuer: Herr Bosbach, Sie sagen, man soll diese Geschichte Glyphosat, Brüssel, Christian Schmidt nicht der gesamten Union anlasten.
    Bosbach: Ja.
    Heuer: Aber Christian Schmidt müsste man es anlasten. Soll der entlassen werden?
    Bosbach: Nein, der soll nicht entlassen werden. Ich weiß im Übrigen nicht, ob die Vermutungen überhaupt zutreffend sind, dass man der Kanzlerin da stillschweigendes Einverständnis unterstellt. Wenn Christian Schmidt sagt, das nehme ich auf meine Kappe, dann habe ich keinen Grund - wir kennen uns auch lang genug - an seinen Worten zu zweifeln. Und das wäre aus meiner Sicht überhaupt kein Grund, Christian Schmidt zu entlassen, es sei denn, er hätte aus sachfremden Erwägungen entschieden. Und er hat ja gute Sachargumente für seine Entscheidung vorgetragen und die kann man nicht einfach negieren.
    Heuer: Kann es sein, dass eine Bundeskanzlerin oder, sagen wir mal, das Kanzleramt nicht informiert ist, wenn in einer so umstrittenen, hoch aufgeladenen Thematik wie Glyphosat ein einzelner Minister einfach auf eigene Kappe, wie er sagt, in Brüssel agiert?
    Bosbach: Das kann so sein. Ob es so war, wissen wir beide nicht.
    "Jetzt wird es auch noch atmosphärisch schwierig"
    Heuer: Darf es so sein - darf es denn so sein?
    Bosbach: Nein, nein, Frau Heuer. Deswegen habe ich ja vorhin gesagt, die Geschäftsordnung der Bundesregierung sieht ja Abstimmungen der Ressorts vor. Und wenn man sich nicht einigen kann, muss man sich enthalten. Deswegen hat ja Christian Schmidt auch zutreffend gar nicht behauptet, dass das eine konsentierte Haltung der Bundesregierung gewesen wäre, die man da in Brüssel eingenommen hat. Aber das wäre jetzt für mich kein Grund zu sagen, deswegen muss jetzt Christian Schmidt aus dem Amt gejagt werden.
    Heuer: Okay. Ich verstehe Sie richtig, Sie glauben ihm, dass das Kanzleramt, dass Angela Merkel von seinem Schritt vorher nicht informiert war?
    Bosbach: Ja. Ich habe auch keinen Grund, ihm eine Lüge zu unterstellen, ohne dass ich wirklich handfeste Anhaltspunkte dafür habe, dass es nicht die Wahrheit ist.
    Heuer: Aber solch ein Verhalten, Herr Bosbach, das muss doch eine Konsequenz haben. Die SPD fordert ein Signal von Angela Merkel. Wenn es nicht die Entlassung von Christian Schmidt ist, was könnte es denn sonst sein?
    Bosbach: Was soll das denn sonst sein? Ich nehme an, dass heute schon die Drähte geglüht haben, dass man sich selbstverständlich miteinander in Verbindung gesetzt hat, auch zur Beantwortung der Frage, warum hat sich das zuständige Ministerium, das zuständige Ressort so verhalten, wie es sich verhalten hat. Aber im Grunde wollen die doch den Hofknicks haben. Lassen wir doch mal die Sache ganz ehrlich machen. Die SPD ist heil froh, dass sie etwas gefunden hat, was sie der Union vorhalten kann. Jetzt ist es nicht nur politisch-inhaltlich schwierig; jetzt wird es auch noch atmosphärisch schwierig. Natürlich sagen das die Genossen nicht. Sie meinen es aber. Wenn Angela Merkel Kanzlerin bleiben möchte, mit unserer Hilfe, dann muss sie schon die Politik der SPD eins zu eins übernehmen. Das ist die Haltung der Sozialdemokraten, weil die es ja schwer haben, die Große Koalition an der Basis zu verkaufen.
    Heuer: Herr Bosbach! Aber die SPD hat heute Grund, sauer zu sein auf die Union.
    Bosbach: Ja.
    Heuer: Machen Sie doch mal zum Abschluss unseres Gesprächs einen Vorschlag. Vielleicht können Sie eine Brücke bauen. Wie könnte man denn dieses Vertrauensverhältnis jetzt in diesem einen Punkt wieder versuchen zu klären?
    Bosbach: Die beste Methode ist, dass man folgendes Prinzip beachtet. Erstens: Jeder muss sich in einer Koalition, jetzt in der Großen Koalition, mit seinen politischen Inhalten wiederfinden können. Man kann dem anderen aber auch nichts zumuten, was für ihn unzumutbar ist. Keine Quatscherei nach draußen. Und das Wichtigste sind gute Sachargumente und nicht die Frage, was wird aus mir, sondern es sind gute Sachargumente bei den einzelnen politischen Themen. Durch diese Zusammenarbeit, man einigt sich auf eine vernünftige Politik, die dem Land wirklich hilft, die die großen Fragen der Zeit löst und die Zukunft gestaltet, das ist vertrauensbildend.
    Heuer: Also ein bisschen mehr Disziplin?
    Bosbach: Ja. Das hat sich immer noch bewährt.
    Heuer: Wolfgang Bosbach, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, nach wie vor christdemokratischer Politiker, und wir haben uns sehr gefreut, heute Mittag mit Ihnen sprechen zu können, Herr Bosbach. Danke schön.
    Bosbach: Ich danke Ihnen, Frau Heuer. Einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.