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"Das A und O ist wirklich die längere Nutzungszeit"

Beim hochwertigen Recycling könnten niemals alle Rohstoffe aus alten Geräten wie Computern herausgeholt werden, sagte Maike Janßen vom Umweltbundesamt im DLF. Grundsätzlich sollten Computer bedarfsgerecht angeschafft werden und auch aufgerüstet werden, empfiehlt Janßen. Zudem könnten viele Geräte auch länger genutzt werden als es heute geschehe.

Maike Janßen im Gespräch mit Jule Reimer | 29.09.2016
    Hände tippen auf einer Computertastatur.
    Die neueren Versionen von Windows beispielsweise seien gar nicht mehr so sehr viel hungriger als die älteren Versionen, sagte Janßen im DLF. (imago/STPP)
    Jule Reimer: Wir alle kennen den Unmut, der wächst, wenn der Büro-Computer sich schneckenmäßig aktiviert und was meist immer stärker wird, je mehr neue Software-Pakete und Virenschutz-Programme aufgespielt werden. Einen neuen PC mit Arbeitsspeicher erwerben, bringt meist Erleichterung, doch das muss gar nicht immer sein, sagt das Umweltbundesamt. Dessen Expertin für produktbezogenen Umweltschutz, Maike Janßen, begrüße ich jetzt in Berlin am Telefon. Guten Tag!
    Maike Janßen: Guten Tag.
    Reimer: Frau Janßen, wie viele Büro-PCs, tragbare Laptops, Notebooks verschleißt denn zum Beispiel die öffentliche Verwaltung in Deutschland binnen zehn Jahren?
    Janßen: Oh, dazu kann ich Ihnen leider keine Zahlen geben. Aber wir wissen, in der Bundesverwaltung gibt es Empfehlungen für die Mindestzeiten, und die sind unserer Auffassung nach zu kurz. Das sind für Notebooks zurzeit nur noch drei Jahre Mindeststandzeit. Aber der Löwenanteil an Energie und CO2, also Klimawirkung, entsteht in der Herstellung und nicht in der Nutzung. Deswegen sagen wir, man sollte die Geräte deutlich länger nutzen als bisher.
    "Man kann die Geräte tatsächlich länger nutzen"
    Reimer: Deutlich länger nutzen - gut. Aber ich sagte ja schon: PCs werden mit zunehmendem Alter langsamer, weil die Programme meistens umfangreicher werden. Das heißt, was tun bei einem Büro-PC?
    Janßen: Man kann die PCs aufrüsten. Man kann auch das schon bei der Beschaffung berücksichtigen. Wir sagen, man sollte bedarfsgerecht beschaffen. Jemand, der Audiobeiträge schneiden muss wie Sie wahrscheinlich, der hat natürlich andere Anforderungen als jemand wie ich, die ich Texte schreibe und Tabellenkalkulationen benutze. Und auch das Aufrüsten lohnt sich.
    Und wir wissen auch: Die neueren Versionen von Windows beispielsweise sind gar nicht mehr so sehr viel hungriger als die älteren Versionen. Das heißt, man kann die Geräte tatsächlich länger nutzen. Wir haben das am Beispiel von Notebooks auch mal durchgerechnet. Es gibt etwas über eine halbe Million Arbeitsplätze mit Computern in der Verwaltung. Wenn man da noch ein paar Annahmen trifft und dann davon ausgeht, dass die Geräte nicht mehr drei, sondern sechs Jahre genutzt werden, dann kann man in zehn Jahren fast 100 Millionen Euro sparen und auch 71.000 Tonnen CO2. Das ist eine ganze Menge. Und man spart natürlich auch eine Menge kostbare Rohstoffe und die Behörden sparen sich auch den Verwaltungsaufwand, den es kostet, die Geräte auszusuchen, auszuwählen und so weiter.
    Reimer: Genau das wäre nämlich meine andere Frage. Wenn Sie aufrüsten, dann brauchen Sie Leute, die auch Ahnung haben von Aufrüsten.
    Janßen: Ja, das braucht man. Aber wenn man Geräte neu beschafft und ausgibt an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dann ist das auch ein sehr erheblicher Aufwand für die Behörden. Auch den könnte man reduzieren.
    "Wir empfehlen für die stationäre Nutzung einen Mini-PC"
    Reimer: Sie sagen, es gibt auch beim klassischen Büro-PC - ich habe da so eine Kiste unter meinem Tisch stehen, die ist 60 mal 60 mal 15 groß - auch da gibt es Alternativen?
    Janßen: Ja, auch da gibt es Alternativen. Wir empfehlen für die stationäre Nutzung, wenn keine mobile Nutzung gefragt ist, nehmen Sie einen Mini-PC. Das ist so ein Zigarrenkistchen, das vollgestopft ist mit Technik, die man sonst aus einem Notebook kennt, die sehr sparsam ist, aber ohne das gesamte Drumherum, das man beim Notebook hat: den Bildschirm und die Tastatur. Das braucht man ja alles gar nicht, wenn man sowieso nur das stationär benutzt. Dann hat man ja sowieso noch einen separaten Bildschirm. Auch da kann man eine Menge Kohlendioxid-Emissionen sparen, ungefähr rund 30 Prozent gegenüber dem klassischen PC, wie Sie ihn haben.
    Reimer: Das heißt, Sie stellen auch darauf ab, dass das auch im Bereich Rohstoff-Abbau eine große Wirkung hat, wenn man sparsamer umgeht. Aber es heißt doch immer, man kann auch recyceln.
    Janßen: Man kann auch recyceln und das empfehlen wir natürlich auch. Wenn ein Gerät das Ende seiner Nutzungszeit erreicht hat, dann soll man es natürlich verantwortungsbewusst entsorgen. Aber das A und O ist wirklich die längere Nutzungszeit, denn auch durch das hochwertige Recycling können wir niemals alle Rohstoffe herausholen. Und die Energie und die CO2-Emissionen, die in der Herstellung verbraucht wurden beziehungsweise verursacht wurden, die kann man auch nicht wieder rausholen, auch nicht durch ein noch so tolles Recycling.
    Reimer: Green IT - die gesamte IT-Ausstattung der öffentlichen Verwaltung und vermutlich auch in vielen Unternehmensbüros könnte um vieles grüner werden, eingesetzt werden durch Aufrüstung, durch intelligentes Einkaufen, sagt das Umweltbundesamt. Vielen Dank für diese Informationen an die Expertin dort, Maike Janßen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.