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Impf-Debatte
Kitas sollen Verweigerer melden

Die Bundesregierung will den Druck auf Eltern erhöhen, die eine Impfberatung verweigern. Kitas sollen per Gesetz dazu verpflichtet werden, diese Eltern den Gesundheitsämtern zu melden. Ärzten geht das nicht weit genug.

26.05.2017
    Ein Mann wird gegen Masern geimpft.
    Ein Mann wird gegen Masern geimpft. (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    Befeuert wird die Debatte über Impfverweigerer durch den Tod einer 37-jährigen Frau, die am vergangenen Wochenende in Essen an Masern starb. Zuvor hatten mehrere Medien darüber berichtet, dass die dreifache Mutter in ihrer Kindheit wohl nur eine Masernimpfung erhalten hatte. Heute sind zwei empfohlen.
    Gesundheitsminister Gröhe sagte, es könne niemanden kalt lassen, dass immer noch Menschen an Masern stürben. Deshalb verschärfe man die Regelungen zum Impfschutz. Voraussichtlich Anfang Juni soll ein entsprechender Gesetzentwurf abschließend im Bundestag beraten werden. Demnach sollen Kitas künftig die Behörden informieren müssen, wenn Eltern eine verpflichtende Beratung nicht in Anspruch nehmen. Die Ämter haben in solchen Fällen schon jetzt die Möglichkeit, ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro zu verhängen. Bislang können Kitas aber selbst entscheiden, ob sie Eltern, die sich einer Impfberatung dauerhaft verweigern, melden.
    Der Präsident des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Fischbach, sprach sich dafür aus, Impfungen zur Voraussetzung für die Aufnahme von Kindern in Kitas zu machen. Der Staat dürfe Impflücken wie etwa bei den Masern nicht länger hinnehmen. Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Jonitz, begrüßte den Gesetzentwurf grundsätzlich. Die Maßnahmen reichten aber nicht aus. Früher oder später werde Deutschland um eine Impfpflicht nicht herumkommen.
    Italien hatte kürzlich eine Verpflichtung zur Impfung gegen zwölf Krankheiten eingeführt, darunter auch Masern. Eine allgemeine Impfpflicht für alle Kinder bis 14 Jahre hatte auch die FDP auf ihrem Bundesparteitag gefordert. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) warnte dagegen vor Aktionismus und vor einem erheblichen Eingriff in das im Grundgesetz verankerte Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und in das Sorgerecht der Eltern.
    BGH: Impfschutz wiegt schwerer als Bedenken
    Die scheidende Chefin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kritisierte Impfverweigerer in Europa und den USA. "Die jüngsten Masernausbrüche hätten nie passieren dürfen", sagte Margaret Chan am Montag in Genf. Die Viren seien dadurch in viele andere Länder getragen worden. "Das Verweigern von Impfungen ist mindestens ein Grund, warum das riesige Potenzial vom Impfen noch nicht vollumfänglich realisiert worden ist", sagte sie.
    Am Dienstag hatte der Bundesgerichtshof im Fall getrennter Eltern den Impfschutz höher gewichtet als die Bedenken vor Impfrisiken. Denn unterschiedliche Meinungen der Eltern bringen Ärzte in eine Zwickmühle: "Folgt der Arzt der Forderung eines Elternteils zur Impfung, bestand bislang die Gefahr, sich einer Körperverletzung schuldig gemacht zu haben", sagt der Düsseldorfer Kinderarzt Hermann Josef Kahl dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zumindest könnte das die Sichtweise des anderen Elternteils sein. "In solch einer Situation sollte sich der Arzt besser rechtlichen Rat bei einem Berufsverband suchen", sagte der Mediziner. Ob das Kind dann geimpft wird, entscheiden im Zweifel die Gerichte. Diese können einem Elternteil die alleinige Entscheidung über die Impfung zubilligen.
    Impfgegner fürchten sich vor anderen Krankheiten
    Die Argumente der Impfgegner haben eine große Bandbreite: Viele Eltern glauben, Impfungen seien unwirksam. Auch wird immer wieder der Vorwurf laut, die Pharmaindustrie wolle mit den Schutzimpfungen lediglich Geld verdienen. Verbreitet ist auch der Glaube, Impfungen könnten den Ausbruch anderer Krankheiten begünstigen.
    So glauben etwa viele Eltern, Schutzimpfungen könnten Autismus auslösen. Denn der britische Mediziner Andrew Wakefield hatte 1998 in einer Studie behauptet, einen Zusammenhang zwischen der Kombinationsimpfung Masern, Mumps und Röteln (MMR) und Autismus gefunden zu haben. Später kam heraus, dass der Wissenschaftler seine Ergebnisse manipuliert hatte, um mit Eltern von autistischen Kindern Geld von Pharma-Firmen einklagen zu können.
    Das Robert-Koch-Insitut widerspricht auf seiner Internetseite den gängigsten Argumenten von Impfgegnern.
    Das Robert-Koch-Institut (RKI) ist als Bundesinstitut zuständig für Krankheitsüberwachung und -prävention und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) direkt unterstellt. Es wurde vor 126 Jahren gegründet und ist nach dem Mediziner und Mikrobiologen Robert Koch benannt. Die Kernaufgaben des RKI sind die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten, insbesondere der Infektionskrankheiten. Zu den Aufgaben gehört der generelle gesetzliche Auftrag, wissenschaftliche Erkenntnisse als Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen zu erarbeiten - so auch für die Impfempfehlungen des Bundesgesunsheitsministeriums. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Instituts veröffentlicht jedes Jahr eine aktualisierte Übersicht zu den empfohlenen Schutzimpfungen.
    (cvo/ach)
    Anmerkung: Wir haben diesen Beitrag korrigiert. In einer früheren Version war davon die Rede, dass Strafen für Verweigerer der Impfberatung eingeführt werden sollen - die gibt es aber bereits.