Freitag, 19. April 2024

Archiv

Robert Koch-Institut zu Impfquote
Schutz vor Infektionen nicht ausreichend

Die Impfquoten sind in Deutschland zu niedrig. Das ergeben aktuelle Analysen des Robert Koch-Instituts. Demnach erfolgen die Impfungen von Kindern deutlich später, als es die Ständige Impfkommission empfiehlt. Das gilt etwa für die Masern- und Rotaviren-Impfung.

Von Christina Sartori | 10.01.2017
    Eine Spritze sticht in einen Arm
    Im empfohlenen Impfalter von 24 Monaten hätten nur drei Viertel aller Kinder die zweite Masern-Impfung, sagte Annette Siedler vom RKI im DLF. (picture-alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Egal ob Masern, Grippe oder Rotaviren: Die Impfquoten sind noch zu niedrig. Das ergeben die Analysen des Robert Koch-Instituts. Sie zeigen auch: Oft erfolgen die Impfungen von Kindern deutlich später, als es die Ständige Impfkommission, kurz Stiko genannt, empfiehlt. Wie zum Beispiel bei der Masernimpfung, erklärt Dr. Anette Siedler, stellvertretende Leiterin des Fachgebiets Impfprävention am Robert Koch Institut:
    "Wir sehen, dass im empfohlenen Impfalter von 24 Monaten - da sollte die zweite Impfung eigentlich abgeschlossen sein, nach Empfehlung der Stiko -, dass das leider nur bei insgesamt drei Viertel aller Kinder gut funktioniert, das ist zu wenig."
    Um die Masern auszurotten, was erklärtes Ziel der Weltgesundheitsorganisation ist, und um Säuglinge zu schützen, die noch zu jung für die Impfung sind, ist nämlich eine Impfquote von 95 Prozent notwendig. Auch wenn es um den Schutz vor Rotaviren geht, heißt es in Deutschland: Ziel nicht erreicht. Anette Siedler:
    "Auch da würden wir uns wünschen, dass mehr geimpft wird, aber wir müssen bedenken: Diese Empfehlung gibt es noch nicht so sehr lange. Sie ist vor drei Jahren getroffen worden von der Stiko, also 2013. Und das sind so die Anlaufschwierigkeiten einer neuen Impfempfehlung. Da können wir nicht gleich mit sehr hohen Impfquoten rechnen."
    Rotaviren-Infektion führt bei Kindern zu schwerer Belastung
    Eine Infektion mit Rotaviren führt zu schwerem Durchfall. Das kann besonders für kleine Kinder sehr belastend sein, betont Dr. Frank Jochum, Leiter der Kinder- und Jugendmedizin am evangelischen Waldkrankenhaus Spandau in Berlin:
    "Das ist eine der häufigsten Gründe für einen Krankenhausaufenthalt in dem Alter, und das ist was Häufiges, ja."
    Wenn ein Säugling oder Kleinkind durch den Durchfall zu viel Flüssigkeit verliert, dann muss im Krankenhaus über einen Tropf Flüssigkeit zugeführt werden. In armen Ländern, wo das nicht immer möglich ist, sterben daher viele Kinder noch an solchen Durchfall-Erkrankungen. Das ist in Deutschland zum Glück nicht der Fall. Trotzdem empfiehlt Kinderarzt Frank Jochum, Säuglinge durch die Impfung vor Rotaviren zu schützen:
    "Das ist eine Impfung, die sehr angenehm ist, weil es eine Schluckimpfung ist, d.h. die Kinder müssen nicht gepiekst werden. Und das ist eine Impfung, die man eben sehr, sehr früh machen kann. Man sollte bis zur 12. Woche die Rotaviren-Impfung begonnen haben. Es gibt zwei verschiedene Impfstoffe: Einen muss man zweimal, einen muss man dreimal geben, so dass es zu unterschiedlichen Zeiten abgeschlossen ist. Aber eine ganz frühe Impfung, wo man schon nach der Geburt drüber reden sollte, ob man die machen will oder eben nicht."
    Zeitpunkt der Rotaviren-Impfung wichtig
    Bevor Eltern diese Entscheidung treffen, sollten sie wissen: Es ist wichtig, die Rotaviren Impfung genau zu dem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem sie empfohlen wird, nicht viel später. Impft man später, dann erhöht sich dadurch ein wenig das Risiko für eine Darmeinstülpung, erklärt Frank Jochum:
    "Es gibt das Problem, dass Darmschlingen sich ineinander stülpen können. Das kann passieren bei gesunden Menschen in jedem Lebensalter, muss man sagen, und ist auch eine Erkrankung, die man bei Kindern dann und wann findet. Man weiß, dass nach der Rotaviren-Impfung, wenn man die später durchführt, dass dann die Häufigkeit für ein solches Ereignis steigt. Und damit man das verhindert, muss man eben, wenn man diese Impfung machen lassen will, die ja empfohlen ist - wir empfehlen das, weil das wirklich ein häufiger Grund für Krankenhaus-Aufenthalt ist -, dann sollte man die früh machen."
    Das Risiko für einen Säugling, wegen einer Rotaviren-Infektion so schwer zu erkranken, dass er ins Krankenhaus muss, ist viel größer, sagt Frank Jochum, als das Risiko, dass durch die Impfung eine Darmeinstülpung auftritt:
    "Man redet so von hunderttausend Kindern, die geimpft sind, dass da ein bis zwei Kinder eine solche Invagination bekommen. Das muss man den Eltern sagen, weil wenn die Symptome dafür auftreten, dann kann man, wenn man schnell genug dafür sorgt, dass der Darm sich wieder entstülpt, sag ich jetzt mal, ist das relativ komplikationsarm. Wenn man das nicht sieht, kann das zu einer schwerwiegenden Komplikation auch werden.
    Geringes Risiko für eine Darmeinstülpung
    Der impfende Arzt erklärt daher den Eltern, auf was sie in den ersten Wochen nach der Impfung achten müssen – nur dann ist das ohnehin geringe Risiko für eine Darmeinstülpung gering erhöht. Es ist so gering erhöht, dass Frank Jochum – ebenso wie die Ständige Impfkommission – die Rotaviren Impfung empfiehlt:
    "Ich kann nur dafür plädieren, die möglichst allen Kindern angedeihen zu lassen. Es wird von den Krankenkassen bezahlt, und es kann wirklich Leid verhindern bei den Kindern und auch den Stress bei den Eltern."